Sachsens rechter Sumpf

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Staatsapparat scheint weithin von Rechten unterwandert

Ein rechter „Hutbürger“, der ein Kamerateam belästigt und auch noch beim Landeskriminalamt (LKA) arbeitet; Haftbefehle, die auf rechten Seiten im Netz auftauchen; Richter, die die NPD loben – was antifaschistischen Aktivist*innen schon lange bekannt ist, rückt durch solche Vorfälle immer mehr ins Licht der Öffentlichkeit. Und immer wieder stellt sich die Frage: Was ist bloß los in Sachsens Staatsapparat?

von Steve Hollasky, Dresden

Seit Oktober 2014 gehen in Dresden montags die rassistischen „Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) auf die Straße. Doch sehr schnell schon gerieten auch Polizei und Versammlungsbehörde in die Kritik antirassistischer Aktivist*innen.

Polizei, Pegida, Rechtsextreme

Da waren Beamte aus Einsatzhundertschaften, die, während sie Pegida begleiteten, Geld in die aufgestellten Spendentonnen warfen, um damit zu zeigen, dass sie sich den Zielen von Pegida verbunden fühlten. Anlässlich der Proteste gegen den ersten Pegida-Geburtstag wurde eine der Gegenkundgebungen auf dem Dresdner Postplatz von mehreren hundert militanten Neonazis attackiert. Dennoch behauptete tags darauf Polizeisprecher Thomas Geithner, dergleichen sei nicht geschehen.

In Clausnitz nimmt einer der beim Ankommen von Geflüchteten anwesenden Polizeibeamt*innen einen kleinen Jungen in den Polizeigriff und zerrt ihn unter dem Gejohle eines rassistischen Mobs aus dem Bus.

Als in Bautzen 2016 Rechte auf Geflüchtete einschlugen, nannte die Polizei die rassistischen Jugendlichen verharmlosend „eventbetont“. Das Wort „rassistisch“ fiel nie. Gleichzeitig wurde den Opfern eine Mitschuld an den Übergriffen zugeschrieben.

Anlässlich der Feierlichkeiten zum „Tag der deutschen Einheit“ verbot man in Dresden zwar alle Demonstrationen und Kundgebung in der Innenstadt und unterband konsequent alle linken Versammlungen, bei Pegida war man allerdings weitaus großzügiger und ließ deren Aktionen zu. Selbst bei einem Übergriff auf den stellvertretenden Ministerpräsidenten Martin Dulig (SPD) und dessen Ehefrau wurde nicht eingegriffen. Die Begründung war, dass man Dulig nicht erkannt habe. Der hatte vorher die sächsische Polizei kritisiert und ihre – im Vergleich zur Bevölkerung – erhöhten Vorlieben für die AfD kritisiert.

Und schließlich, im August 2018, während eines Besuchs der Kanzlerin in Dresden, wird Maik G. auffällig. Der Teilnehmer einer Pegida-Demonstration will nicht gefilmt werden, stellt sich aber direkt vor die Kamera eines Frontal-21-Teams. Auf seinen Protest eingehend kontrolliert die anwesende Polizei das Kamerateam und hindert es an seiner Arbeit, kann für die Maßnahme jedoch keine Begründung liefern.

Versammlungsbehörde und rechte Demos

Nicht wenige Vorfälle stellten auch die Frage nach der Situation innerhalb der Versammlungsbehörden in Sachsen. So wurden die Adressen der Anmelder eines Willkommensfestes in Freital – wie es hieß versehentlich – an die Organisatoren einer rechten Demonstration weitergeleitet. Die Dresdner Versammlungsbehörde ließ, anders als die Versammlungsbehörden anderer Städte, stets zu, dass Pegida durch die Innenstadt zog.

Und immer wieder die Justiz

Es war Tim H., der 2011, bei dem erfolgreichen Versuch einen Neonazi-Aufmarsch in Dresden zu blockieren, durch das Megafon „kommt nach vorne“ gerufen haben soll. Der zuständige Richter Hlavka sah dies als einen Aufruf zu Straf- und Gewalttaten an und verurteilte ihn zu einer Haftstrafe. Mehrere Revisionen später wurde das Verfahren gegen die Zahlung einer Geldstrafe eingestellt. Hlavka wird später wesentlich mehr Verständnis gegenüber dem Gründer von Pegida zeigen. Der im Gegensatz zu Tim mehrfach vorbestrafte Lutz Bachmann kam bei Hlavka mit einer Geldstrafe davon, was nicht wenig Kritik hervorrief..

Als im Januar 2017 auf einer Veranstaltung der Jungen Alternative Bernd Höcke im Dresdner Ballhaus Watzke sprach, redete vor ihm ein gewisser Richter Jens Maier vom Dresdner Amtsgericht. Der lobte die NPD als einzige Partei, die deutsche Interessen im Auge gehabt habe. Sie sei aber nicht wählbar. Wählbar erschien dem Richter hingegen die AfD, für die er nun auch im Bundestag sitzt.

Was gilt es zu tun?

Angesichts des sächsischen Staatsapparates fällt es schwer zu glauben, dass eine echte Aufklärung durch interne Untersuchungen überhaupt stattfinden kann. Diese muss in die Hände wirklich unabhängiger Institutionen gelegt werden. Komitees aus Vertreter*innen von Gewerkschaften; Migrant*innenverbänden und antirassistischen Initiativen müssten diese Arbeit übernehmen. Ihnen sollte auch die Überprüfung der Mitarbeiter*innen von Polizei, Versammlungsbehörde und Justiz obliegen. Zudem wäre es an ihnen, zukünftiges polizeiliches Verhalten zu beobachten und einzuschätzen.

Das macht jedoch lediglich Sinn, wenn Polizeibeamt*innen klar gekennzeichnet werden. Das entworfene sächsische Polizeigesetz, welches die Befugnisse der Beamt*innen stark ausweiten würde, gilt es zu verhindern.

Auch müssen gerade in Sachsen antirassistische Demonstrationen besser unterstützt und geschützt werden. Gewerkschaften und die Partei DIE LINKE sollten Anwält*innen stellen, die Demos begleiten und Ordner*innendienst sollten aufgebaut werden.

Aber all das wird nicht helfen, wenn es der Linken nicht gelingen sollte, Menschen für den Kampf gegen Rassismus und Niedriglöhne, Wohnungsnot und Sozialkürzungen zu mobilisieren. Die zu hohen Mieten und der Notstand in der Pflege rufen nach Organisation von Menschen, die endlich etwas gegen diesen Irrsinn tun wollen. Es sind Kämpfe, in denen Hiergeborene erleben könnten, dass ihre Interessen denen der Geflüchteten und Migrant*innen ähnlicher sind, als sie im Moment vielleicht denken. Eine solche Bewegung hätte auch die Chance ein Gegengewicht gegen den sächsischen von rechts unterwanderten Staatsapparat zu sein. n