Die Debatte um Pflegekammern

Kein Mittel zur Entlastung und Aufwertung der Pflegeberufe

Bereits seit über hundert Jahren gibt es Bestrebungen eines Teils der Pflegekräfte, ihren Beruf selbst zu verwalten. Ähnlich den Architekten- und Ärztekammern erhoffen sie sich dadurch eine höhere Anerkennung des Berufsstandes, mehr Einfluss auf die Qualität der Ausbildung und Weiterbildung, Mitspracherechte bei Gesetzgebungsverfahren und die Möglichkeit zur Einführung und Überwachung der Berufsethik.

Von Dorit Hollasky, Sprecherin ver.di Betriebsgruppe und Personalratsmitglied im Städtischen Klinikum Dresden*

Ein Effekt der Einführung solcher Kammern ist auch die zentrale Registrierung aller Berufsangehörigen. In den letzten Jahrzehnten verfolgten vor allem die Berufsverbände dieses Anliegen. Mittlerweile haben drei Bundesländer trotz sehr kritischer Gegenstimmen Pflegekammern eingeführt (Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Niedersachsen). Andere sollen folgen. Doch die Lage von KrankenpflegerInnen wird das nicht verbessern.

Berufsordnung

Hauptaufgabe einer Kammer ist das Vertreten, Kontrollieren und Beraten ihrer Mitglieder. Dafür kann die Kammer eine Berufsordnung mit Pflichten bezüglich der Berufsausübung, Aus- und Weiterbildung erarbeiten. Dazu sind jedoch keine Kammern notwendig. Zum Beraten und Vertreten der Beschäftigten gibt es bereits Gewerkschaften und Berufsverbände. Zur Kontrolle gibt es staatliche Behörden. Da die angestellten Pflegekräfte in der Regel weisungsgebunden arbeiten, gehört es zu den Pflichten des Arbeitgebers, für die Einhaltung der Qualitätsstandards in der Pflege zu sorgen. Beispielsweise indem ausreichend Personal eingestellt wird, entsprechende Fortbildungen angeboten bzw. Pflegekräfte für Qualifizierungen freigestellt werden. Die Festlegung von Ausbildungsstandards ist eine staatliche Aufgabe.

Fort- und Weiterbildung

Die Fort- und Weiterbildung in den Pflegeberufen „ist unbestritten ein wichtiger Punkt, der jedoch keine Kammer rechtfertigt. Nun sollen die Pflegekräfte ihre Qualifizierung mit einem Zwangsbeitrag von rund 100 Euro im Jahr auch noch selbst bezahlen. Wir dürfen jedoch die Arbeitgeber von ihrem Versorgungsauftrag für Patienten und Heimbewohner nicht aus der Verantwortung entlassen.“ So äußert sich dazu der niedersächsische ver.di-Landesleiter Detlef Ahting. Er spricht sogar den Verdacht aus, dass die Pflegekammer lediglich ein Beschaffungsprogramm für Weiterbildungsmaßnahmen der Pflegeverbände sei.

Beiträge

Die Mitgliedschaft in der Kammer ist für jede Pflegekraft verpflichtend, die Beiträge belaufen sich auf mindestens hundert Euro jährlich – Tendenz eher steigend. Das ist für Angehörige dieser schlecht bezahlten Berufsgruppe viel zu viel Geld für nicht spürbare Leistungen.

Solidarität unter den Berufsgruppen nötig

Kritik von ver.di gibt es auch an der selektiven Zusammenfassung nur einer Berufsgruppe. Gute Pflege kann aber nur ganzheitlich erfolgen, in Zusammenarbeit mit Pflegehilfskräften und anderen Berufsgruppen. Verbesserungen können deshalb auch nur erreicht werden, wenn sich die verschiedenen Berufsgruppen solidarisch dafür einsetzen, nicht indem jede Gruppe für sich kämpft.

Erfahrungen in Rheinland-Pfalz

In Rheinland-Pfalz besteht die Pflegekammer seit Anfang 2016 und hat circa 40.000 (Zwangs-)Mitglieder. Karola Fuchs (Leiterin einer Intensivstation, für ver.di in der Vertreterversammlung der Pflegekammer Rheinland-Pfalz), resümiert nach anderthalb Jahren: „Die bisherige Arbeit war fast ausschließlich organisatorischer Natur. Inhaltlich ist in dieser Zeit nicht viel passiert. Die Pflegekräfte selbst hatten von der Einrichtung der Pflegekammer bislang keine Vorteile.“ In den ersten hundert Tagen wurde zunächst für die großzügige Entschädigung der Vorstandsmitglieder gesorgt. Bisher nicht registrierte Kammermitglieder erhielten sogar Bußgeldbescheide.

Die Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern, Altenheimen und ambulanten Einrichtungen sind miserabel. Es gibt zu wenig Personal, Wochenendarbeit, Schichtdienst, zu wenig planbare Freizeit und permanenten Zeitdruck. Und deutlich zu wenig Geld für eine höchst verantwortungsvolle Tätigkeit. Pflegekammern können an dieser Situation nichts ändern. Wo es die Pflegekammern noch nicht gibt, lohnt es sich, für deren Verhinderung zu argumentieren, denn sie sind nicht nur wenig hilfreich, sondern kosten auch noch Geld.

Um die Pflegeberufe wirklich aufzuwerten, brauchen wir starke, kämpferische Gewerkschaften und grundlegende politische Veränderungen.

*Angabe der Funktion dient lediglich der Kenntlichmachung der Person