Hellersdorf: Gegen Nazi-Hetze

Foto: http://www.flickr.com/photos/rassloff/ CC BY 2.0
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Zum Konflikt um das Flüchtlingsheim in Berlin-Hellersdorf

Dieser Artikel ist die Langfassung eines bereits in der Zeitung Solidarität und auf dieser Webseite veröffentlichten Artikels.

Am Montag, den 18. August zogen die ersten der 200 Flüchtlinge in die Notunterkunft in der Carola-Neher-Straße in Berlin-Hellersdorf ein. Sie kommen vor allem aus Krisengebieten wie Syrien und Afghanistan. Im Vorfeld hatte sich bereits eine Bürgerinitiative gegründet, welche sich gegen das Heim aussprach. Diese Bürgerinitiative unterhält enge Kontakte zur NPD und wurde von NPD-Mitgliedern mitinitiiert.

von Tom Hoffmann, Berlin

Bei einer Bürgerversammlung am 9. Juli hatten NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke und Co. zum ersten Mal die Stimmung mit rassistischen Vorurteilen angeheizt. Am Ankunftstag standen sich dann Gegner und Befürworter des Heimes auf der Straße vor dem Heim gegenüber. Es herrschte eine angespannte, gereizte Stimmung. Die Flüchtlinge, welche gar nicht wussten, wer für und wer gegen sie war, mussten das Heim durch den Hintereingang betreten. Auf der Straße vor dem Heim zeigte ein Anwohner den Hitler-Gruß. Die Stimmungsmache gegen das Heim ging danach weiter. Bei der NPD-Kundgebung vom 20. August trafen jedoch rund 20 Nazis auf den Widerstand von circa 600 (vor allem jungen) AntifaschistInnen und AnwohnerInnen.

„NPD-Flaggschiff versenken“

Am Samstag, den 24. August sollte bei einer weiteren rechtsextremen Mobilisierung auch das sogenannte „NPD-Flaggschiff“ dabei sein, ein umgebauter LKW mit Soundanlage. Letztlich fanden sich 100 NPDler, unter anderem auch Strippenzieher wie der Berliner NPD-Chef Sebastian Schmidtke und seine Freundin Maria Fank vom RNF (Ring Nationaler Frauen) als auch rechtsextreme „Größen“ wie Udo Voigt zur Kundgebung ein. „Wir werden uns hier noch öfter sehen“, kündigte Schmidtke drohend zum Ende seiner Rede an.

Doch natürlich konnten die Nazis nicht einfach so durch Hellersdorf spazieren und dort ihre rassistischen Parolen skandieren (die wieder einmal kaum zu ertragen waren – „Maria statt Scharia“ war da nur der Anfang). Gut 800 AntifaschistInnen fanden sich unter dem Motto „NPD-Flaggschiff versenken“ am Alice-Salomon-Platz ein. Dazu hatte ein breites Bündnis aufgerufen, unter anderem DIE LINKE, SPD und Grüne.

Gegen 16 Uhr fand man ein buntes Durcheinander auf dem Platz vor. Das sollte sich jedoch schlagartig ändern, als gut 70 Nazis samt „Flaggschiff“, eskortiert von der Polizei, eintrafen. Sofort fand man sich an den Barrieren ein und bereitete der NPD den Empfang, der ihr gebührte. Mit Trillerpfeifen, Sprechchören und einem Lauti konnten wir die Nazis trotz ihrer Anlage bei ihrer Kundgebung stören. Leider gab es bei der Gegenkundgebung keine Redebeiträge. Man hätte so die NPD entlarven und auch sicher besser zu den AnwohnerInnen durchdringen können – wenn erklärt worden wäre, dass die Fluchtursachen bekämpft werden müssen, die AsylbewerberInnen (im Gegensatz zu vielen deutschen Unternehmern) nicht für die Streichung von Arbeitsplätzen verantwortlich sind und bei einem gemeinsamen Kampf von deutschen und nichtdeutschen Beschäftigten und Erwerbslosen am Wirksamsten gegen „die da oben“ vorgegangen werden kann.

Sicherlich als positiv zu bewerten ist, dass DIE LINKE diesmal auch sichtbar am Protest teilgenommen hat – im Gegensatz zum Dienstag zuvor. Darunter war auch Petra Pau, die hier – in ihrem Wahlkreis – zu den Mitinitiatoren der Demo gehörte. Ebenso war die Linksjugend [’solid] vor Ort und verteilte Material an AnwohnerInnen und Jugendliche.

Mahnwache gegen Rechts

Die Situation rund ums Flüchtlingsheim bleibt weiterhin angespannt. Am Heim ist nach wie vor eine Mahnwache von linken AktivistInnen installiert, welche das Heim vor möglichen Angriffen schützt und AnwohnerInnen über Asylpolitik et cetera aufklärt. Ich übernahm am Dienstag ebenfalls eine Schicht an der Mahnwache und konnte mir ein genaueres Bild von der Arbeit der AntifaschistInnen vor Ort machen. Es liegen dort Flugblätter aus; AnwohnerInnen kommen vorbei und wechseln auch ein paar Worte mit der Mahnwache. Die Meinungen und Aussagen der AnwohnerInnen reichen von Solidarität mit den Flüchtlingen bis zur Ablehnung des Heims und rassistischen Ressentiments.

„Die AnwohnerInnen“ gibt es also nicht; die Leute in Hellersdorf sind keine homogene Masse. Es ist sicher so, dass es Rassisten in Hellersdorf gibt, aber es ist auch falsch, alle, die Vorbehalte gegen das Heim haben, in eine Schublade zu stecken. Es ist wichtig zu betonen, dass nicht die Flüchtlinge daran schuld sind, dass in Hellersdorf Spielplätze verfallen und die Sozialleistungen gestrichen werden. Es ändert sich nichts dadurch, auf die einzutreten, die noch weniger haben. Es gilt, den gemeinsamen Kampf gegen Sozialkürzungen hervorzuheben. Die Mahnwache kann durch Aufklärung und Gespräche dadurch einen Anfang machen. Sie kann allerdings auch nur eine vorübergehende Lösung sein.

Zum Ende meiner Schicht bei der Mahnwache wurde die Situation angespannter. Während der Mahnwache hörten wir von einem Nazi bereits, dass wir besser auf uns aufpassen sollten. Zwei von uns, die kurz wegwaren, kamen wieder und berichteten, sie würden von einem Nazi verfolgt. Danach stellten wir fest, dass mindestens drei Nazis von verschiedenen Orten aus uns beobachteten. Übrigens hatte die Polizei schon sehr früh ihre Präsenz weitgehend eingestellt.

Die Gegner des Heims, seien es nun Nazis von der NPD oder AnwohnerInnen, werden in nächster Zeit sicher nicht Ruhe geben. Schon jetzt gibt es wieder völlig unhaltbare Gerüchte der Bürgerinitiative, welche allen Ernstes behauptet, aus der dritten Etage des Heims seien Eier und Kartoffeln auf RentnerInnen geflogen. Zum einen ist die dritte Etage des Heims noch nicht einmal bezogen. Zum anderen haben die Flüchtlinge sicherlich nicht so viele Lebensmittel, um diese dann noch auf AnwohnerInnen zu werfen. Gegen diese gezielt gesetzten Lügen müssen linke AktivistInnen und AntifaschistInnen weiterhin vorgehen. Und dafür eintreten, dass die Flüchtlinge nicht in solchen Sammelunterkünften zusammengepfercht, sondern in ordentlichen Wohnungen untergebracht werden. Falls es nötig ist, müssen wir auch wieder nach Hellersdorf und uns den Nazis in größerer Zahl entgegenstellen.