Die Krise der Weltwirtschaft und ihre Folgen (2. Teil)

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US-Zwangsvollstreckungen

Die tiefen sozialen Umwälzungen, die hinter den Zwangsvollstreckungen bei Immobilien stehen, was die Amerikaner „foreclosures“ nennen, werden das Bewusstsein weiter Schichten der Bevölkerung, besonders der Mittel- und Arbeiterklasse, entscheidend prägen.Zusammen mit dem brutalen Gesundheitssystem in den USA, das auf privaten Finanzen und Versicherungen basiert, verschlimmert eine plötzliche Krankheit die Kosten eines Hausverlustes für einige ArbeiterInnen. Das bereitet den Boden für massive soziale Erschütterungen in den USA. Die bürgerliche Presse spricht bereits über das Entstehen von „Bushvilles“ in den USA – ein Echo der „Hoovervilles“ in den 30er Jahren, benannt nach dem US- Präsidenten Herbert Hoover ,und Vorläufer der heutigen Slums.

Ein Indiz dafür, was der amerikanischen Arbeiterklasse bevorsteht, ist die Erklärung von General Motors, 70 Prozent seiner Belegschaft zu entlassen, sogar nachdem die Gewerkschaftsführer einen faulen Kompromiss akzeptiert hatten, der angeblich Entlassungen vermeiden sollte. Zudem werden mit der steigenden Arbeitslosigkeit starke protektionistische Tendenzen, die bereits durch die Unmutsäußerungen des Kongresses widergespiegelt werden, unter dem Druck der Gewerkschaften für eine Einschränkung der Importe wachsen. Wie einer der bürgerlichen Kommentatoren ausführte: „Wenn die Arbeitslosigkeit, die in den letzten paar Monaten von 5 Prozent auf 6 Prozent gestiegen ist, auf 10 Prozent steigt, ist alles möglich.“

Darüber hinaus hat der Zusammenbruch des Dollar nicht zu einem großen Exportbonus für die USA geführt. Wie Großbritannien, wurde die US-Wirtschaft durch die Deindustrialisierung und Verlagerungen von Fabriken und Produktion nach Übersee ausgehöhlt, was nun in Europa als „Karawanen-Kapitalismus“ bezeichnet wird. Das heißt, die US-Wirtschaft hat nicht länger dieselbe industrielle Grundlage und ökonomische Stärke, um ihren vollen Nutzen aus dem schwachen Dollar zu ziehen. Gleichzeitig haben Euro und Yen gnadenlos zugelegt. Das wird der Eurozone weitere ökonomische Probleme bereiten. Bis jetzt ist sie noch nicht schwer getroffen worden, obwohl die -Krise gewisse Auswirkungen hatte. Aber ein Abschwung zeichnet sich ab, vielleicht dieses Jahr. Einige Länder könnten durch die Zwangsjacke des Euro aus unterschiedlichen Gründen so sehr eingeengt werden, dass sie ihn ablegen oder andere aus ihm hinaus drängen. Ein stärkerer Euro wird die deutschen Exporterlöse ruinieren, die der Rettungsanker der Wirtschaft sind.

Es gibt bereits eine politische und soziale Polarisierung in den USA, die sich in wachsender Wahlbeteiligung und Interesse an den Vorwahlen – besonders der Demokraten – widerspiegelt, und auch in dem enormen Interesse für Obama seitens derer, die niemals zuvor gewählt haben – Frauen, schwarze ArbeiterInnen, usw. Wahrscheinlich werden entweder Obama oder Clinton McCain besiegen. Während der Irak im Bewusstsein des amerikanischen Volkes nicht verblasst ist, rücken Wirtschaftsfragen klar in den Vordergrund. Selbst diejenigen, die von der Krise nicht betroffen sind, werden sich unsicher fühlen und die Bush-Regierung und ihre Partei für die Notlage verantwortlich machen.

In einer rationalen Welt würde man diese Wahlen verlieren wollen. Man braucht sich nur Spanien anzuschauen: Zapatero, der Kandidat der sozialistischen Partei (PSOE), siegte sehr knapp über die rechte Volkspartei (PP). Kaum war der Jubel verklungen, schoss sich die spanische Presse auf den drohenden wirtschaftlichen Zusammenbruch ein. Innere, ökonomische und internationale Faktoren könnten einer Obama- oder Clinton-Präsidentschaft sehr schnell den Glanz nehmen. Deshalb bekämpft das CWI in den USA weiterhin entschieden die Idee des “kleineren Übels”. Dieses Jahr reicht das in den USA jedoch nicht aus. Wir müssen klar die unabhängige Kandidatur von Ralph Nader auf einer gemeinsamen Liste mit anderen wie Gonzalez unterstützen. In der Vergangenheit blieben die USA hinter denjenigen Ländern zurück, in denen ein Klassenbewusstsein in den Vordergrund gerückt war. Nun gibt es eine ausgesprochen klare Stimmung gegen Konzerne und Reiche, die ein wichtiger Faktor beim Obama-Phänomen ist.

Der Israel-Palästina- Konflikt

Selbst wenn Obama Präsident werden sollte, oder auch Clinton, blieben die fundamentalen Widersprüche im Herzen des US-Imperialismus bestehen. Auf einer bürgerlichen Basis ist zum Beispiel die Situation im Nahen Osten, besonders der Israel-Palästina-Konflikt, unlösbar. Die letzte Runde des gegenseitigen Raketenbeschusses über die Grenze zwischen Gaza und Israel, der Bombardierung Gazas und der Reaktion der palästinensischen Massen darauf, nicht nur in Gaza sondern auch in der Westbank, heben dies deutlich hervor. Gaza ist nun das größte Freiluftgefängnis der Welt. Im Vergleich mit Israel ist die Not der palästinensischen Massen derer in der Dritten und Vierten Welt sehr ähnlich. Das Durchschnittseinkommen der PalästinenserInnen beträgt 800 Dollar im Jahr und das der Israelis 24.100 Dollar.

Die explosiven Spannungen in Gaza resultierten auf der einen Seite im Ausbruch der Bevölkerung nach Ägypten und auf der anderen Seite in den Anschlägen in Jerusalem durch einen israelischen Araber. Vor diesem Ereignis war die Wut der palästinensischen Massen am Siedepunkt, was zu gemeinsamen Demonstrationen der Anhänger von Fatah und Hamas auf der Westbank führte, die eine gemeinsame Front gegen Israel forderten. Diese Wut gegen die Unterdrückung durch den israelischen Staat hat möglicherweise zu einem Rückschlag des Zuspruchs für eine „Zwei-Staaten-Lösung” geführt, zumindest auf Seiten der PalästinenserInnen. Daraus folgte wiederum eine Rückkehr der Idee einer „Südafrika-Option“. Das palästinensische Bevölkerungswachstum geht weit über das der Israelis hinaus – wenn die West Bank und Gaza mit Israel selbst zusammengerechnet werden. Darum ist die Option „eine Person, eine Stimme“, wie sie nach der Befreiung Mandelas in den Neunziger Jahren in Südafrika angewandt wurde, auf dem Tisch, obwohl sie hauptsächlich von bürgerlichen und kleinbürgerlichen Kräften unterstützt wird. Selbst Olmert, der israelische Premierminister, nutzte sie, um die israelische Bevölkerung zu erschrecken und dazu zu bringen, Zugeständnisse an die palästinensische Bevölkerung zu machen, inklusive territoriale Zugeständnisse auf der West Bank. Dies sei, meinte er – in Verbindung mit einer Art „Zwei-Staaten-Lösung” – der einzige Weg, die „Südafrika-Option“ abzuwenden.

In Wahrheit jedoch gibt es keine wirkliche Perspektive für die israelische herrschende Klasse, den PalästinenserInnen eine Stimme pro Person einzuräumen, da dies faktisch zur Demontage des jüdischen Staates führen würde. Auf der anderen Seite wird die palästinensische Bevölkerung die gegenwärtige Situation niemals akzeptieren. Nur die Arbeiterklasse in der Region – und besonders deren wichtigste Teile in Ägypten und Israel – ist in der Lage, einen Weg aus dieser Sackgasse zu weisen. Ohne dies wird die tödliche Spirale von Gewalt und Gegengewalt, die die Region in der Vergangenheit geprägt hat, andauern und sich verschlimmern. Die ägyptischen ArbeiterInnen brachten mit ihrer letzten Streikwelle mehr Schrecken über die herrschenden Klassen von Ägypten und in der Region als die Islamisten, einschließlich der Hauptoppositionskraft in Ägypten, der Muslimbruderschaft.

Rohstoffmarkt

Während die Wirtschaftskrise die entwickelten Industrieländer schwer erfassen wird, bedeutet sie eine Katastrophe für die neo-koloniale Welt Afrikas, Asiens und Lateinamerikas. Der Rohstoffboom, der Hand in Hand mit dem weltweiten Aufschwung ging, nutzte einigen dieser Länder – im Endeffekt ihren Eliten – in der neo-kolonialen Welt. Aber die Lebensbedingungen der armen Massen blieben weitestgehend unangetastet. Eine neue Krise wird aber sofort Millionen in Hunger stürzen. Das enorme Ansteigen der Lebensmittelpreise, von Getreide und Reis zum Beispiel, hat bereits Demonstrationen und Aufstände von Mexiko bis Afrika ausgelöst. Während die Preise einiger Nahrungsmittel als Folge der Krise fallen werden, könnten andere, wie Fleisch, aufgrund der verstärkten Nutzung großer Mengen fruchtbaren Landes zur Produktion von Biotreibstoffen, ansteigen.

Afrika, wo Millionen um eine prekäre Existenz kämpfen, wird wahrscheinlich der Kontinent sein, den es am heftigsten trifft. Eine Zeit wachsenden sozialen Aufruhrs eröffnet sich hier, in Kräfte des Marxismus, vor allem etablierte und bekannte Organisationen, wie in Nigeria und Südafrika, Erfolge verzeichnen können.

Asien sollte angeblich immun gegen eine derartige Krise sein, wie sie die Weltwirtschaft jetzt erfasst hat – anders als 1997, als der IWF eine Reihe von Volkswirtschaften frei kaufen musste und als sich soziale Bewegungen in der Region entwickelten, die bemerkenswertesten in Indonesien. Zu der Zeit führte Mahathir Mohammed in Malaysia protektionistische Maßnahmen durch. Sogar bevor die Auswirkungen einer Weltrezession dieses Land voll erfassen, hat Malaysia in den letzten Wahlen ein politisches Erdbeben erfahren. Die schweren Abstürze an den asiatischen Börsen sind ein Vorläufer schwerer wirtschaftlicher und politischer Krisen auf diesem Kontinent, nicht nur in China und Indien.

Lateinamerikanische Revolte

Lateinamerika ist das Herz der weltweiten Revolte gegen den Neoliberalismus. Bis jetzt hat sich das Interesse im Wesentlichen auf den „Bogen der Instabilität“ in der Andenregion konzentriert, besonders auf Venezuela, Bolivien und Ecuador. Venezuela hat nach der Niederlage für Chávez im Dezember 2007 bei dem Referendum für eine neue Verfassung, der ersten seiner neunjährigen Herrschaft, eine kritische Phase erreicht. Es ist nun klar, dass das Verzögern des revolutionären Prozesses und die Konsequenzen daraus für Lebensstandard, Rechte und Lebensbedingungen der Massen, die wesentlichen Faktoren waren, die große Teile ehemaliger UnterstützerInnen von Chávez dazu bewegten, dem Referendum fernzubleiben.

Eine halbe oder Drittel- Revolution beunruhigt die herrschende Klasse, während sie die Forderungen der arbeitenden Massen nicht befriedigt. GenossInnen, die vor kurzem Venezuela besuchten, sowie unsere GenossInnen in dem Land selbst, berichten, dass selbst die Errungenschaften der Vergangenheit, wie im Gesundheitswesen und bei wachsendem Lebensmittelkonsum, nun untergraben werden. Wie wir vorausgesagt haben, erlaubte die Entscheidung, dem oppositionellen Sender RCTV eine Lizenz vorzuenthalten, der Reaktion, eine Schicht der Mittelklasse, vor allem StudentInnen, gegen Chávez“ angebliche „Bedrohung für die Demokratie“ zu mobilisieren. Für die arbeitenden Massen jedoch war die enorm gewachsene Bürde, die sie aufgrund der Lebensmittelknappheiten, der Preissteigerungen, usw. zu tragen gezwungen sind, sehr viel wichtiger.

Hinzu kommt noch die Ermordung der FARC – Führer in Ecuador. Infolgedessen sandte Chávez venezolanische Truppen an die kolumbianische Grenze und die Kriegsgefahr stand im Raum. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass es so weit kommt; die militärische Stärke Kolumbiens ist momentan viel größer als die Venezuelas. Regierungen unter Druck, die mit Problemen „zu Hause“ konfrontiert sind – und Chávez gehört dazu –, greifen darauf zurück, die „Nation“ gegen die Bedrohung einer Intervention von außen und auf den Krieg einzuschwören. Uribe hat behauptet, die bei dem Angriff und der Bombardierung der FARC-Basis beschlagnahmten Laptops zeigten, dass Chávez mit der FARC-Führung Hand in Hand gearbeitet habe. Kolumbien ist ein Außenposten des US-Imperialismus. Die USA ließen Kolumbien mehr Hilfe für den Aufbau von Armee und Polizei zukommen, als dem Rest Lateinamerikas und der Karibik zusammen. Dem „Plan Colombia” – obwohl er zuerst vom Clinton–Regime formuliert worden war – geht es nicht darum, den „Drogen-Terrorismus” zu zerstören, sondern eine beginnende Revolte der kolumbianischen Massen gegen das derzeit repressivste Regime Lateinamerikas zu eliminieren. Kolumbien wird als das „Israel” Lateinamerikas angesehen, die Reißzähne des US-Imperialismus senken sich tief in den Nacken jedes Regimes, das seine Interessen bedroht.

Venezuela stellt klar eine Bedrohung für die USA und ihre Verbündeten in Lateinamerika dar. Es übt eine gewisse machtvolle Attraktivität auf die von der Politik des Neoliberalismus niedergeworfenen Massen aus, besonders in der neokolonialen Welt. International bestehen Illusionen in das Chávez-Regime, aber vielleicht nicht so viele wie in Kuba. Letztlich hat die kubanische Revolution eine Planwirtschaft aufgebaut, in der es anfänglich Elementen von Arbeiterkontrolle gab. Die gibt es in Venezuela nicht und hat es dort nie gegeben, was selbst Venezuelas angebliche „Freunde” jetzt eingestehen.

Kuba und Venezuela

Es besteht gleichzeitig reges Interesse an Kuba im Vorfeld des Rücktritts von Fidel Castro als Präsident. Es wird als letztes Überbleibsel des „Sozialismus“ angesehen. Der Film „Sicko“ von Michael Moore hebt in sehr anschaulicher Art und Weise die Vorteile der Planung der Ressourcen der Gesellschaft hervor – besonders im Gesundheitswesen – die es sogar in einer nach wie vor „belagerten Festung” wie Kuba gibt. Wie wir in unserem Material herausstellen, wird Kuba ohne Arbeiterdemokratie untergehen; die ersten Anfänge einer Rückkehr zum Kapitalismus werden nach den nächsten US-Präsidentschaftswahlen gemacht. Ob Obama oder Clinton gewählt werden macht keinen fundamentalen Unterschied. Der Druck des Kongresses auf den nächsten Präsidenten wird dazu führen, dass das Embargo entweder aufgehoben oder bedeutend abgeschwächt wird, so dass den Amerikanern mehr Tourismus in Kuba und große Handelsoperationen für die US-Monopole ermöglicht werden, die danach hungern, Kubas Märkte und Ressourcen auszubeuten. Die Exilkubaner, die sich in Miami konzentrieren, werden keinen ausreichenden Einfluss haben, um diesen Prozess hinauszuzögern. Zwei Drittel der lateinamerikanischen Bevölkerung in Florida sind nicht-kubanisch. Die weiteren Interessen des US-Imperialismus verlangen nun eine Aufhebung des Embargos und einen „friedlichen“ Prozess von Schritten Richtung kapitalistischer Restauration.

Kuba ist am Scheideweg und wir müssen in diesem Prozess intervenieren, selbst in einem Block mit den kubanischen Kräften (der Bürokratie; A.d.Ü.), die die Elemente der Planwirtschaft erhalten und ausbauen wollen. Aber wir werden immer auf der Basis eines Programms von Arbeiterdemokratie agieren. Erführen sowohl Kuba als auch Venezuela gravierende Rückschläge – der Sturz von Hugo Chávez und die Liquidierung der Elemente von Planwirtschaft in Kuba – wäre dies zweifellos ein Schlag gegen die Ideen von Sozialismus und Opposition gegen den Neoliberalismus in Lateinamerika. Wir können unsere Augen nicht vor den schädlichen Auswirkungen solch einer Entwicklung verschließen.

Aber auf der anderen Seite befinden wir uns nicht in derselben internationalen Lage wie 1989 und nach dem Fall der Berliner Mauer, die zur „Sonderperiode“ Kubas führte, in der es an vielem mangelte und es fast zum Zusammenbruch kam. Wie wir gezeigt haben, ist der Kapitalismus mit seiner ernsthaftesten Krise seit mehr als einem halben Jahrhundert konfrontiert. Die weltweite Revolte gegen den Neoliberalismus wird anhalten, selbst wenn es in den nächsten zwölf Monaten keinen bedeutsamen Zusammenbruch der Produktivkräfte gibt. Die Spannungen zwischen den Klassen haben ein solch unerträgliches Maß erreicht, dass mit unvergleichlicher Sicherheit große Ausbrüche der Arbeiterklasse und der armen Massen selbst ohne eine ernsthafte ökonomische Krise unvermeidbar sind.

Deutsche Streiks

Dies beweist die scharfe Wende in der Situation in Deutschland mit den Streiks im öffentlichen Dienst, die sich in einer Meinungsumfrage einer Unterstützung von 74 Prozent der Gesamtbevölkerung erfreuten – Teil eines „Linkstrends“, der selbst kapitalistischen Beobachtern auffällt. Die Motivation dieser Streiks entstand aus dem nachdrücklichen Klassenhass der Massen auf die Bosse, die Super-Profite anhäufen. Sie fanden statt, bevor die Auswirkungen einer ökonomischen Krise Deutschland wirklich erfasst haben. Da der Boom immer noch anzuhalten scheint, wenn auch vor dem Hintergrund von Entlassungen und Lohnkürzungen in einigen Industrien, herrscht bei den Massen die Ansicht vor: „Wir wollen unseren Anteil“. Ein bedeutender Wirtschaftsabschwung wird demnach eher zu Wut auf Seiten der Massen in Deutschland führen, als zu einer ruhigen Periode. Dies stellt eine Rückkehr zu den stürmischen Zeiten der Vergangenheit dar, mit der eine neue kämpferische Generation junger Menschen und ArbeiterInnen entsteht. Sowohl die fortschreitende Spaltung innerhalb der SPD entlang der Frage der Zusammenarbeit mit der LINKEN als auch der Aufstieg letzterer – sie ist vor kurzem in drei Länderparlamente eingezogen und ist nun insgesamt in 10 Landtagen präsent – ist ein Symptom der veränderten Situation.

Auf der anderen Seite illustrieren die kleineren betrieblichen Kämpfe in Frankreich, auf welche die Arbeiterklasse zurückgegriffen hat, wie explosiv die allgemeine Lage ist – zum Beispiel wurden Bosse in ihren eigenen Büros eingeschlossen. Auf der anderen Seite haben Teile der Arbeitgeber versucht, Streiks zu verhindern, indem sie die Arbeiterklasse mit kräftigen Einmalzahlungen einkaufen. Gegen den „Präsidenten der Klunker“ hat sich eine Art Massenabscheu entwickelt, die Sarkozys Umfragewerte abstürzen ließ, wie die letzten Kommunalwahlergebnisse zeigen. Sarkozys „Mitte-Rechts“-Partei bekam im zweiten Wahlgang nur 47,5 Prozent, während die Sozialistische Partei (PS) 49,5 Prozent erhielt. Zusammen mit der Reihe von Stadtratssitzen, die sie eroberte, bezeichnet dies keinen Zuspruch für die PS sondern einen „Verweis“ für die Regierung. Wahrscheinlich werden betriebliche und soziale Kämpfe in nächster Zeit in Frankreich zunehmen. Weniger als ein Jahr nach den Präsidentschaftswahlen stellen die Kommunalwahlen eine bedeutende Niederlage für Sarkozy und seine UMP dar. Im ersten Wahlgang bekam die LCR 4 Prozent und unsere kleinen Kräfte konnten einen ähnlichen Prozentsatz bei den Kommunalwahlen in Rouen erreichen. Der LCR bieten sich nun große Möglichkeiten, wenn sie die Fehler der Vergangenheit vermeidet und damit die Basis für eine neue einflussreiche Partei der Arbeiterklasse schafft. Ihre führende öffentliche Figur Besancenot ist der fünftbeliebteste Parteienvertreter in Frankreich. Sie ist jedoch unsicher, was für eine Art Partei sie aufbauen oder was für eine Art Aufruf sie machen will.

Auf der anderen Seite hat Spanien, gerade weil es mehr als andere Länder in Europa von den günstigen EU–Geldern und massiven Wohnungsbauprogrammen profitiert hat, in der nächsten Zeit eine „harte Landung” zu erwarten. Ein Hinweis auf das Ausmaß des Bau -Booms des Landes ist, dass in den letzten paar Jahren die Hälfte des Zementverbrauchs für Immobilien in Europa auf das Konto Spaniens ging. Die Immobilienkrise dort ähnelt mit einer bedeutenden Abwertung der Immobilien aufgrund des „Überangebotes“ mehr der in den USA als dies zum Beispiel in Großbritannien derzeit der Fall ist. Zapatero brachte es hauptsächlich dadurch fertig sich zurück an die Macht zu hangeln, weil die Angst der Massen vor der Machtergreifung einer brutalen PP-Regierung zu einer Polarisierung geführt hat. Kleinere Parteien wurden dadurch komplett zerdrückt, inklusive der „Vereinigten Linken“, die Sitze verlor und bei nur zwei Abgeordneten endete.

Irland ist in einer ähnlichen Lage wie Spanien. Seine hohe Wachstumsrate wird dieses Jahr auf 1,6 Prozent zurückfallen. Dies allein ist schon die Formel für ein große soziale Katastrophe und eine günstige Gelegenheit für die Socialist Party in Irland.

Generalstreiks

Belgien, Griechenland, wo es Generalstreiks von zwei Millionen ArbeiterInnen und Demonstrationen von 50.000 in Athen gab, Portugal, wo es große Erschütterungen gab und nicht zuletzt Italien erwarten alle große Erhebungen in der nächsten Zeit.

Die Bürgerlichen in Italien befürchten zurecht, dass eine Berlusconi–Regierung mehr als zuvor der Auslöser dafür wird, die Wut der Arbeiterklasse über die Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen in einer massiven Oppositionsbewegung zum Überkochen zu bringen. Sie haben angesichts des Rechtsrucks der Partito della Rifondazione Comunista (PRC) und vieler der Gewerkschaftsführer keine Mittel, Dampf abzulassen. Die Sorge der Bürgerlichen zeigte sich vor kurzem in einem Kommentar bei einem Meeting in Mailand. Die Financial Times berichtet: „Unternehmer mögen oft nach rechts tendieren, aber sie würden sich mit einer starken linken Regierung begnügen, die fähig ist, Politik zu machen und zu überleben.“ Sie ziehen eine Koalition von Berlusconi und Veltroni im deutschen Stil einer „Großen Koalition“ vor. Sollte die Rechte die Wahl gewinnen, wird ein Regime der „Schocktherapie“ aufgestellt. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass die Massen in Italien der Auffassung sind, ihre Lebensbedingungen seien bereits bedeutend beeinträchtigt worden. Die meisten Familien geben an, in den letzten Jahren erhebliche Kürzungen hingenommen zu haben. Fünf bis sechs Millionen ItalienerInnen sind gezwungen, in zwei Jobs zu arbeiten, um ein Auskommen zu haben. Es gibt eine bedeutende Desillusionierung und siedende Wut unter den Massen, aber keine politischen Kanäle, die das ausdrücken. Die PRC bewegt sich weiterhin nach rechts in ihren letzten Versuchen, einen opportunistischen Block zu formen, der mehr mit einer liberalen kapitalistischen Formation zu tun hat, als mit der Arbeiterpartei, die sie in früheren Zeiten war.

Auf Russland und Osteuropa wird die Weltwirtschaftskrise tief greifende Auswirkungen haben. Das Wachstum Russlands in der letzten Zeit ist zu großen Teilen externen Faktoren zu verdanken, besonders dem Anstieg des Ölpreises. Eine gravierende weltweite Deflation wird zu einem Preissturz beim Öl führen, der ernste Auswirkungen auf die russische Wirtschaft haben wird. Der kapitalistische Kreml und die kolossale Kleptokratie, auf die er sich stützt, haben einen Staat mit diktatorischen bonapartistischen Machtverhältnissen perfektioniert. Es geht nicht nur darum, rivalisierende Gangs in Zaum zu halten, die nach Macht und dem damit verbundenen Reichtum gieren, sondern letztendlich darum die Massen zu kontrollieren, vor deren Erhebung sie sich richtigerweise fürchten, wenn die Wirtschaft, und damit ihr Griff auf die Macht, schwankt. Auf Putins Regime, an Medwedew abgetreten, treffen Liebknechts Kommentare zum Regime des deutschen Kaisers zu: „Absolutismus mit dem Feigenblatt des Parlaments.“ Immense soziale Spannungen werden folgen, sollte Russland in einen wirtschaftlichen Abwärtsstrudel geraten.

Kapitalistische Krise und Massenbewusstsein

Die größte Problematik, mit der die Arbeiterbewegung in dieser allgemeinen Situation kapitalistischer Krise, Abschwung und der politischen Paralyse der bürgerlichen Parteien konfrontiert ist, sind die Auswirkungen, die das auf das Bewusstsein der Massen haben kann. Natürlich wird die Arbeiterklasse nicht in jedem Land in einheitlicher Art und Weise darauf reagieren. Wo es keine Massenpartei der Arbeiterklasse oder kämpferischen Gewerkschaften gibt, könnten die Massen zu Beginn gelähmt sein. Die rechten europäischen Gewerkschaftsführer wirken weiterhin als Bremse der Arbeiterbewegung. Gebunden an den neoliberalen Kapitalismus sind sie weder willig noch fähig, sich den heftigen Angriffen der Arbeitgeber zu widersetzen. Dies hat zu Rissen innerhalb der offiziellen Gewerkschaftsstrukturen geführt, Abspaltungen eingeschlossen, wie es in Deutschland in Richtung der Lokführergewerkschaft GDL passierte. In Großbritannien ist ein deutlicher Trend nach links zu verzeichnen, der durch die Eisenbahnergewerkschaft RMT und die größte Gewerkschaft der Staatsbediensteten PCS verkörpert wird, die erfolgreichen Widerstand gegen die Angriffe der Bosse leisteten. Infolgedessen haben sie ihre Mitgliedschaft vergrößern können. Dies verstimmt jedoch die Gewerkschafts-Rechte, weil es ihre eigene Ineffektivität noch schärfer zum Ausdruck bringt. Dies könnte Versuche nach sich ziehen, diese Gewerkschaften aus dem Dachverband TUC zu drängen. Neue Formationen, wie die Conlutas in Brasilien, sind in einer Reihe andere Länder möglich.

Zumindest in einigen Ländern Europas könnten die Hauptprofiteure aber zunächst die rassistischen, nationalistischen, ausländerfeindlichen rechtsextremen Parteien sein.

Die brutale kapitalistische Globalisierung resultierte in einer nie zuvor gekannten Mobilität der Menschen, sowohl in, als auch zwischen den Kontinenten. Das Phänomen der Slums, das wir aus der neokolonialen Welt kennen, könnte unter der Peitsche der kapitalistischen Krise nun ernsthaft Wurzeln in den entwickelten Industrieländern schlagen. Europa wird von einigen Einwanderern als ein „Eldorado“ gesehen, während andere, zum Beispiel in Großbritannien, abgestoßen von dem allgemeinen Abschwung in ihren eigenen Ländern, zu vielversprechenderen Jagdgründen ins Ausland fliehen. Zum Beispiel zieht zurzeit Australien, das einst mehr als andere Länder unter der Wirtschaftsdepression der 30er Jahre mit einer der höchsten Arbeitslosenrate der Welt litt, britische ImmigrantInnen an.

Der objektive Niedergang des Kapitalismus in Kombination mit den Massenkämpfen wird das Bewusstsein wieder schärfen, das in vergangenen Zeiten immer noch vom Zusammenbruch des Stalinismus, sowie der ideologischen Kampagne der Bürgerlichen und dem Boom geprägt war. Trotzdem haben, wie wir vorhersagten, neue Parteien der Arbeiterklasse angefangen, Form anzunehmen, am bemerkenswertesten in Deutschland und Brasilien, und werden sich in der nächsten Zeit in ganz Europa entwickeln. Andere wichtige Formationen sind entstanden: die Sozialistische Partei in den Niederlanden, der Linksblock in Portugal. Es hat auch wichtige Entwicklungen in Griechenland um Synaspismos und das Bündnis SIRIZA gegeben. Zur gleichen Zeit werden kapitalistisch-staatsinterventionistische, quasi-keynesianistische Ideen die Grundlage für den Beginn reformistischer Trends legen, wie sie Lafontaine, der Führer der LINKEN in Deutschland, verkörpert.

Die herrschende Klasse bereitet sich auf eine scharfe Kollision mit einer aufgerüttelten Arbeiterklasse und Arbeiterbewegung vor. Die Regierungen aller bürgerlichen Gesellschaften sind letztendlich die Exekutivkomitees der herrschenden Klasse. Bedeutende antidemokratische Aktionen werden zu dieser Zeit entweder erwägt oder eingeführt und die Verfolgung von KämpferInnen, die das System herausfordern, wird in einigen Ländern zunehmend zum Thema. Teil unserer Vorbereitung für die Zukunft ist der Widerstand des CWI gegen die Angriffe auf zivile Freiheiten und demokratische Rechte und die geschickte Verknüpfung dieser Frage mit dem Kampf für Löhne, zur Verteidigung und Verbesserung von Lebensbedingungen usw.

Stimmung gegen Konzerne und Kapitalismus

Es hat sich heute ein größeres Bewusstsein gegen Konzerne und Kapitalismus entwickelt, was sich in nächster Zeit vertiefen wird. Aber wie eine Anzahl von CWI-Sektionen durch gesteigerten Mitgliederzuwachs gezeigt haben, gibt es nun eine kleine, aber wichtige Schicht junger Menschen und ArbeiterInnen, die nach sozialistischen Erklärungen und Antworten auf die Probleme der Arbeiterklasse suchen. Am schärfsten drückt sich dies vielleicht in der neokolonialen Welt aus, wo Individuen und selbst ganze Gruppen mit dem CWI in Brasilien und Südafrika zusammenarbeiten. Gleichzeitig sehen wir den spektakulären Erfolg der GenossInnen in Pakistan, die es trotz einer schwierigen objektiven Situation geschafft haben, ansehnlich zu wachsen. In gewisser Hinsicht noch beeindruckender ist der Erfolg der USP (Vereinigte Sozialistische Partei) in Sri Lanka, die trotz des zwanzigjährigen wilden Bürgerkriegs nicht nur unsere Fahne hoch gehalten hat, sondern auch bedeutend gewachsen ist. Diese Erfolge in der neokolonialen Welt sind ein Vorgeschmack dessen, was wir in Europa und den anderen entwickelten Industrieländern in der nächsten Zeit erwarten können.

Wir wiederholen: wir sind keine plumpen DeterministInnen. Zunehmende ökonomische Probleme für den Kapitalismus garantieren nicht automatisch einen höheren Grad an Bewusstsein auf Seiten der Arbeiterklasse. Das Fehlen eines politischen Referenzpunktes, wie es in den meisten europäischen Ländern der Fall ist – Deutschland bildet die Ausnahme – führt dazu, dass zunächst alle Arten rückständiger Ideen in den Vordergrund rücken werden, vielleicht auch ein Anwachsen der extremen Rechten. Aber die Erfahrungen aus Deutschland und Russland in den frühen neunziger Jahren zeigen, dass dies als Peitsche und Ansporn für einige, besonders junge Leute, wirken kann, sich auf die Suche nach Ideen und Parteien zu begeben, die sich den Rechtsextremen entgegenstellen können. Darüber hinaus wird dies Hand in Hand mit einer beachtlichen Radikalisierung der Arbeiterklasse gehen. Das CWI wird, wie die Arbeiterbewegung, unter dem Hammerschlag der Ereignisse wachsen.

Angesichts dieser Perspektive könnte die Frage gestellt werden: „Warum sehen wir keine bedeutende Radikalisierung in Japan trotz der zwölf Jahre, in der sich das Land in einer deflationären Falle befand, was einen Rückgang des Lebensstandards nach sich zog?” Es gibt viele historische und kulturelle Gründe dafür, dass sich keine Bewegungen in Japan entwickelten. Aber der wichtigste war der Hintergrund einer immer noch wachsenden Weltwirtschaft und der Erwartungen, dass Japan letztendlich einen Ausweg aus dieser Situation finden würde. Aber die ganze Welt ist nun in der Umklammerung einer Weltwirtschaftskrise.

Dies wird eine sehr viel tiefere Wirkung auf das Bewusstsein der Arbeiterklasse ausüben und sie drängen, nach Antworten auf ihre Probleme zu suchen. Es werden sich deshalb größere Möglichkeiten für SozialistInnen und die revolutionäre Strömung ergeben, die das CWI vertritt. Wir stehen auf einer neuen Stufe, die durch plötzliche und abrupte Wendungen in der Lage charakterisiert werden wird. Deutschland zeigt, dass es zu Streikwellen kommen wird, die große Möglichkeiten aufzeigen werden. Die Theorie ist eine Anleitung zur Aktion. Die beste und richtigste Perspektive allein ist keine automatische Erfolgsgarantie. Es ist deshalb von höchster Wichtigkeit, dass die Sektionen des CWI alle die Möglichkeiten nutzen, die sich in der nächsten Zeit ergeben.