Opel: Gar nicht lustig

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Substantieller Verzicht bei Opel

von Daniel Behruzi

Man fühlt sich an den Butler James in »Dinner for one« erinnert, der jedes Silvester zuverlässig über den Tigerkopf stolpert und am Ende »Same procedure as last year« lallt. Auch beim Autohersteller Opel scheinen die Dinge ihren immer gleichen Gang zu gehen. Nur, dass das für die Beschäftigten alles andere als lustig ist: Erst blasen Gesamtbetriebsrat und IG Metall die Backen auf und drohen mit »Eskalation« – um schließlich doch Lohnverzicht und Arbeitsplatzvernichtung zu akzeptieren. Mit dem einzigen Unterschied, dass die Erpresser neuerdings nicht mehr in der General-Motors-Zentrale in Detroit, sondern beim PSA-Konzern nahe Paris sitzen.Mit dem am Montag abend verkündeten Eckpunktepapier verzichten die Opelaner auf substantielle Teile ihres Tariflohns. Zugleich werden 3.700 Stellen gestrichen. Als Trostpflaster gibt PSA den verbleibenden, dann noch rund 15.000 Beschäftigten das Versprechen, bis Sommer2023 keine betriebsbedingten Kündigungen und Werksschließungen umzusetzen. Das Ganze bekommt dann – auch das wie immer – den Titel »Zukunftssicherung«. Doch dieser Orwellsche Neusprech scheint in den Opel-Belegschaften immer weniger zu verfangen. Zuletzt meldeten sich innerhalb weniger Wochen Tausende für Abfindungsverträge. Ein deutliches Zeichen dafür, dass der Glaube an eine gute Opel-Zukunft mit PSA nicht sonderlich weit verbreitet ist.

Leider sehen die Beschäftigten offenbar auch keine andere Perspektive als den individuellen Ausstieg. Der Weg der Bochumer Belegschaft – die in den Jahren 2000 und 2004 durch spontane Streiks Zugeständnisse erreichte – scheint ihnen nicht gangbar. Von den Betriebsrats- und IG-Metall-Spitzen kommen solche Vorschläge ohnehin nicht. Statt dessen akzeptieren sie, dass mit Opel ein gewerkschaftlich gut organisierter Autobauer dauerhaft den Flächentarifvertrag unterläuft.

So sollen nicht nur übertarifliche Lohnbestandteile auf Tariferhöhungen angerechnet werden können. Auch das gerade erst durchgesetzte tarifliche Zusatzgeld soll entfallen. Es beträgt immerhin 27,5 Prozent eines Monatseinkommens und kann von einem Teil der Beschäftigten gegen acht zusätzliche freie Tage getauscht werden – zwei davon bezahlt vom Unternehmen. Weitere Tariferhöhungen, über die ab 2020 verhandelt wird, sollen bis zum Ende der Vertragslaufzeit verschoben werden.

All das ist eine deutliche Schwächung tariflicher Standards – und eine Steilvorlage für andere Unternehmen, die ebenfalls die Kosten drücken wollen.

Der Artikel erschien zuerst in der Jungen Welt am 31. Mai 2018