Revolutionärer Volksrat im venezolanischen Caracas gegründet

CPR CaracasInternationale Solidarität nötig!

Dieser Artikel erschien zuerst am 17. März in englischer Sprache auf der Webseite socialistworld.net

von „Socialismo Revolucionario“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Venezuela), Caracas

Der „Consejo Popular Revolucionario“ (CPR oder „Revolutionäre Volksrat“ auf deutsch) ist eine neue eigenständige revolutionäre Gruppe bestehend aus rund 30 verschiedenen revolutionären Organisationen, diversen soziale Bewegungen, Kollektiven und Akivisten-Gruppen, die als Antwort auf die sich derzeit in Venezuela entwickelnde kritische Situation gegründet wurde. Eine revolutionäre Organisation ist nicht nur nötig, um der neuen Offensive der politischen Rechten ein Ende zu bereiten, sondern auch, um die Errungenschaften des Bolivarianischen Prozesses zu verteidigen und sie bis hin zur Einführung des revolutionären Sozialismus auszuweiten. Im Rahmen der Gründungskonferenz, an der über 100 Personen teilnahmen, äußerten sich viele AktivistInnen dazu, wie kritisch die Lage und wie dringend nötig es ist, angesichts der aktuellen Krise entschiedene und mutige Schritte zu veranlassen.

Nach offiziellen Angaben sind als direkte Folge der Proteste, die das Land im letzten Monat in Beschlag genommen haben, bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt 28 Menschen ums Leben gekommen. In einigen Landesteilen, wie etwa den Bundesstaaten Táchira, Zulia und Merida, stellt sich die Lage so dar, dass das Einsickern rechter paramilitärischer Gruppierungen aus Kolumbien, die dem dortigen ehemaligen Präsidenten Uribe nahestehen, und Einheiten aus dem Inland sowie die streckenweise zu beobachtende Militarisierung dieser Gebiete durch die „National-Bolivarianischen Bewaffneten Kräfte“ (FANB) den Anschein vermitteln, als befinde sich das Land im Kriegszustand.

Einige AktivistInnen berichteten während der Versammlung von Gemeinden im Bundesstaat Táchira, die ganz offensichtlich unter der Kontrolle von Paramilitärs stehen und wo für Grundbedarfsmittel wie Gas, Wasser und Lebensmittel exorbitante Preise verlangt werden. Außerdem sind diese Dinge dort extrem spärlich zu bekommen. In vielen Gebieten in diesem Bundesstaat haben die „guarimbas“ (Straßenblockaden, die von Anhängern der Rechten organisiert werden) den öffentlichen Verkehr und das tägliche Leben zum Erliegen gebracht. Angaben von AktivistInnen zufolge sind die Straßen dort nach 17 Uhr menschenleer und die meisten Leute haben zu große Angst, noch das Haus zu verlassen.

Diese Situation unterscheidet sich kaum von der Lage in Merida. Dort ist es nach dem Tod von Giselle Rubilar, einer chilenischen Studentin, vor kurzem zu einer neuen Welle der Gewalt gekommen. Rubilar wurde erschossen, als sie und andere EinwohnerInnen dort versuchten eine Straße frei zu machen, die von rechtsgerichteten Studenten blockiert worden war. Im Bundesstaat Carabobo sind am 12. März drei Menschen bei Studentenprotesten e erschossen worden. In Caracas sind vor kurzem zwei Personen durch Kugeln eines Scharfschützen tödlich verletzt worden. Dies geschah während einer Auseinandersetzung zwischen einem Kollektiv der Motor-Taxi-FahrerInnen und Anhängern der politischen Rechten in einem Mittelschichten-Wohngebiet. Diese Schießereien unterscheiden sich nicht von jenen, die im Vorfeld des Putsches von 2002 stattgefunden haben. Abgesehen von der abscheulichen Tatsache, dass dabei willkürlich Einzelpersonen zu Opfern werden, zielen diese Attentate darauf ab, ein Atmosphäre der Destabilisierung und des Terrors im Land zu verbreiten.

Die RevolutionärInnen in Venezuela sind sich der Gefahr einer weiteren Eskalation der Lage und zunehmender Gewalt ebenso bewusst, wie des Drucks, der mit Unterstützung des US-Imperialismus von der politischen Rechten aufgebaut wird, um die Regierung Maduro und den „Chavismus“ zu Fall zu bringen. Auch wenn es derzeit höchst unwahrscheinlich ist, dass es wie im Falle des Putsches von 2002 zum „Sturz“ kommt, der von einem Flügel des Militärs unterstützt wurde, so konnte es in abgewandelter Form doch zu einer ähnlichen Entwicklung kommen. Angesichts der derzeitigen Gewaltspirale und der anhaltenden Wirtschaftskrise, die mit bewusst geplanter Sabotage durch Teile der extremen Rechten einhergeht, sowie der stärkeren Möglichkeiten der moderateren Rechten, Teile der Arbeiterklasse und verarmten Schichten auf ihre Seite zu ziehen, könnte es unter anderem zu einer Übereinkunft kommen, die am Ende zu einer „Übergangsphase“ und zur Ausrufung von Neuwahlen führt.

Die bisher von der Regierung ergriffenen Maßnahmen haben wenig dazu beigetragen, eine solche Entwicklung zu verhindern. Immer wieder hat die Regierung zum Frieden, zur Versöhnung und zu Verhandlungen aufgerufen sowie zur Mobilisierung der Arbeiterklasse und verarmten Schichten, um die Rechte in die Schranken zu weisen. In den letzten Wochen hat die Regierung Maduro zwar korrekter Weise die imperialistischen „Vermittlungsangebote“ kritisiert und abgelehnt und gerade erst die skandalösen und heuchlerischen Angriffe der Regierung Obama zurückgewiesen. Gleichzeitig hat die Regierung Maduro im Widerspruch dazu aber wiederholt die führenden Köpfe der Rechten aufgefordert, zu Gesprächen in den Präsidentenpalast Miraflores zu kommen. Maduro ging sogar so weit zu sagen, dass er die rechten Studentenführer umarmen und mit einem Bruderkuss in Empfang nehmen würde! Er hat auch wiederholt geäußert, dass diese „christlich-humanistische Revolution“ nicht besiegt werden wird.

Eine solche „Übergangsphase“ wäre eine Niederlage für die revolutionäre Linke und die Arbeiterklasse sowie die verarmten Schichten – in Venezuela wie weltweit. Während der CPR die Errungenschaften der letzten 15 Jahre und das Erbe von Chavez verteidigt, waren sich diejenigen, die an der Gründungsversammlung des CPR teilgenommen haben, darin einig, dass wesentlich mehr getan werden muss als zu Friedensgesprächen und Versöhnung aufzurufen, wenn die Rechte bezwungen werden soll, und dass es eine dringliche Aufgabe ist, Organisationsstrukturen und den revolutionären Sozialismus aufzubauen.

Die Organisationen und Einzelpersonen, die sich am CPR beteiligen, sind nicht die einzigen, die es im Land gibt und die die Notwendigkeit sehen, aktiv zu werden. Nun müssen Schritte eingeleitet werden, um diese Kräfte miteinander zu vereinen. Die ersten Maßnahmen in dieser Richtung sind bereits ergriffen worden. Wir von „Socialismo Revolucionario“, der SAV-Schwesterorganisation und CWI-Sektion in Venezuela, rufen alle revolutionären und linken Parteien sowie gewählte VertreterInnen aus der Linken und GewerkschafterInnen weltweit dazu auf, umgehend Solidaritätsschreiben zu schicken, um den CPR und den Kampf gegen die neue rechte Offensive zu unterstützen. Entsprechende Schreiben können auf spanisch oder englisch geschickt werden an: socialismo.rev.venezuela@gmail.com.

Internationale UnterstützerInnen der Initiative müssen auch darauf hingewiesen werden, dass die Obama-Administration gerade erst wieder mit „Sanktionen“ gedroht hat und dass es möglicherweise nötig werden kann, gegen die imperialistischen Angriffe rasch mit Mahnwachen vor Botschaften zu reagieren. Die Errungenschaften des Bolivarianischen Prozesses müssen verteidigt werden und die revolutionären Bewegungen im Land, die für Sozialismus kämpfen, brauchen Unterstützung.

Die erste Konferenz des CPR hat folgende Erklärung und Maßnahmen beschlossen:

1) Wir sind der Ansicht, dass die jüngsten Ereignisse darauf abzielen, in Venezuela die Bedingungen für einen Konflikt schaffen und den venezolanischen Staat, seine bewaffneten Kräfte und die Integrität der Nation dabei aufs Spiel zu setzen.

2) Angefangen hat dieser Konflikt mit dem Einmarsch paramilitärischer Einheiten aus Kolumbien, die von der Regierung Obama und dem reaktionären kolumbianischen Ex-Präsidenten Uribe unterstützt werden, und die mit dem reaktionären rechten Flügel der „Mesa de Unidad“ (Venezuela) – namentlich der „Primera Justicia“ und den Parteien der „Voluntad Popular“ – zusammenarbeiten, die momentan gemeinsam den Bundesstaat Táchira kontrollieren. Diese Kräfte versuchen jetzt, in die Bundesstaaten Merida und Zulia einzudringen und planen, weiter nach Osten vorzudringen, weil es ihr erklärtes Ziel ist, die Kontrolle über Caracas zu bekommen. Dabei soll Chaos gestiftet werden, Straßenblockaden sollen die Lebensmitteknappheit verschärfen und zu Rationierungen weiterer Güter führen. Solche Aktionen zielen darauf ab, eine Atmosphäre zu schaffen, die zum Sturz oder zum Übergang weg von der Regierung Maduro und vom Chavismus führt, was unter derartigen Umständen zu Bedingungen zu einem Bürgerkrieg führen kann.

3) Angesichts dieser bestehenden Gefahr müssen wir alle Volksbewegungen, fortschrittlichen, patriotischen und revolutionären Kräfte unter der Maßgabe miteinander vereinen, unsere national-territoriale Integrität durch „Allgemeine Komitees zur Volksverteidigung“ in jedem Bundesstaat, jeder Gemeinde und Region, jedem Barrio, jeder Siedlung, jedem Industriezentrum, jeder medizinischen Einrichtung, Lebensmittelverkaufsstelle, in der Produktion und Bildung wiederherzustellen.

4) Wir rufen alle progressiven und revolutionären Schichten dazu auf, Versammlungen abzuhalten und „Volksräte“ zu organisieren, um die „Verteidigungskomitees“ aufzubauen, die wiederum zwei Aktionsziele verfolgen sollten: Kontrolle der BürgerInnen über die Lebensmittelproduktion und -verteilung, Kontrolle über die öffentlichen Dienstleistungen – darunter Gesundheit, Transport und Verkehr, Gas-, Wasser- und Stromversorgung sowie Bildung.

5) Wir schlagen vor, dass es zum Dialog mit allen Bereichen kommt, auch mit den Mittelschichten, die nicht dafür sind, die Souveränität Venezuelas an imperialistische und Uribe-treue Kräfte und eine rechtsgerichtete Bundesregierung, die von den genannten Elementen unterstützt werden würde, zu übergeben.

6) Wir rufen zu bundesweiten revolutionären Massenaktionen auf, um die Bundesstaaten Merida, Zulia und Táchira von der Kontrolle der rechten Paramilitärs zu befreien. Dies muss geschehen, indem Verteidigungskomitees aufgebaut werden. Als erster Schritt müssen angefangen mit dem 13. April Protestaktionen und -märsche in jeder größeren Stadt organisiert werden. Diese müssen dann am 19. April in San Cristobal, der Hauptstadt von Táchira, in eine Volksversammlung münden.