Fall Maaßen: Von Realsatire zur Farce

Bundesministerium des Innern/Sandy Thieme, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.de, keine Änderungen vorgenommen

Verfassungsschutz auflösen!

„Man stelle sich in Betrieb X folgendes Personalgespräch vor. Vorgesetzter Y bittet Mitarbeiter Z zum Rapport. ‚Herr Y, vor dem Hintergrund der letzten Entwicklungen haben wir kein Vertrauen mehr in ihre Person. Wir müssen sie leider in eine andere Abteilung versetzen. Diese ist mit 2000 EURO höher bezahlt und stellt eine Beförderung dar.‘ Grimms Märchen 4.0.? Nein, Realsatire in Berlin.“ (Torsten Sting auf facebook)

von Sascha Stanicic

Über diese Realsatire im Fall des mittlerweile ehemaligen Verfassungsschutz-Präsidenten Hans-Georg Maaßen konnte nur kaum jemand lachen. Die Empörung in der Bevölkerung und unter SPD-Mitgliedern war so hoch, dass Kanzlerin, Innenminister und SPD-Vorsitzende sich ganz reumütig und verständnisvoll zeigten und ihre Entscheidung revidierten. Statt formeller Beförderung kam dann die Versetzung von Maaßen zum Sonderberater ins Innenministerium – bei gleichen Bezügen wie in seinem vorherigen Amt. So wird aus Realsatire eine Farce …

Das wirkliche Problem

Maaßen hatte nach den rassistischen Ausschreitungen von Chemnitz in Frage gestellt, ob es überhaupt eine Hetzjagd auf Migrant*innen gab und einem Video, welches genau das zeigte, die Authentizität abgesprochen. Die SPD nahm dies zum Anlass die Machtprobe in der Koalition zu üben und forderte seine Entlassung als Präsident des Verfassungsschutzes. Besonders empörten sich die Spezialdemokrat*innen allerdings darüber, dass Maaßen öffentlich der Kanzlerin widersprochen hatte ….

Das wirkliche, nämlich das strukturelle Problem geriet über diese Personaldebatte in den Hintergrund: Maaßen wurde Chef einer Behörde, die bisher ungeklärte Verbindungen zu faschistischen Terrorist*innen unterhielt bzw. diese zumindest deckte. Er sollte das durch die NSU-Affäre verlorene Vertrauen in den Verfassungsschutz wieder aufpeppeln. Es wurde also ein Rechtsausleger mit dieser Aufgabe betraut, dessen flüchtlingsfeindliche Ansichten zu Genüge bekannt waren. Kein Wunder, dass sich Maaßen mehrmals mit AfD-Politiker*innen getroffen haben soll, um diese zu beraten. Der Fisch stinkt halt vom Kopf! Ob mit oder ohne Maaßen: der Verfassungsschutz gehört aufgelöst!

Regierung angezählt

Die Causa Maaßen zeigt vieles: wessen Geistes Kind höchste Staatsbedienstete sind, wie wenig die SPD sich eine Existenz außerhalb der Regierung vorstellen kann, aber vor allem: wie weit entfernt die etablierten Politiker*innen und die Bevölkerung voneinander sind. Dass von der ganzen Posse in Meinungsumfragen vor allem die AfD profitiert hat, ist dementsprechend wahrscheinlich vor allem darin begründet, dass die Rechtspopulist*innen als Anti-Establishment-Kraft gesehen werden. DIE LINKE muss sich fragen, warum nicht sie aus einer solchen Regierungskrise profitiert. Vielleicht weil im Zeitraum dieser Krise der LINKE-Fraktionsvorsitzende eine Laudatio auf die Veröffentlichung der Biographie von Bundesgesundheitsminister Spahn hält? Vielleicht weil Katja Kipping die SPD für ihre Haltung in der Maaßen-Angelegenheit lobt? Vielleicht weil DIE LINKE an der Regierung anders handelt als sie in der Opposition redet (Fortsetzung des Braunkohlebergbaus in Brandenburg, Abschiebungen nach Afghanistan in Thüringen etc.)? Weil sie also viel zu oft als Teil des Establishments wirkt!?

Es spricht viel dafür, dass die Tage der Großen Koalition gezählt sind. Wenn das berechtigte Ende dieser arbeiterfeindlichen Regierung nicht zu einer weiteren Rechtsverschiebung bei Neuwahlen führen soll, muss DIE LINKE endlich einen klaren Kurswechsel hin zu radikaler, sozialistischer Oppositionspolitik hinlegen. n