Wirtschaft: Erholung oder neues Stadium der Krise?

Foto: http://www.flickr.com/photos/pressreleasefinder/ CC BY-NC-ND 2.0
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Wie sich die Wirtschaft in Deutschland und weltweit entwickelt

Im August wurde das Ende der Rezession in der Euro-Zone verkündet. Deutschland gehörte zu den „Zugpferden“ des Wachstums. Zugleich gab es finanzielle Erschütterungen und eine Wachstumsverlangsamung in den „Schwellenländern“, in denen es in den letzten Jahren höhere Wachstumsraten gab. Wie passt das zusammen?

von Wolfram Klein, Plochingen bei Stuttgart

Weltweit reagierten Regierungen auf die Finanz- und Wirtschaftskrise 2007-09, indem sie Konjunkturprogramme auflegten und trudelnde Banken retteten. Notenbanken senkten die Zinsen und erhöhten die Geldmenge. Die staatliche Wirtschaftsankurbelung wurde in den meisten Ländern wegen drastisch steigender Staatsverschuldung wieder eingestellt. Besonders Länder Südeuropas ersetzten sie durch brutale Kürzungspolitik, die zur bis heute andauernden Wirtschaftsdepression beitrug. In Griechenland war das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal 2013 4,6 Prozent kleiner als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, auf Zypern 5,2 Prozent, in Italien und Portugal je zwei Prozent und in Spanien um 1,7 Prozent.

Zugleich setzten die Europäische Zentralbank, die US-Notenbank Fed und andere Notenbanken die Politik des billigen Geldes fort. Die kurzfristigen Zinsen blieben auf Rekordtief. Durch den Aufkauf von Wertpapieren (zum Beispiel durch die Fed im Wert von 85 Milliarden Dollar pro Monat) wurde die Geldmenge erhöht und die langfristigen Zinsen niedrig gehalten (die Nachfrage der Notenbanken treibt die Kurse und bei festverzinslichen Wertpapieren bedeuten hohe Kurse automatisch niedrige Zinsen). Aber wenn Geschäftsbanken Geld billig leihen können, heißt das nicht, dass sie es auch billig weiter verleihen. Und wenn Unternehmen Geld leihen, heißt das nicht, dass sie es investieren und nicht damit spekulieren. Im Kapitalismus geht es um maximale Profite und nicht um die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse.

Die Folge war die Entstehung neuer Spekulationsblasen, während die Wirtschaft in Mitteleuropa und den USA eher zögerlich wuchs. Zugleich legten viele Spekulanten das Geld in sogenannten Schwellenländern an, wo deutlich höhere Zinsen locken.

Krise erreicht „Schwellenländer“

Insbesondere China war über mehrere Jahre ein Wachstumsmotor der Weltwirtschaft und zog verschiedene Länder mit sich: Länder wie Brasilien oder Australien als Rohstofflieferanten, Länder wie die BRD als Lieferanten für Industrieprodukte (und bot so einen Ausgleich für schrumpfende Märkte in Südeuropa). Seit einigen Monaten bremst der chinesische Staat die Kreditvergabe. Das Wachstum in China geht zurück, was sich auf die chinesische Nachfrage nach brasilianischen Rohstoffen und deutschen Autos auswirkt.

Dazu kam, dass Fed-Chef Ben Bernanke am 22. Mai von einem möglichen Herunterfahren des Wertpapier-Aufkaufprogramms sprach. Das führte zu kurzfristigen Turbulenzen an den weltweiten Finanzmärkten und zugleich zu einem langfristigen Kapitalabfluss aus diversen Schwellenländern (zum Beispiel Indien, Indonesien, Malaysia, Thailand, Philippinen, Türkei, Südafrika, Brasilien): Wenn die Zinsen in den USA steigen, verringert sich der Zinsvorteil dieser Länder. Besonders heikel wird das durch den Wertverlust der Landeswährung gegenüber Dollar (beziehungsweise Euro): Wenn es Schulden in Dollar (oder Euro) sind, bedeutet eine Abwertung, dass die Schulden in der Landeswährung plötzlich viel höher und schwerer zurückzuzahlen sind. Wenn es Schulden in der Landeswährung sind, verliert der Investor plötzlich Geld. Geld wird in Panik abgezogen, dadurch verliert die Währung noch mehr an Wert. Ein Teufelskreis entsteht. Solche Mechanismen hatten bei der Krise in Südostasien 1997/98 verheerende Folgen. Jetzt könnte es zu einer Wiederholung in ganz Südasien (einschließlich Indien) kommen.

Deutschland zwischen niedrigen Zinsen und Exportproblemen

Die bisherigen niedrigen Zinsen hatten in Ländern wie Deutschland eine gewisse positive Wirkung auf die Konjunktur. Sie animierten unter anderem zu größeren Anschaffungen durch KonsumentInnen. Wenn im zweiten Quartal die Bauinvestitionen um 2,6 Prozent über dem ersten Quartal lagen, dann dürfte das (neben dem langen Winter im ersten Quartal) eine Rolle gespielt haben. Aber in einem so exportabhängigen Land wie Deutschland drückt ein Wirtschaftsrückgang in diversen „Schwellenländern“ aufs Wachstum. Man kann nicht vorhersehen, ob die nächsten Monate langsames Wachstum, Stagnation oder eine schrumpfende Wirtschaft bringen werden – aber bei einer Weltwirtschaft, bei der auch mickriges Wachstum nur Nebenprodukt von Spekulationsblasen ist, kann das Platzen dieser Blasen auch früher oder später zu einer neuen tiefen Krise führen.