Aufstand der Töchter hat begonnen

s10FotoArtikelSteffenBerlin: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit bei CFM und VSG

Bei einer Solidaritätsveranstaltung des ‚Bündnisses Berlinerinnen und Berliner für mehr Personal im Krankenhaus‘ wurde Ende August über eine neue Runde im Kampf der Beschäftigten der outgesourcten Servicegesellschaften der beiden großen Krankenhausbetriebe in Berlin diskutiert. Nach dem erfolgreichen Kampf der Beschäftigten an der Charité für mehr Personal im Krankenhaus, streiken am 7. September die KollegInnen der Charité-Tochter „Charité Facility Management“ (CFM).

Von Steffen Strandt, Berlin

Der Saal des ver.di-Hauses ist mit über achtzig KollegInnen voll, als am 29. August darüber diskutiert wird, wie der Kampf gegen Tarifflucht und Ausgliederung und für mehr Personal bei den öffentlichen Krankenhäusern erfolgreich weitergeführt werden kann. Denn bei den beiden großen landeseigenen Krankenhausbetrieben werden die maroden Krankenhausfinanzen durch Lohndumping saniert. 2006 wurden die Service-Beschäftigten am Universitäts-Klinikum Charité in die CFM ausgegliedert und ein Anteil von 49 Prozent an das Konsortium der Service-Unternehmen Dussmann, Vamed und Hellmann verkauft, um nicht den Charité-Tarifvertrag zu zahlen. Seit über zehn Jahren fordern die Beschäftigten der CFM ein Ende des tariflosen Zustandes. Auch nach dem beeindruckenden 89-tägigen Streik 2011, der neben einigen Verbesserungen für die KollegInnen auch zum Beginn von Tarifverhandlungen geführt hat, weigert sich die CFM-Geschäftsführung noch immer, einen Tarifvertrag abzuschließen, der über die Festschreibung des inakzeptablen Status quo hinaus geht. Dass auf der Veranstaltung eine Wiederaufnahme des Tarifkampfes mit einem Warnstreik am 7. September verkündet wurde, ist ein starkes Zeichen, dass die Beschäftigten weiter gegen den tariflosen Zustand, gegen sachgrundlose Befristungen und gegen unfreiwillige Teilzeitarbeit kämpfen.

Von der Charité zu Vivantes

Das aus Sicht der Kürzungspolitiker erfolgreiche Konzept der Charité wurde bei Vivantes übernommen. So gibt es bei Vivantes vierzehn Servicegesellschaften, von denen es in dreizehn keinen Tarifvertrag gibt. Doch auch die Beschäftigten der Vivantes Service GmbH (VSG) haben das Erfolgsmodell Streik übernommen und sind im Juni knapp zwei Wochen für ihre Forderung nach der Übernahme des TVöDs für alle in den Warnstreik getreten. Nachdem die Verhandlungen ohne zufriedenstellendes Ergebnis beendet wurden, haben jetzt über neunzig Prozent der ver.di-Mitglieder für einen unbefristeten Streik gestimmt. Bei Redaktionsschluss war offen, ob der Arbeitgeber sich angesichts dieser Drohung bewegt.

Auch der Kampf für mehr Personal im Krankenhaus wird nach der erfolgreichen Tarifauseinandersetzung an der Charité bei Vivantes aufgenommen. Im TVöD-Warnstreik im April war die Forderung nach mehr Personal die wichtigste Forderung, auch wenn sie gar nicht verhandelt wurde. Die Pflegekräfte machen sich auch hier auf dem Weg, eine bessere Personalbemessung tariflich festzuschreiben. Victoria Al Hourani (Krankenpflegerin im Vivantes Klinikum am Urban) beschrieb auf der Veranstaltung, welche drastischen Auswirkungen die Personalnot für Beschäftigte und PatientInnen hat, wenn sich Pflegekräfte, die alleine im Nachtdienst sind, entscheiden müssen, ob sie dem Patienten, der aus dem Bett gefallen ist aufhelfen, oder in ein anderes Zimmer eilen, weil dort jemand auf Toilette muss.

Tarifkämpfe in Zeiten des Wahlkampfes

Bei der Veranstaltung waren nicht nur KollegInnen aus Berliner Krankenhäusern vor Ort. Denn die Praxis von landeseigenen Unternehmen, Servicegesellschaften auszugliedern, um die Beschäftigten nicht nach Tarifvertrag zu bezahlen, ist in Berlin gängig. Auch Beschäftigte des Botanischen Gartens und des Berliner Technikmuseums standen bis vor kurzem in einer Tarifauseinandersetzung und die LehrerInnen haben immer noch keinen Tarifvertrag, der eine gleiche Bezahlung von angestellten und verbeamteten Lehrkräften festschreibt. Gemeinsam ist diesen Auseinandersetzungen, dass sie alle politische Konflikte sind, bei denen der Senat die Forderungen der KollegInnen erfüllen könnte. Eine stärkere Koordination der Tarifauseinandersetzungen von CFM und VSG durch ver.di ist ein Fortschritt, doch ver.di hätte auch die Möglichkeit, alle ausgegliederten Töchter von landeseigenen Unternehmen gemeinsam vor der Wahl oder während der Koalitionsverhandlungen zum Streik aufzurufen, um gemeinsam Druck auf den Senat auszuüben.

Rolle der LINKEN

Der Landesparteitag der SPD hat im Mai auf ihrem Parteitag beschlossen, dass sie sich für eine Wiedereingliederung der Vivantes-Töchter einsetzen wollen. Doch an der Regierung mit der CDU unternehmen sie nichts in diese Richtung. Und auch die Pflegekräfte, die für mehr Personal kämpfen, berichten davon, dass ihnen immer wieder gesagt wird „wir verstehen euch.“ „Wir wollen keine warmen Worte mehr, sondern die harte Auseinandersetzung“ sagte auch Victoria Al Hourani. Ruben Lehnert und Sarah Moayeri von der LINKEN Neukölln berichteten von ihrer Arbeit in Solidarität mit den Beschäftigten und zur Unterstützung der Streiks. Sarah Moayeri sagte: „Ich setze mich dafür ein, dass die LINKE sich weiterhin mit eurem Kampf solidarisiert, vor allem weil unter Rot-Rot massiv Personal abgebaut wurde und die LINKE Mitverantwortung trägt an der Ausgründung der CFM. Aus der Erfahrung heraus muss sie jetzt bedingungslos auf der Seite der KollegInnen stehen, solche Arbeitskämpfe vorantreiben und da keine Abstriche machen, um koalitionsfähig zu sein.“ Manuela Schmidt, haushaltspolitische Sprecherin der LINKEN im Abgeordnetenhaus trat da ganz anders auf. Sie verteidigte die Kürzungspolitik der rot-roten Regierung und bat um Verständnis mit der Politik. Zwar bezeichnete sie die Ausgliederung der CFM als „Fehler“, doch wegen der Haushaltsnot seien auch „harte Maßnahmen“ nötig gewesen.

Die LINKE muss sich für die volle Umsetzung der Forderungen der KollegInnen einsetzen, und darf nicht weniger als die volle Wiedereingliederung und Bezahlung aller Beschäftigten unter Verantwortung des Landes nach TVöD beziehungsweise bei der CFM nach dem Tarifvertrag der Charité fordern. Die Führung der LINKEN Berlin hat in ihrem Zwölf-Punkte Papier zur Wahl die Weichen auf Rot-Rot-Grün gestellt ohne Forderungen im Interesse von Beschäftigten wie die Wiedereingliederung der outgesourcten Töchter, als Bedingungen für solch eine Koalition zu nennen. SAV-Mitglieder setzen sich innerhalb der LINKEN für einen Kurs in Opposition zu den Sozialkürzungsparteien SPD und GRÜNE ein. Egal wer die neue Regierung stellen wird, wirkliche Verbesserungen können nur gegen diese durch Druck von unten erkämpft werden.

Protesttermine:

– 7. September: Streik der CFM-Beschäftigten ab 6 Uhr morgens an allen Charité-Standorten; im nachmittag Demonstration ab Standort Mitte

– 21. September: Protestaktion der TherapeutInnen vor dem Aufsichtsrat von Vivantes, 8:30h, Aroser Allee 72
Links:

Bündnis Berlinerinnen und Berliner für mehr Personal im Krankenhaus: http://www.mehr-krankenhauspersonal.de/

Wahlaufruf der SAV: https://www.archiv.sozialismus.info/2016/07/widerstand-gegen-rassismus-sparzwang-und-verdraengung/

Weitere Artikel zu Arbeitskämpfen an der Charité und bei der CFM: https://www.archiv.sozialismus.info/category/themen/bundg/cfmstreik/