Das Kommunistische Manifest

Vorwort zur Neuausgabe im Manifest-Verlag

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Vor 170 Jahren schrieben Karl Marx und Friedrich Engels diesen Text, der die Menschheitsgeschichte mehr beeinflusste, als jedes andere Dokument der Neuzeit. Wenn wir das Manifest der Kommunistischen Partei heute wieder veröffentlichen, dann aber nicht, weil es nur ein zeitgeschichtliches Dokument von höchster Bedeutung ist, sondern weil es für die Welt des 21. Jahrhunderts Ideen enthält, die einen Weg zur Lösung der großen gesellschaftlichen Probleme aufzeigen können.

Von Sascha Staničić

Die beiden Autoren hatten das dreißigste Lebensjahr noch nicht vollendet. Das junge Alter von Karl Marx und Friedrich Engels zum Zeitpunkt des Verfassens des Manifests verdient eine besondere Erwähnung. Schließlich werden mit den beiden Begründern des wissenschaftlichen Sozialismus in der Regel Bilder älterer, graubärtiger Herren assoziiert und wird häufig der Eindruck erweckt, dass Menschen nur Großes leisten können, wenn sie die „jugendlichen Flausen aus dem Kopf haben“. . Ihr Alter war zweifellos ein wichtiger Faktor dabei, dass sie mit großer Leidenschaft daran gingen, die Welt – ihre Geschichte und die auf ihr herrschenden Verhältnisse – zu verstehen und sich der Frage zu stellen, ob und wie die Verhältnisse verändert werden können. Frei von Konservatismus und – obwohl gerade das ihnen von vielen zugeschrieben wurde – doktrinärem Denken schrieben sie nicht nur das frischeste und innovativste Dokument der Menschheitsgeschichte, sondern entwickelten eine Weltsicht, die nicht trocken-akademische Erkenntnistheorie war, sondern untrennbar verbunden war mit den Kämpfen der Unterdrückten gegen Unterdrückung und Ausbeutung. Marx fasste das in seinen berühmten Thesen über Feuerbach schon 1845 in dem berühmten Satz „Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern“ zusammen. Der wissenschaftliche Sozialismus von Marx und Engels war und ist vor allem auch eine Anleitung zum Handeln.

Und sie selbst waren Handelnde. Das Kommunistische Manifest war Ausdruck ihres Handelns, was in seinem eigentlichen Titel – Manifest der Kommunistischen Partei – zum Ausdruck kommt. Es war Ergebnis der ersten Organisation von Kommunistinnen und Kommunisten, dem Bund der Kommunisten, der sich 1847 gegründet hatte und Marx und Engels den Auftrag erteilte, die Anschauungen der Organisation in einem Manifest zusammenzufassen. Als dieses dann im Februar 1848 publiziert wurde, brach kurze Zeit darauf die Februarrevolution in Frankreich und Deutschland aus und die Mitglieder des Bundes der Kommunisten stürzten sich in die Kämpfe. Das Manifest verteilten sie dabei an die in Bewegung geratenen revolutionären ArbeiterInnen Deutschlands. Sie bildeten Arbeitervereine und Marx gründete in Köln die einflussreiche Neue Rheinische Zeitung.

Die Revolution hatte bürgerlichen, nicht sozialistischen, Charakter. Die Gesellschaft war damals noch von Kleinstaaterei und der Macht von Adel und Klerus geprägt. Das Bürgertum, die neue Klasse der Kapitalisten, war schon eine wirtschaftliche Macht, aber die gesellschaftlichen Strukturen waren ein Hindernis für die weitere Entfaltung der neuen kapitalistischen Wirtschaftsweise. Das Proletariat war noch eine kleine, wenn auch schnell wachsende, Klasse. Die Revolution scheiterte in Deutschland, weil das Bürgertum sich als unfähig erwies, einen erfolgreichen Kampf für die Vereinigung der deutschen Fürstentümer zu einem republikanischen Nationalstaat zu führen. Zu sehr war es mit den Mächten der alten Gesellschaft, der Aristokratie und den Grundbesitzern verbunden und zu groß war schon die Angst der neuen Kapitalisten vor dem in der Revolution erstmals in Erscheinung getretenen Proletariat. Dieses jedoch war noch zu unreif, zu unorganisiert und es mangelte ihm an einem Verständnis, dass es seine Interessen unabhängig vom Bürgertum durchsetzen musste und dies nicht im Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft möglich war. Dies anerkennend trug die Neue Rheinische Zeitung den Untertitel „Organ der Demokratie“. Marx und Engels übten darin jedoch eine solch schonungslose Kritik am Bürgertum, dass sie schnell die Geldgeber aus den Reihen desselben für die Zeitung verloren.

Mit der Niederlage der Revolution geriet auch das Manifest in Vergessenheit und wurde erst wieder entdeckt, als es im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zu einem neuen Aufschwung der sozialistischen Arbeiterbewegung kam, um dann zum meistübersetzten und -publizierten Dokument des Sozialismus zu werden, das einen großen Anteil daran hatte, dass die sozialistischen Massenparteien, die in dieser Zeit entstanden, den Marxismus zur Leitidee annahmen.

Wiederentdeckung des Marxismus

Der Marxismus sollte das Weltgeschehen des 20. Jahrhunderts mehr beeinflussen, als jede andere Lehre. Er fand in der sozialistischen Oktoberrevolution von 1917 eine Bestätigung, um dann jedoch in diesem ersten Land, das die Herrschaft des Kapitals abschüttelte, durch die Stalinisierung des neuen Staates und daraus folgend der kommunistischen Weltbewegung pervertiert zu werden. Die BürokratInnen in Moskau und an der Spitze der Kommunistischen Parteien nahmen dem Marxismus das frische und revolutionäre, so wie dies zuvor die rechten SozialdemokratInnen versuchten, die im Jahre 1914 den Schulterschluss mit ihren nationalen Kapitalistenklassen übten und zum Marsch in den Ersten Weltkrieg bliesen.

Die stalinistischen Staaten und ihre Führungen konnten Jahrzehnte den „offiziellen“ Marxismus repräsentieren. Die linksoppositionelle Bewegung, die sich in den 1920er Jahren um den russischen Revolutionär Leo Trotzki gruppiert hatte, blieb schwach und marginalisiert. Sie rettete aber das Erbe von Marx und Engels, das Erbe des Kommunistischen Manifests, über das 20. Jahrhundert und in die heutige post-stalinistische Ära. Der Zusammenbruch der bürokratischen Diktaturen in der Sowjetunion und Osteuropa und die Verwandlung der chinesischen Kommunistischen Partei in die Erbauerin des heutigen chinesischen Staatskapitalismus ließ die AnhängerInnen der kapitalistischen Marktwirtschaft triumphieren. Sie erklärten das Ende des Klassenkampfes und sprachen das Todesurteil über den Marxismus. Doch Totgesagte leben länger. Mit der Entwicklung der kapitalistischen Globalisierung und dann der „Großen Rezession“ (der Weltwirtschaftskrise von 2007-09) von 2007-09 ist das Gespenst des Marxismus zurückgekehrt. Wirklich verschwunden war es zwar nie, aber nun haben Marx und seine Ideen wieder Einzug in die Massenmedien gefunden und werden in linken Bewegungen und Parteien von einer neuen Generation junger AktivistInnen studiert und diskutiert. „Hatte Marx Recht?“ – Diese Frage erschien auf den Titelseiten diverse bürgerlicher Blätter und man konnte den ängstlichen Unterton geradezu hören. Nicht wenige bürgerliche Ökonomen und KommentatorInnen mussten anerkennend feststellen, dass sich im Manifest und anderen Schriften von Marx und Engels geradezu prophetische Voraussagen über die Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft finden lassen. Insbesondere die Internationalisierung der Weltwirtschaft und die anhaltende Krisenhaftigkeit derselben stechen als nicht zu leugnende Bestätigungen des Marxismus hervor. Jedoch findet diese Rückbesinnung auf Marx im wesentlichen auf der ökonomischen Ebene statt und kommt dadurch einer Vergewaltigung des Marxismus gleich. Denn für Marx und Engels war Ökonomie immer politische Ökonomie und damit untrennbar vom Klassenkampf und den politischen Entwicklungen auf der Welt.

Was sagt das Manifest?

Der Grundgedanke des Manifests ist die so genannte materialistische Geschichtsauffassung. Während vor Marx und Engels die dominierenden Ideen zur Erklärung der menschlichen Geschichte davon ausgingen, dass geistige Entwicklungen, vor allem im Sinne der Existenz eines Gottes und der sich daraus ergebenden Religion, die Basis für die Entwicklung der Menschheit waren, erkannten Marx und Engels, dass umgekehrt, die Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse in der menschlichen Gesellschaft, Veränderungen des politischen Denkens und der gesellschaftlichen nach sich zogen. Am Anfang war das Feuer – und nicht die Idee davon, die zu seiner Erfindung führte.

Friedrich Engels formulierte diesen Grundgedanken so: „Dieser Gedanke besteht darin: dass in jeder geschichtlichen Epoche die vorherrschende wirtschaftliche Produktions- und Austauschweise und die aus ihr mit Notwendigkeit folgende gesellschaftliche Gliederung die Grundlage bildet, auf der die politische und intellektuelle Geschichte dieser Epoche sich aufbaut und aus der allein sie erklärt werden kann; dass demgemäß die ganze Geschichte der Menschheit (seit Aufhebung der primitiven Gentilordnung mit ihrem Gemeinbesitz an Grund und Boden) eine Geschichte von Klassenkämpfen gewesen ist, Kämpfen zwischen ausbeutenden und ausgebeuteten, herrschenden und unterdrückten Klassen; dass die Geschichte dieser Klassenkämpfe eine Entwicklungsreihe darstellt, in der gegenwärtig eine Stufe erreicht ist, wo die ausgebeutete und unterdrückte Klasse – das Proletariat – ihre Befreiung vom Joch der ausbeutenden und herrschenden Klasse – der Bourgeoisie – nicht erreichen kann, ohne zugleich die ganze Gesellschaft ein für allemal von aller Ausbeutung und Unterdrückung, von allen Klassenunterschieden und Klassenkämpfen zu befreien.“

Engels fasst hier den Gedanken zusammen, dass die Wirtschaft letztlich die Basis aller gesellschaftlichen Entwicklung, sei es der politischen oder der intellektuellen Entwicklungen, ist. In dem auch in diesem Band abgedruckten Vorwort von Leo Trotzki für eine Ausgabe des Kommunistischen Manifests zum neunzigsten Jahrestags seines Erscheinens, schreibt dieser, dass die materialistische Geschichtsauffassung eines der „wertvollsten Instrumente menschlichen Denkens“ darstellt. Und: „Alle anderen Interpretationen des geschichtlichen Prozesses haben jeden wissenschaftlichen Wert verloren. Man kann mit Bestimmtheit sagen, dass es heutzutage unmöglich ist, nicht nur ein revolutionärer Aktivist, sondern auch nur ein politisch gebildeter Mensch zu sein, ohne sich die materialistische Geschichtsauffassung angeeignet zu haben.“

Tatsächlich ist der Grundgedanke dieser Geschichtsauffassung in den so genannten gesunden Menschenverstand übergegangen. Das zeigt sich in der tagtäglichen Berichterstattung darüber, dass sich diese oder jene politische Entwicklung aufgrund von Wirtschaftskrise oder -aufschwung ereignet. Jedoch stellt das nur eine oberflächliche Anwendung der Marxschen Erkenntnis über den historischen Entwicklungsprozess dar, denn die entscheidende Schlussfolgerung Marxens, nämlich dass die Geschichte eine Geschichte von Klassenkämpfen ist, wird in der Regel von denjenigen KommentatorInnen ignoriert oder gar geleugnet, die sehr wohl die Ökonomie als Basis gesellschaftlicher Entwicklungen anerkennen.

Aber auch diese Idee wird wieder verstärkt in Frage gestellt, was nichts anderes ist als ein Ausdruck des Niedergangs der kapitalistischen Ordnung, die einen intellektuellen Niedergang und intellektuelle Verwirrung mit sich bringt. Die Tatsache, dass Ideen wie Huntingtons „Kampf der Kulturen“ (also der Gedanke, dass nicht Klassenkonflikte, sondern klassenübergreifende Konflikte zwischen unterschiedlichen Kulturen die gesellschaftliche Entwicklung dominieren) und die Ethnisierung und Biologisierung gesellschaftlicher Konflikte (ob in Thilo Sarrazins rassistischem Buch „Deutschland schafft sich ab“ oder in der rassistischen Deutung sexistischer Gewalt in der Kölner Silvesternacht von 2016/17) in den letzten Jahren Hochkonjunktur haben, sind eine direkte Herausforderung der materialistischen Geschichtsauffassung.

Sie sind aber auch ein Angriff aus den Reihen des Bürgertums gegen den Gedanken des Klassenkampfes und dienen zur ideologischen Verwirrung der Arbeiterklasse. Sie konnten auch tatsächlich in die Reihen der Arbeiterklasse eindringen, weil diese nach dem Zusammenbruch des offiziellen „Kommunismus“ ideologisch in die Defensive gedrängt wurde und die Organisationen der Arbeiterbewegung auf internationalem Maßstab geschwächt wurden. Auch um diesen Prozess wieder umzukehren ist eine neuerliche Verbreitung des Kommunistischen Manifests und marxistischer Ideen von entscheidender Bedeutung.

Fehler und Korrekturen

Marx und Engels selbst haben im Laufe ihres Lebens und in Vorwörtern zum Manifest darauf hingewiesen, dass es als zeitgeschichtliches Dokument nicht in jedem Detail seine Aktualität bzw. Korrektheit erhalten hatte, dass aber sich die darin getätigten Grundaussagen bestätigt haben. Das kann auch 170 Jahre nach seinem Erscheinen gesagt werden.

Trotzki kommentiert in seinem Text zum neunzigjährigen Jubiläum des Manifests einige der Aussagen von Marx und Engels, die sich nicht bestätigt haben bzw. Entwicklungen der kapitalistischen Gesellschaft, die sie nicht vorhergesehen haben und nicht vorhersehen konnten. So zum Beispiel die weitgehende Monopolisierung der kapitalistischen Wirtschaftsstruktur, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts – unter Anwendung der Marxschen Methode – von Lenin in seiner Imperialismustheorie analysiert wurde.

Marx und Engels lagen auch nicht richtig hinsichtlich der zeitlichen Perspektiven, die sie aufstellten. Sie waren Optimisten und erwarteten eine schnellere Entwicklung der sozialistischen Revolution, als sie in der Realität eintrat. Der Marx-Biograph Franz Mehring sah darin eine psychologische Komponente und schrieb: „Ohne diesen Schatten wäre ihr Licht nicht denkbar. Der geniale Blick, der aus der Gegenwart die Zukunft zu erkennen weiß, sieht die kommenden Dinge schärfer, aber deshalb auch näher, als der gesunde Menschenverstand, der sich schwerer an die Vorstellung gewöhnt, daß ihm just nicht immer um zwölf Uhr die Suppe auf den Tisch gesetzt zu werden braucht. Auf der anderen Seite sahen damals außer Engels noch viele andere Leute die englische Revolution vor der Tür wie selbst die »Times«, das Hauptblatt der englischen Bourgeoisie, aber die Angst des bösen Gewissens fürchtete in der Revolution nur Brand und Mord, während der soziale Seherblick neues Leben aus den Ruinen sprossen sah.“

Die geniale historische Leistung von Marx und Engels war es aber, zu einem Zeitpunkt, als der Kapitalismus noch eine aufstrebende Gesellschaftsformation war, seinen Entwicklungsgang vorherzusehen – und damit auch die Grenzen, an die er geraten würde. Zu einer Zeit, als die Arbeiterklasse noch eine verschwindende Minderheit in der Gesellschaft war, sahen die beiden jungen Revolutionäre voraus, dass diese zur Majorität würde und sich die kapitalistische Gesellschaft in zwei Hauptklassen aufteilen würde. Auch wenn sie die Auflösung der Mittelklassen in einer Absolutheit erwarteten, die nicht eingetroffen ist (auch aus einer bewussten Politik des Bürgertums, wie Trotzki es darstellt), hat sich diese These grundlegend bestätigt. Dass die sozialistische Revolution länger auf sich warten ließ, als es Marx und Engels erwarteten, hängt vor allem damit zusammen, dass der Kapitalismus ihrer Zeit noch nicht zu einer absoluten Fessel der gesellschaftlichen Entwicklung geworden war, sondern nur eine relative Fessel darstellte. Das heißt, eine sozialistische Organisation von Wirtschaft und Gesellschaft hätte eine weitaus fortschrittlichere und harmonischere Entwicklung bedeutet, aber trotzdem konnte das Bürgertum bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts die Produktivkräfte weiter entwickeln.

Oft werden die Aussagen über die Entwicklungsrichtung der Lebensbedingungen der Arbeiterklasse, die im Manifest getätigt werden, als eine Verelendungstheorie interpretiert. Und tatsächlich sprechen Marx und Engels von der Verarmung der ArbeiterInnen, die im Kapitalismus zwangsläufig sei. Nun darf man diese Aussage jedoch nicht isoliert und zeitlos betrachten. An anderer Stelle betonen die Autoren, dass die ArbeiterInnen vorübergehende Erfolge im Klassenkampf erringen können. Marx und Engels konnten den Verlauf der Geschichte nicht exakt voraussehen und damit nicht die politischen Bedingungen des Klassenkampfes, die eine mächtige, wenn auch reformistische, Arbeiterbewegung und von 1917 bis zum Epochenumbruch 1989-91 einen nichtkapitalistischen Staatenblock auf der Welt hervorbrachten. Das Bürgertum erkaufte sich das Fortbestehen seiner Herrschaft auch durch Sozialreformen und Zugeständnisse an die Arbeiterklasse. Damit veränderte sich auch das, was man als Lebensgrundlage des Lohnarbeiters und der Lohnarbeiterin bezeichnet. Während Marx und Engels davon schrieben, dass der Durchschnittslohn der Proletarier nur das nackte Überleben sichern müsse, gehören heute, zumindest in den entwickelten kapitalistischen Staaten, weitere Aspekte dazu: gewisse Konsumgüter genauso wie eine gewisse Beteiligung am kulturellen Leben (womit das Bürgertum gleichzeitig einen Absatzmarkt für seine Waren geschaffen hat).

Schaut man sich jedoch die weltweiten Entwicklungen in der heutigen Phase des Kapitalismus an, so kann man sagen, dass weltweit Milliarden von Menschen in Elend und erbärmlichen Verhältnissen leben und keine Frage ist, dass der globale Kapitalismus globale Armut und Not verursacht. Es gibt auch eine relative Verarmung der Arbeiterklasse, da ihr Anteil am gesellschaftlichen Reichtum tendenziell sinkt und der Unterschied zwischen Arm und Reich nie so groß war wie heute. Undin den entwickelten kapitalistischen Staaten sehen wir gerade in den letzten Jahren eine enorme Zunahme von Niedrigstlohn-Jobs und die Entstehung des Phänomens der „arbeitenden Armen“. So geben die Thesen von Marx und Engels in dieser Frage wieder sehr viel mehr die Lebensrealität großer Teile der Arbeiterklasse wieder, als es für einige Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg den Anschein hatte.

Das heilige Eigentum und die Freiheit

Marx und Engels weisen im Manifest all die Vorwürfe zurück, die sich MarxistInnen in den letzten 170 Jahren weiterhin immer wieder anhören mussten. Der Sozialismus sei gleichmacherisch, nehme auch dem kleinen Mann (und der kleinen Frau) sein/ihr Eigentum und lasse keine Freiheit zu,

Ihre Antworten auf diese Vorwürfe sind Anklagen gegen die bürgerliche Gesellschaft: „In der bürgerlichen Gesellschaft ist das Kapital selbständig und persönlich, während das tätige Individuum unselbständig und unpersönlich ist. Und die Aufhebung dieses Verhältnisses nennt die Bourgeoisie Aufhebung der Persönlichkeit und Freiheit! Und mit Recht. Es handelt sich allerdings um die Aufhebung der Bourgeois-Persönlichkeit, -Selbständigkeit und -Freiheit. Unter Freiheit versteht man innerhalb der jetzigen bürgerlichen Produktionsverhältnisse den freien Handel, den freien Kauf und Verkauf.“

Und: „Ihr entsetzt Euch darüber, dass wir das Privateigentum aufheben wollen. Aber in eurer bestehenden Gesellschaft ist das Privateigentum für neun Zehntel ihrer Mitglieder aufgehoben; es existiert gerade dadurch, dass es für neun Zehntel nicht existiert. Ihr werft uns also vor, dass wir ein Eigentum aufheben wollen, welches die Eigentumslosigkeit der ungeheuren Mehrheit der Gesellschaft als notwendige Bedingung voraussetzt. Ihr werft uns mit einem Wort vor, dass wir euer Eigentum aufheben wollen. Allerdings, das wollen wir. (…) Der Kommunismus nimmt keinem die Macht, sich gesellschaftliche Produkte anzueignen, er nimmt nur die Macht, sich durch diese Aneignung fremde Arbeit zu unterjochen.“

Wie sehr würde man sich wünschen, dass heutige FührerInnen von linken Parteien oder Gewerkschaften in einem ähnlichen Selbstbewusstsein und mit einer ähnlichen Selbstverständlichkeit, solche Vorwürfe zurückweisen! Denn in vielerlei Hinsicht sind diese Vorwürfe heute noch absurder, als sie es zu den Zeiten von Marx und Engels waren. Nur ist es dem Bürgertum gelungen eine große Illusion von Freiheit und Eigentum zu schaffen. Doch die Freiheit des und der Einzelnen bewegt sich nur in einem von den Herrschenden vorgegebenen Rahmen. Es ist die Freiheit, zu entscheiden für wen man entfremdete Arbeit leistet (wenn überhaupt). Es ist die Freiheit zwischen Lebensentwürfen und kulturellen Identitäten zu wählen, die alle durch die bürgerliche Ordnung in eine Warenform gepresst werden. Es ist die politische Freiheit zwischen CDU und SPD zu wählen, die kulturelle Freiheit zwischen Amazon Prime und Netflix zu wählen. Und für die übergroße Mehrheit der Weltbevölkerung gibt es nicht einmal die Illusion von Freiheit. Nicht für die unter Krieg leidenden Massen in Syrien, nicht für die in Sweatshops Schuftenden in Südostasien und China, nicht für die Millionen Geflüchteten. Im globalisierten Kapitalismus gibt es nur die Freiheit des Waren- und Kapitalverkehrs, die Freiheit der imperialistischen Armeen und ihrer Bomber, die Freiheit der Kapitalisten weltweite Lohnabwärtsspiralen in Gang zu setzen.

Und das Eigentum? Marx und Engels machen deutlich, dass es ihnen nicht um das Privateigentum an Produkten ging, sondern an Produktionsmitteln. Die Mär vom Kommunismus, der dem Arbeiter und der Arbeiterin das hart zusammen gesparte Auto oder Eigenheim wegnimmt – ist eine Mär. Tatsache ist aber in diesem Kapitalismus, dass Auto und Eigenheim in vielen Fällen für die meiste Zeit einer Bank gehören, dass 6,8 Millionen Menschen in der Bundesrepublik überschuldet sind und sich die Reichen und Superreichen einen immer größeren Teil des Volkseinkommens unter den Nagel reißen, während der Konzentrationsprozess des Kapitals ohnehin weiter voran schreitet.

Wer das Kommunistische Manifest aufmerksam liest, stellt fest, dass die darin enthaltenen Ideen mit der persönlichen Unfreiheit der so genannten „realsozialistischen“ Staaten in der Sowjetunion oder der DDR, wenig gemein haben. Im Gegenteil, dass die individuelle Freiheit ein konstitutiver Bestandteil marxistischer Ideen und Ziele ist. Ein Ziel, dass im Manifest so formuliert wird: „An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.“

Die Arbeiterklasse

Lenin bezeichnete den Marxismus als die Lehre vom Klassenkampf. Und tatsächlich ist die Erkenntnis der Klassenspaltung der Gesellschaft und des daraus resultierenden unvermeidlichen Kampfes der unterschiedlichen Klassen das Herzstück auch des Kommunistischen Manifests.

Die marxistische Klassenanalyse wird oftmals in extrem vereinfachter und damit falscher Art und Weise dargestellt, nämlich als ob Marx und Engels von völlig homogenen Klassen ausgegangen seien. So entstand das romantische Bild des (männlichen) Arbeiters in Blaumann oder mit rußbedecktem Gesicht. Aus der Tatsache, dass dieses klassische Industrieproletariat in vielen der entwickelten kapitalistischen Staaten heute an Bedeutung verloren hat, ziehen manche die Schlussfolgerung, es gebe keine Arbeiterklasse mehr. Tatsächlich gab es immer schon unterschiedliche Schichten der Arbeiterklasse, wie es sie in allen Klassen gibt. Für MarxistInnen ist hinsichtlich der Klassenfrage und -zugehörigkeit die Stellung im Produktionsprozess entscheidend, also ob ein Mensch zum Erhalt seines Lebens gezwungen ist, seine Arbeitskraft zu verkaufen. Egal, ob dieser Mensch dann Lohn oder Gehalt erhält, mit seiner Arbeit Kohle fördert, Computerprogramme entwickelt oder Kranke pflegt. Egal, ob man ihn bzw. sie ArbeiterIn, AngestellteR oder BeamteR nennt. Die Tatsache, dass es hier Schichten von formell Lohnabhängigen (Manager, hohe Staatsbeamte etc.) gibt, deren Lebensrealität so weit entfernt vom Durchschnitt der Arbeiterklasse ist, dass sie eher zur Mittelklasse zu rechnen sind, ist hier zweitrangig.

Ausgehend von diesem Verständnis des Klassenbegriffs ist die Arbeiterklasse heute weltweit, aber auch in der Bundesrepublik, nicht nur größer und (potenziell) stärker als zu den Lebzeiten von Marx und Engels, sondern auch zu den Hochzeiten der sozialistischen Arbeiterbewegung vor dem Sieg des Faschismus und dem Zweiten Weltkrieg. Heute sind über achtzig Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland lohnabhängig, während das in den 1920er und 1930er Jahren noch circa die Hälfte waren (was nebenbei auch eine Bestätigung der tendenziellen Auflösung der Mittelklassen darstellt).

In Bezug auf die Arbeiterklasse ist der entscheidende Gedanke des Kommunistischen Manifests die Notwendigkeit der Organisierung der Arbeiterklasse zur politischen Partei. Marx und Engels betonen, dass jeder Klassenkampf ein politischer Kampf ist und erteilen so all denen eine Abfuhr, die den Kampf der Arbeiterklasse auf die gewerkschaftliche Ebene beschränken wollen. Sie erklären an anderer Stelle, dass die Arbeiterklasse von einer „Klasse an sich“ zu einer „Klasse für sich“ werden muss, um ihre historische Mission, die Erkämpfung des Sozialismus, zu erfüllen. Das bedeutet: die Arbeiterklasse mag objektiv existieren, ihre Mitglieder müssen sich aber nicht bewusst darüber sein, dass sie eine Klasse bilden. Dieses Bewusstsein entwickelt sich durch die Erfahrung der Klassenkämpfe und kann durch das Eingreifen von SozialistInnen in diese Kämpfe geformt und beschleunigt werden.

Im letzten Abschnitt des Manifests, das die Stellung der KommunistInnen zu anderen sozialistischen Strömungen behandelt, schlagen Marx und Engels eine Politik vor, an der sich auch heute MarxistInnen orientieren sollten (diese nur auf die heutigen Verhältnisse anwenden sollten). Zum einen betonen Marx und Engels die Notwendigkeit der gemeinsamen Aktion mit anderen Kräften. Dabei handelte es sich damals aufgrund der noch ungelösten Aufgabe der bürgerlichen Revolution auch um bürgerlich-revolutionäre Kräfte, so sie denn gegen Absolutismus, Monarchie und Großgrundbesitz kämpften. Aber gleichzeitig betonten sie die absolute Notwendigkeit der unabhängigen Organisierung der Arbeiterklasse und der Selbständigkeit der KommunistInnen. Sie nahmen immer und in jeder Situation einen unabhängigen Klassenstandpunkt ein und verfolgten eine unabhängige Politik.

Tatsächlich sind die Aufgaben, die sich MarxistInnen heute stellen vergleichbar mit den Aufgaben die sich Marx und Engels im 19. Jahrhundert gestellt haben: die Schaffung von Arbeiterparteien und der Kampf darum, in diesen Arbeiterparteien den Marxismus durchzusetzen. Als Marx und Engels ab 1864 am Aufbau der Internationalen Arbeiterassoziation teilnahmen, mussten sie dort mit anderen Strömungen der Arbeiterklasse kooperieren und konnten eine Annahme ihrer Lehre nicht zur Vorbedingung für die Bildung der Organisation machen. Es bedurfte Erfahrungen mit Klassenkämpfen und die politische Auseinandersetzung in den Reihen der Arbeiterbewegung, damit sich der Marxismus dann in den Massenparteien der 1889 gegründeten so genannten Zweiten Internationale durchsetzen konnte. Nach den Irrungen und Wirrungen des 20. Jahrhunderts, dem Scheitern des Stalinismus und den Rückschlägen für die Arbeiterbewegung, sind wir heute im Prozess des Wiederaufbaus einer sozialistischen Arbeiterbewegung. Revolutionäre MarxistInnen ziehen aus den Erfahrungen der Geschichte den Schluss, dass sie sich selbständig organisieren müssen, wie wir es in der SAV und dem Komitee für eine Arbeiterinternationale (CWI) tun. Sie sollten sich aber gleichzeitig am Aufbau der sozialistischen Arbeiterbewegung im breiteren Sinne beteiligen, weil der Erfahrungs- und Bewusstseinsstand in der Arbeiterklasse noch nicht so weit gereift ist, revolutionär-marxistische Massenparteien hervorzubringen, sehr wohl aber linke, sozialistische Arbeiterparteien, die ein notwendiger Zwischenschritt auf dem Weg zu revolutionären Parteien sein werden und die die Klasseninteressen der Lohnabhängigen formulieren und verteidigen können und gleichzeitig ein Forum zur Auseinandersetzung über marxistische Ideen darstellen können. Deshalb arbeiten SAV-Mitglieder in der Partei DIE LINKE mit, unterstützen diese insofern sie zur Verteidigung von Arbeiterinteressen beiträgt und setzen sich in ihr für eine konsequente, sozialistische Politik und Programmatik ein.

„Die Arbeiter haben kein Vaterland“

Angesichts der Stärkung nationalistischer Bewegungen und Stimmungen, die bis in die Linkspartei hineinwirken, kann das Manifest zur Frage des Vaterlands und des Internationalismus eine Richtschnur geben, an der sich SozialistInnen und DIE LINKE orientieren sollten, um nicht in die Falle linkspopulistischer und nationaler Logik zu tappen.

Es gibt zwei entscheidende Sätze im Manifest, an denen man sich dabei orientieren kann: „Obgleich nicht dem Inhalt, ist der Form nach der Kampf des Proletariats gegen die Bourgeoisie zunächst ein nationaler. Das Proletariat eines jeden Landes muss natürlich zuerst mit seiner eigenen Bourgeoisie fertigwerden.“

Und: „Die Arbeiter haben kein Vaterland. Man kann ihnen nicht nehmen, was sie nicht haben. Indem das Proletariat zunächst sich die politische Herrschaft erobert, sich zur nationalen Klasse (führende Klasse der Nation) erheben, sich selbst als Nation konstituieren muss, ist es selbst noch national, wenn auch keineswegs im Sinne der Bourgeoisie. Die nationalen Absonderungen und Gegensätze der Völker verschwinden mehr und mehr schon mit der Entwicklung der Bourgeoisie, mit der Handelsfreiheit, dem Weltmarkt, der Gleichförmigkeit der industriellen Produktion und der ihr entsprechenden Lebensverhältnisse. Die Herrschaft des Proletariats wird sie noch mehr verschwinden machen. Vereinigte Aktion, wenigstens der zivilisierten Länder, ist eine der ersten Bedingungen seiner Befreiung. In dem Maße, wie die Exploitation des einen Individuums durch das andere aufgehoben wird, wird die Exploitation einer Nation durch die andere aufgehoben. Mit dem Gegensatz der Klassen im Innern der Nation fällt die feindliche Stellung der Nationen gegeneinander.“

Was sagt uns das? Erstens, dass der Inhalt sozialistischer Politik nicht national ist, sondern international. Das bedeutet schlicht und einfach, dass es keine nationalen Interessen der Arbeiterklasse gibt, die sie gegen vermeintliche nationale Interessen der Arbeiterklasse einer anderen Nation in Stellung bringen müsste. Das gilt, obwohl die Form – also das Kampffeld – der Arbeiterklasse „zunächst“ national ist.

Diese Gedanken sind für die derzeit in der Linkspartei stattfindenden Debatten über Migrationspolitik und die Bedeutung des Nationalstaats von großer Bedeutung. Sie sind eine Absage an die Ideen von Sahra Wagenknecht und anderen, die einen Interessenkonflikt zwischen Geflüchteten und EinwandererInnen einerseits und der deutschen Arbeiterklasse andererseits sehen und der Begrenzung von Einwanderung das Wort reden. Diese Kräfte in der LINKEN verwechseln hier Form und Inhalt. Sie haben Recht, wenn sie betonen, dass es nötig ist im Rahmen der bestehenden Nationalstaaten um Verbesserungen zu kämpfen (wobei sie hier vor der entscheidenden Schlussfolgerung halt machen, die in der Notwendigkeit des Kampfes um die politische Macht im bestehenden Nationalstaat besteht). Aber sie liegen falsch, wenn sie dem Nationalstaat in der heutigen imperialistischen Phase des Kapitalismus irgendeinen fortschrittlichen Charakter andichten. Hinzu kommt, dass die Form des Klassenkampfes angesichts von fortschreitender Globalisierung und globalen Bedrohungen durch Klimaveränderung und Kriegsgefahr nicht ausschließlich national ist. Es ist heute dringender denn je grenzüberschreitende Kämpfe und Bewegungen zu organisieren, sei es in multinationalen Konzernen, in denen die Belegschaften unterschiedlicher Standorte und Länder gegeneinander ausgespielt werden, sei es in internationalen Bewegungen gegen Kriege, Militarisierung, Rassismus oder den Klimawandel.

Marx und Engels weisen aber auch noch auf etwas anderes hin: Die Widersprüche zwischen den Nationen können nicht im Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft gelöst werden. Die Machteroberung der Arbeiterklasse, also die Abschaffung kapitalistischer Verhältnisse, ist eine notwendige Vorbedingung, damit die Ausbeutung einer Nation durch die andere und die feindliche Stellung von Nationen gegeneinander aufgehoben werden können.

Die praktische Schlussfolgerung daraus muss sein: Aufbau einer internationalen sozialistischen Bewegung, wie es das Komitee für eine Arbeiterinternationale. dem die SAV angeschlossen ist, betreibt. Die politische Schlussfolgerung muss sein: Immer und überall die gemeinsamen Interessen von ArbeiterInnen unterschiedlicher Nationen vertreten und jeder Form der Spaltung der Arbeiterklasse entlang nationaler Linien entgegentreten.

Revolution!

Das Manifest war das programmatische Dokument einer revolutionären Partei, der ersten kommunistischen Partei in Deutschland und Europa. Es ist durchdrungen von dem Geist, dass die bürgerliche, kapitalistische Gesellschaft der Menschheit keine Zukunft bieten kann, dass sie nicht im Sinne der Mehrheit der Bevölkerung sozial, gerecht, friedlich gestaltet werden kann, dass es keinen Kompromiss mit der herrschenden Klasse geben kann.

Nach 170 Jahren kann man sagen: die Arbeiterbewegung hat den Kapitalisten in einigen Ländern viele Rechte und höhere Löhne abgetrotzt, vielleicht mehr, als Marx und Engels es sich vorstellen konnten. Das Mittel für diese Zugeständnisse war aber immer der Klassenkampf, die unabhängige Aktion von ArbeiterInnen gegen das Kapital – welch Bestätigung der Grundthese des Manifests! Nach 170 Jahren kann man aber auch sagen: der Kapitalismus ist nicht sozial, gerecht, friedlich zu gestalten. Er hat Destruktivkräfte entwickelt, wie sie die Menschheitsgeschichte noch nicht gesehen hat und die die menschliche Zivilisation insgesamt bedrohen. Der Kapitalismus konnte den Klassenkampf nicht beenden, auch wenn sich dieser „mal versteckt, mal offen“ und in unterschiedlicher Intensität und von den Akteuren unterschiedlich bewusst geführt entwickelt.

Dass dieser Klassenkampf noch nicht dazu geführt hat, dass der Kapitalismus auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet ist, hat viel mit dem zu tun, was MarxistInnen den subjektiven Faktor nennen – die Organisationen der Arbeiterbewegung. Die großen Organisationen der Arbeiterbewegung – Sozialdemokratie, Kommunistische Parteien, Gewerkschaften – haben dem Ziel des Sozialismus im Verlauf des 20. Jahrhunderts den Rücken gekehrt und sind von Mitteln zu dessen Durchsetzung zu Hindernissen für dessen Durchsetzung geworden.

Das ändert jedoch nichts daran, dass der Kapitalismus der Menschheit keine Zukunft bieten kann und eine sozialistische Veränderung der Welt eine dringende Notwendigkeit ist. Marx und Engels haben erläutert, dass der Sozialismus keine schöne Idee, keine Kopfgeburt ist, sondern in der Abfolge der Gesellschaftsordnungen in der historischen Entwicklung der Menschheit eine Notwendigkeit ist. Sie sprechen im Manifest von der Unvermeidlichkeit des Untergangs der Bourgeoisie und des Siegs des Proletariats. Aus dieser optimistischen Aussage sollte nicht der Schluss gezogen werden, die Entwicklung zum Sozialismus verlaufe automatisch. An anderer Stelle wiesen Marx und Engels im Manifest darauf hin, dass in der Geschichte der Klassenkämpfe, diese entweder im Sieg der einen Klasse über die andere oder im Untergang der kämpfenden Klassen mündeten. Diese Alternative stellt sich auch für den Klassenkampf zwischen Bürgertum und Arbeiterklasse. In den Worten Rosa Luxemburgs heißt sie: Sozialismus oder Barbarei!

Deshalb ist der Aufbau neuer revolutionärer Organisationen, die alle notwendigen Lehren aus den 170 Jahren des Klassenkampfes seit dem Erscheinen des Kommunistischen Manifests ziehen, dringende Notwendigkeit. Diese Lehren ziehen kann man nur unter Anwendung der von Marx und Engels ausgearbeiteten und im Manifests dargelegte Methode. Wir hoffen, dass die Wiederveröffentlichung dieses wichtigsten Dokuments der Menschheitsgeschichte einen Beitrag dazu leistet, eine neue Generation von AktivistInnen mit dem nötigen theoretischen Rüstzeug zu bewaffnen, um die Klassenkämpfe der Zukunft zum Erfolg zu führen.