200 Jahre Marx

Leben und Werk eines Revolutionärs

Vor zweihundert jahren, am 5. Mai 1818, wurde Karl Marx geboren. Am 14. März 1883 starb er. „Am 14. März, nachmittags ein Viertel vor drei, hat der größte lebende Denker aufgehört zu denken. Kaum zwei Minuten allein gelassen, fanden wir ihn beim Eintreten in seinem Sessel ruhig entschlummert – aber für immer.“ (aus der Grabrede von Friedrich Engels) Heute – fast 135 Jahre nach Marx’ Tod – und in den vergangenen Jahren gab und gibt es unzählige Versuche, die Marxismus und Sozialismus ebenfalls für tot erklären wollen. Jedoch haben die Ideen des Marxismus der Prüfungen dieser Zeit standgehalten. „Karl Marx ist heute relevanter denn je. Als der BBC seine Leser und Zuhörer nach den Denkern des Jahrhunderts befragte, lag Marx vor Einstein und Newton“, schreibt Francis Wheen in seiner Marx-Biographie, welche zur Jahrhundertwende erschien.

von Per Olson

Es waren Karl Marx und Friedrich Engels, sein lebenslanger Mitdenker und -kämpfer, welche die Grundlage für den modernen wissenschaftlichen Sozialismus gelegt haben. Marx’ Leben und Handlungen stellte dieser in den Dienst der internationalen Arbeiterklasse – seine Ideen sind richtungsweisend für die Praxis und das Organisieren.

Karl Marx wurde am 5. Mai 1818 in Trier in Deutschland geboren. Sein Vater war zum Christentum konvertiert, obwohl er jüdische Wurzeln hatte. Schon früh konnte Marx’ Vater, einen “Dämon” in seinem Sohn beobachten. Während seines Studiums an der Bonner Universität verlobte er sich mit einer alten Freundin aus Kinderjahren: Jenny von Westphalen. Wie der Name impliziert, kam ihre Familie aus der Adelsschicht. Sie verlobten sich 1836. Marx’ Vater glaubte, dass Jenny sich eine “gefährliche und unbeständige Zukunft” aufbürdete. Nach ein paar Jahren heirateten beide und die darauffolgenden Jahre wurden in der Tat gefährlich und unbeständig.

Im selben Jahr (1836) ging Marx an die Universität in Berlin. Die Zeit dort sollte eine bedeutende Rolle in seiner intellektuellen Entwicklung spielen. In Berlin traf er auf die Schüler des Philosophen Hegel – die sogenannten Junghegelianer. Alle die Marx lesen, werden früher oder später über eine Referenz zu “Hegels Dialektik” stolpern. Hegel (1770-1831) war ein politisch konservativer Professor. Seine philosophische Arbeit jedoch beinhaltete einen extrem wichtigen Schlüssel, mit dem die Realität wirklich verstanden und betrachtet werden konnte.

Dialektik

Im Gegensatz zu anderen Philosophen studierte Hegel soziale Entwicklungen nicht in einer mechanischen bzw. rein statischen Weise. Hegel studierte die Dinge, Geschichte, Recht oder Staaten so wie sie waren und nicht als das, als was sie erschienen. Er beschäftigte sich mit Prozessen – Bewegungen. Dialektik bedeutet, verschiedene Phänomene in ihrer Entwicklung und – in der Folge – in ihrem Zusammenwirken zu untersuchen. Hegels Beitrag bestand darin, zum ersten Mal die Entwicklung der Natur, der Geschichte und des Wissens als einen Prozess darzustellen – als einen Zustand beständigen Wandels, voll Veränderung und Entwicklung. Entwicklungen schreiten von einem geringeren zu einem höheren Level voran; jedoch nicht in einer geradlinigen Art und Weise. Die jeder Bewegung innewohnenden Widersprüche machen die Entwicklung selbst widersprüchlich. Quantitative Änderungen wandeln sich in Änderungen der Qualität.

Die Dialektik war das revolutionäre Geschenk, welches die klassische, deutsche Philosophie der Zukunft überreichte. Doch so sehr Hegels Denken einerseits bahnbrechend war, so wurde es andererseits durch seinen Idealismus eingeschränkt. Idealismus – im philosophischen Sinne – heißt daran zu glauben, dass Materie und Geschichte unter dem Einfluss einer höheren Macht stehen: “Geist”, “Gott”, etc. Materialismus hingegen basiert auf der Idee, dass die Natur das einzig reale Ding sei, dass der Mensch das Produkt der Natur und dass die “höhere Macht” das eingebildete Produkt des menschlichen Gehirns ist.

Hegel glaubte, dass die Entwicklung der Geschichte und der Materie die Entwicklung des absoluten Geistes widerspiegelte – was lediglich eine anderer Name für Gott oder den “Weltgeist” war. Hegel stellte zwar die Frage, doch konnte sie selbst nicht vollständig beantworten. Marx war derjenige, der schlussendlich die Dialektik mit dem Materialismus vereinte.

Laut Marx ist Dialektik „[die] Wissenschaft von den allgemeinen Gesetzen der Bewegung, sowohl der äußern Welt wie des menschlichen Denkens“. Durch die Vereinigung von Dialektik und Materialismus wurde es möglich, jene Prozesse und Kräfte freizulegen, die den komplexen und scheinbar widersprüchlichen Entwicklungen innewohnen, die die menschliche Geschichte charakterisierten.

Die Natur und die verschiedenen Errungenschaften der Naturwissenschaften – von Darwins Evolutionstheorie bis zur Entdeckung der Radioaktivität – sind eindrucksvolle Beweise für die Richtigkeit der Dialektik. Alles ist beständig im Fluss. Um Ursache und Wirkung zu verstehen, müssen wir die Dinge in ihrer Bewegung betrachten, anstatt sie als fixiert und unveränderlich anzusehen. Letzteres wird auch Metaphysik genannt und ist das direkte Gegenteil der Dialektik.

„Die Natur macht keine Sprünge“, so Darwin. Der letzte Stand der Wissenschaft konnte seine These nicht bestätigen – nicht einmal auf seinem eigenen Forschungsfeld: der Entstehung der Arten. Neue Erkenntnisse in diesem Bereich zeigen, dass die Entwicklung der Spezies von „Gleichgewicht und schnellen Sprüngen“ charakterisiert ist. Graduelle Entwicklungen werden von schnellen Sprüngen unterbrochen, welche neue Spezies entstehen lassen. In der Arena der Geschichte bedeutet dies, dass bestehende gesellschaftliche System neuen durch soziale Revolutionen weichen. Diese sind wiederum durch „Brüche in der Kontinuität“ begründet, wie zum Beispiel Krisen, Revolution, Krieg und Katastrophen.

In seinem heute bekannten Vorwort zum Buch „Zur Kritik der politischen Ökonomie“ sagt Marx, dass seine 1844 begonnenen Studien ergaben, „dass Rechtsverhältnisse wie Staatsformen weder aus sich selbst zu begreifen sind noch aus der sogenannten allgemeinen Entwicklung des menschlichen Geistes, sondern vielmehr in den materiellen Lebensverhältnissen wurzeln, deren Gesamtheit Hegel […] unter dem Namen „bürgerliche Gesellschaft“ zusammenfasst, dass aber die Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft in der politischen Ökonomie zu suchen sei.“

Weiter schreibt Marx im selben Vorwort, dass sein Ergebnis folgendermaßen zusammgengefasst werden kann:

„In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozess überhaupt. Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt. Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein.”

In unserem Bestreben die Natur zu zähmen und die Ressourcen, welche die Natur bereitstellt, auszubeuten, hat die Menschheit die Produktivkräfte (das gesamte Produktionspotenzial der Gesellschaft) beständig weiterentwickelt. Doch wo die Menschen beginnen die Natur zu verändern, verändert sich auch ihr Bewusstsein.

„Die Moral, Religion, Metaphysik und sonstige Ideologie und die ihnen entsprechenden Bewusstseinsformen behalten hiermit nicht länger den Schein der Selbständigkeit. Sie haben keine Geschichte, sie haben keine Entwicklung, sondern die ihre materielle Produktion und ihren materiellen Verkehr entwickelnden Menschen ändern mit dieser ihrer Wirklichkeit auch ihr Denken und die Produkte ihres Denkens. Nicht das Bewusstsein bestimmt das Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewusstsein.”

Klassenkampf

Marx’ Untersuchung der Französischen Revolution von 1789 führte ihn zur wichtigen Erkenntnis, dass der Klassenkampf die treibende Kraft der Geschichte ist:

„Was mich nun betrifft, so gebührt mir nicht das Verdienst, weder die Existenz der Klassen in der modernen Gesellschaft noch ihren Kampf unter sich entdeckt zu haben. Bürgerliche Geschichtschreiber hatten längst vor mir die historische Entwicklung dieses Kampfes der Klassen, und bürgerliche Ökonomen die ökonomische Anatomie derselben dargestellt.”

Marx lebte natürlich nicht im Vakuum. Seine Analysen basierten auf dem damaligen Wissen und Erkenntnissen.

Im Kommunistischen Manifest schreiben Marx und Engels:

„Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft („der schriftlich überlieferten Geschichte“, wie Engels später in einer Fußnote einfügen wird) ist die Geschichte von Klassenkämpfen.

Freier und Sklave, Patrizier und Plebejer, Baron und Leibeigener, Zunftbürger und Gesell, kurz, Unterdrücker und Unterdrückte standen in stetem Gegensatz zueinander, führten einen ununterbrochenen, bald versteckten, bald offenen Kampf, einen Kampf, der jedesmal mit einer revolutionären Umgestaltung der ganzen Gesellschaft endete oder mit dem gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen.“

Als die Bourgeoisie (die Kapitalistenklasse) den Widerstand des Adels niederschlug – wie in Frankreich nach 1789 – war der Weg frei für den Aufstieg des Kapitalismus. In England war das Bürgertum früher siegreich – nämlich im Bürgerkrieg, welcher zwischen 1642 und 1651 stattfand. Dies erlaubte England zum Ursprungsland der kapitalistischen Gesellschaft zu werden. Als die Produktivkräfte nicht länger unter dem Feudalismus entwickelt werden konnten, mussten die Fesseln des Feudalismus gesprengt werden, um einer neuen Produktionsweise Platz zu schaffen – der kapitalistischen.

Die relative Beziehung der Klassen in einer Gesellschaft werden durch deren Beziehung zur Produktion bestimmt. Im Kapitalismus spaltet sich die Gesellschaft in zwei Hauptklassen: die Arbeiterschaft und die Kapitalisten, welche die Arbeitskraft der erstgenannten kaufen und ihnen erlauben, für sie zu arbeiten. Auf diese Weise eignen sie sich den Mehrwert an, den nur die ArbeiterInnen erschaffen. In einer kapitalistischen Gesellschaft befinden sich die Produktionsmittel im Privatbesitz und die Besitzer (Kapitalisten) kontrollieren den Reichtum der Gesellschaft. Trotz der heutigen Globalisierung ist der Nationalstaat eine wichtige soziale Grundlage. Privateigentum und Nationalstaat setzen der Entwicklung des Kapitalismus stetig Hindernisse entgegen.

Nachdem Marx erfolgreich die angeblich unergründlichen Kräfte der Geschichte freilegte, widmete er sich dem Studium der modernen kapitalistischen Gesellschaft. Mitte der 1840er Jahre traf Marx auf die KommunistInnen seiner Zeit sowie auf Arbeiterzirkel, kleine Gruppen organisierter ArbeiterInnen, in Paris. Das geschah nach seiner Ausweisung aus Deutschland, wo er in Opposition zum leblosen Leichnam der preußischen Bürokratie stand.

Ein Jahr vor seiner Ausweisung im Jahr 1845 begann Marx seine lebenslange Zusammenarbeit mit Friedrich Engels, welcher aus der rheinischen Provinz stammte. Marx war damals 26 Jahre alt; Engels zwei Jahre jünger. Die Arbeiten von Engels und Marx müssen als Einheit verstanden werden. Sie arbeiteten stets zusammen, ob sie nun Bücher einzeln oder zusammen veröffentlichten.

Bund der Kommunisten

1847 traten Marx und Engels dem Bund der Gerechten bei, nachdem sie die Mehrheit dessen Mitglieder davon überzeugten, ihre konspirativen Ideen abzulegen. Der Bund änderte bald seinen Namen in Bund der Kommunisten. Marx arbeitete zu jener Zeit in Brüssel, von wo aus er auf Wunsch der preußischen Behörden ausgewiesen wurde. Engels verblieb in Paris und sicherte, dass er die Mitglieder des Bundes “für ihre Sache” wie er es nannte, gewinne.

Marx wandte sich scharf gegen den Utopismus, indem er sagte, daß sich der Sozialismus nicht ohne Revolution ausführen lasse, aber er wandte sich nicht minder scharf gegen den Blanquismus, indem er ausführte, daß der politische Verstand den sozialen Instinkt betrüge, wenn er durch kleine nutzlose Putsche vorwärts zu kommen suche.” (aus Franz Mehrings Karl Marx – Geschichte seines Lebens)

Utopismus und konspiratives Denken unter SozialistInnen von damals, welche eigentlich besser radikale Reformisten genannt werden müssten, war ein Ergebnis der damaligen Schwäche der Arbeiterklasse und der schwachen Entwicklung der Industrie. Marx und Engels erkannten die Beiträge der Utopisten an – viele von ihnen waren ehrliche Männer. Doch die Ära der modernen Großindustrie, welche eine einzige revolutionäre Klasse – die Arbeiterklasse – schuf, verlangte von der Arbeiterbewegung den Utopismus zu überwinden. Dazu gehörte auch die Idee, dass die Machtergreifung durch einen Putsch einer elitären Gruppe möglich sei, was zum Beispiel Auguste Blanqui (1805-1881) versprach. In Abwesenheit einer organisierten Arbeiterbewegung, ohne Gewerkschaften und Parteien, blieben Blanqui und seine Anhänger eine elitäre Gruppe, welche Putschversuche planten und teils durchführten, welche aber unweigerlich zum Scheitern verurteilt waren.

Der Bund der Kommunisten war eine kleine internationale Propagandagruppe. Er hatte Mitglieder in Frankreich, Belgien, England und Einzelpersonen in Deutschland. Der Bund organisierte sich auf Grundlage der Prinzipien des demokratischen Zentralismus.

Im November 1847 hielt der Bund seinen zweiten Kongress ab, nachdem der erste bereits im Frühling stattfand. Auf diesem Kongress wurde Marx und Engels die Aufgabe übertragen, ein Manifest zu entwerfen. Später wurde dieses Manifest veröffentlicht und als Kommunistisches Manifest bekannt.

1848

Die Krise der Weltwirtschaft 1847 führte zu einer tiefen sozialen und politischen Krise in ganz Europa im Jahr 1848. Zur etwa selben Zeit, da das Kommunistische Manifest erschien, wurde die französische konstitutionelle Monarchie durch die revoltierenden Pariser Massen gestürzt. Doch dann, wie immer, riskierte eine kleine Gruppe durch bedeutende Ereignisse überflügelt zuwerden. Die Revolutionen von 1848 überragten den Bund der Kommunisten. Als Einzelpersonen spielten Bundes-Mitglieder aber eine bedeutende Rolle; so auch Marx und Engels, welche auf deutschen Boden zurückkehren konnten.

Die Revolution von 1848 war die erste Revolution, an der sich ArbeiterInnen beteiligten. Während das Groß- und Kleinbürgertum zwar sagte, dass sie für Demokratie und Gerechtigkeit kämpften, sollten die Ereignisse jedoch zeigen, dass diese Klassen die ArbeiterInnen mehr noch als die Herrschenden fürchteten.

In Deutschland war die Revolution ihrem Charakter nach eine bürgerliche. Ihr oberstes Ziel war es, die deutschen Staaten zu vereinen, die Fesseln des Feudalismus zu sprengen und die Macht der Großgrundbesitzer zu brechen. Die deutsche Bourgeoisie traute sich nicht, die gestellten Aufgaben konsequent zu lösen. Stattdessen kehrte sie den unterdrückten Massen den Rücken zu, als diese durch die preußischen Truppen niedergeschlagen wurden.

Zwei Jahre nach den Revolutionen von 1848 schrieb Marx, dass die liberale Bourgeoisie eine “verräterische Rolle” in der Revolution gespielt hatte. Gleichzeitig erklärte er, dass die KommunistInnen nicht ein mal die radikalsten Vertreter der Bourgeoisie, das “demokratische Kleinbürgertum”, mehr unterstützen könnten.

Im selben Dokument erklärt Marx, dass das Proletariat sich selbst unabhängig organisieren muss und dass es „unser Interesse und unsere Aufgabe [ist], die Revolution permanent zu machen, so lange, bis alle mehr oder weniger besitzenden Klassen von der Herrschaft verdrängt sind, die Staatsgewalt vom Proletariat erobert [ist] […] Es kann sich für uns nicht um Veränderung des Privateigentums handeln, sondern nur um seine Vernichtung, nicht um Vertuschung der Klassengegensätze, sondern um Aufhebung der Klassen, nicht um Verbesserung der bestehenden Gesellschaft, sondern um Gründung einer neuen.”

In Deutschland siegte die Konterrevolution. 1849 befand sich das Land erneut unter der eisernen Fuchtel Preußens. Marx wurde erneut ausgewiesen und dieses mal endgültig. Nach einem kurzen Besuch in Paris zog er nach London. Dort blieb er bis zu seinem Tod.

Der Sieg der Konterrevolution markierte den Anfang vom Ende des Bundes der Kommunisten. Viele der Bundes-Mitglieder kehrten zu konspirativen Ideen zurück und weigerten sich zu erkennen, dass die revolutionäre Welle abebbte. Der Bund wurde 1852 aufgelöst. Marx und seine Familie litten in London unter ihrer Armut. Sein Einkommen war gering. Marx schrieb regelmäßig für verschiedene Zeitungen, doch waren die Honorare niedrig und unregelmäßig. Engels, welcher ebenfalls in England – allerdings in Manchester – lebte, steuerte fortwährend zu seinem Lebensunterhalt bei. Engels war gezwungen für das Unternehmen seines Vaters zu arbeiten, um Marx die Möglichkeit zu geben, seine Arbeit fortzuführen, was ein großes Opfer darstellte.

Alles das (Engels’ finanzielle Unterstützung; Anm.d.A) erscheint aber doch nur geringfügig gegenüber dem größten Opfer, das Engels gebracht hat: dem Verzicht auf das Maß wissenschaftlicher Leistung, das ihm nach seiner unvergleichlichen Arbeitskraft und seinen reichen Fähigkeiten beschieden gewesen wäre.”, bemerkt Franz Mehring in seiner Marx-Biographie.

Das Kapital

Bereits im April 1851 ließ Marx Engels wissen, dass es schon bald fertig wäre “mit der ganzen Wirtschaftsscheiße”. Warum jedoch bis 1858/59 – als Zur Kritik der politischen Ökonomie erschien – keine Arbeit zur Ökonomie veröffentlicht wurde, wird im Vorwort von Marx erklärt:

“Das ungeheure Material für Geschichte der politischen Ökonomie, das im British Museum aufgehäuft ist, der günstige Standpunkt, den London für die Beobachtung der bürgerlichen Gesellschaft gewährt, endlich das neue Entwicklungsstadium, worin letztere mit der Entdeckung des kalifornischen und australischen Goldes einzutreten schien, bestimmten mich, ganz von vorn wieder anzufangen und mich durch das neue Material kritisch durchzuarbeiten.”

Zur Kritik der politischen Ökonomie war zum großen Teil eine vorläufige Studie in Vorbereitung auf den ersten Band des Kapital. Marx sah nie den Druck des zweiten und dritten Band, da sie erst nach seinem Tod veröffentlicht wurden. Es war Engels, der die Veröffentlichung von Band 2 und Band 3 möglich machte. Die Theorien über den Mehrwert, teils auch als vierter Band des Kapitals bekannt, wurden erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Engels‘ Tod veröffentlicht.

Am 16. August 1867 erhielt Marx den ersten Probedruck des ersten Bandes des Kapital. Marx‘ Ziel mit dem ersten Band war die Erklärung des Kerngehalts der kapitalistischen Ökonomie. Marx erklärt im „Kapital“ dass, der „Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, als eine ‚ungeheure Warensammlung‘ [erscheint], die einzelne Ware als seine Elementarform. Unsere Untersuchung beginnt daher mit der Analyse der Ware.“

Eine Ware muss ein Bedürfnis befriedigen können, man muss es gebrauchen können. Das nannte Marx Gebrauchswert. Um es jedoch auf dem Markt anbieten und mit anderen Gütern tauschen zu können, braucht es auch einen Tauschwert (den eigentlichen Wert). Was bestimmt dann den Wert einer Ware? Warum sind manche Waren mehr wert als andere? Marx gab – auf Grundlage der Schlussfolgerungen der bürgerlichen Ökonomen – folgende Antwort: Es war die durchschnittliche gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit. Wenn man zum nächstgelegenen Geschäft geht, kann man sehen, dass der mit modernen Maschinen produzierte Gegenstand wesentlich billiger ist als der handgefertigte. Zusätzlich gilt: Wenn neue Technologien bekannt werden und die Massenproduktion dominiert, werden die Preise weiter gedrückt, da weniger Arbeit zu Herstellung des Gegenstands notwendig wird.

Der Preis einer Ware ist grob gesagt der Wert eines Gegenstands ausgedrückt in Geld. Daraus folgt, dass je weniger Wert ein Produkt besitzt, umso günstiger es ist und umgekehrt. Das sagt uns jedoch noch nicht, woher der Profit kommt. Langfristig würde niemand Geld hinzuverdienen, wenn ein Gegenstand zu einem höheren Preis als sein Wert beträgt verkauft wird. Ein individueller Kapitalist könnte einen anderen über den Tisch ziehen. Er gewinnt als einzelner Verkäufer, aber verliert wiederum in der Konsequenz im nächsten Schritt als Käufer und niemand hat etwas verdient.

Es gibt jedoch ein Produkt, welches sowohl selbst Ware ist als auch neuen Wert schaffen kann: die Arbeitskraft.

Geld (G) wird im Kapitalismus nach folgender Formel in Kapital umgewandelt: G-W-G’ – wobei G’ größer als G ist. Kapitalisten betreiben keine Wohltätigkeitseinrichtungen. Der Kapitalist kauft Arbeitskraft (W) auf dem Arbeitsmarkt, was in der Folge zu zusätzlichem Mehrwert führt. Wie kann das sein?

„Was ist der Wert der Arbeitskraft? Nach dem bekannten Gesetz: der Wert derjenigen Lebensmittel, welche notwendig sind, den Arbeiter in der in einem gegebenen Lande und einer gegebnen Epoche historisch festgestellten Weise zu erhalten und fortzupflanzen. Wir nehmen an, der Arbeiter bekommt seine Arbeitskraft zu ihrem vollen Wert bezahlt. Wir nehmen ferner an, dieser Wert repräsentiere sich in einer Arbeit von sechs Stunden täglich oder einem halben Arbeitstage. Der Kapitalist aber behauptet, die Arbeitskraft für einen ganzen Arbeitstag gekauft zu haben, und lässt den Arbeiter zwölf oder mehr Stunden arbeiten. Er hat also bei zwölfstündiger Arbeit das Produkt von sechs Arbeitsstunden erworben, ohne es bezahlt zu haben. Daraus folgert Marx: Aller Mehrwert – wie er sich auch verteile, als Gewinn des Kapitalisten, Grundrente, Steuer etc. – ist unbezahlte Arbeit.”

Das schrieb Engels in einer seiner Rezensionen, die das Kapital bekannter machen sollten.

Die Erzeugung von Mehrwert ist das unmittelbare Ziel des Kapitalisten. Wir würden heutzutage sagen: Kapitalismus ist ein auf Profit basierendes System.

Weltmarkt und Nationalstaat

Obwohl der Kapitalismus die Weltwirtschaften vereint und den Weltmarkt geschaffen hat, erstickt die Produktion an den existierenden nationalen Grenzen. Trotzdem die Produktion gesellschaftlich funktioniert (jede Ware ist das Produkt verschiedener Leute Arbeit), wird die Arbeit nicht für die Gesellschaft als Ganzes sondern für einen oder wenige Kapitalisten verrichtet. Die Kapitalisten bieten die Güter dann auf dem Markt an, welcher für sie eine so gut wie unsichtbare, unbekannte Kraft darstellt.

Die Entwicklung der Produktivkräfte gerät so regelmäßig in Konflikt mit dem Privatbesitz an den Produktionsmitteln und den Beschränkungen des Nationalstaats. Kriege und Krisen sind das Ergebnis – Phänomene, die den Kapitalismus seit seiner Geburt begleiten.

In seinem Buch Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft, besser bekannt als Anti-Dühring, welches Engels in Zusammenarbeit mit Marx schrieb, verfasste Engels unter anderem einen Abschnitt, in dem er die Entwicklung kapitalistischer Krisen charakterisierte:

„Die enorme Ausdehnungskraft der großen Industrie […] tritt uns jetzt vor die Augen als ein qualitatives und quantitatives Ausdehnungsbedürfnis, das jedes Gegendrucks spottet. Der Gegendruck wird gebildet durch die Konsumtion, den Absatz, die Märkte für die Produkte der großen Industrie. Aber die Ausdehnungsfähigkeit der Märkte, extensive wie intensive, wird beherrscht zunächst durch ganz andre, weit weniger energisch wirkende Gesetze. Die Ausdehnung der Märkte kann nicht Schritt halten mit der Ausdehnung der Produktion. Die Kollision wird unvermeidlich, und da sie keine Lösung erzeugen kann, solange sie nicht die kapitalistische Produktionsweise selbst sprengt, wird sie periodisch.”

Die Krisen des Kapitalismus drücken sich in Überproduktion und Überkapazitäten aus, was schließlich das massenhafte Vernichten von Produktivkräften nach sich zieht. Das wiederum bedeutet Armut und Massenarbeitslosigkeit – inmitten des Überflusses. Heute verschwinden Millionen an Jobs und die weltweite Arbeitslosigkeit ist höher als je zuvor: Mehr als 205 Millionen Menschen haben keine Arbeit und die Hälfte der Arbeitenden arbeiten unter unsicheren, extrem schlecht bezahlten Verhältnissen. Hinzu kommt eine sich verschlimmernde Klima- und Umweltkatastrophe. Kürzlich erst warnte zum Beispiel die Weltbank, dass die Welt – also der Kapitalismus und die herrschende Klasse – einen katastrophalen Weg in Richtung globaler Erderwärmung von drei bis vier Grad Celsius eingeschlagen haben.

Der Kapitalismus ist nicht länger in der Lage die Produktivkräfte zu entwickeln, was nicht zuletzt in der heutigen weltweiten sozialen, wirtschaftlichen und politischen Krise zu erkennen ist. Dieses System steckt in der Sackgasse und die Entwicklung geht in die falsche Richtung. Die Zeit ist mehr als reif für Sozialismus und eine demokratisch geplante Wirtschaft auf Weltebene.

Marx als Praktiker

Es war nicht nur die Arbeit am Kapital die Marx in den 1850ern und 60ern beschäftigte. Er hielt auch mit vielen ArbeiterführerInnen in England Kontakt und schrieb regelmäßig für deren Zeitungen.

Leider musste Marx ebenfalls jede Menge Anstrengungen darauf verwenden, auf die böswilligen Gerüchte, schändlichen Angriffe und Kampagnen zu antworten, die in Exilkreisen so oft nach einer Niederlage um sich greifen. Einmal wurde er sogar beschuldigt, der Anführer einer Bande von Wucherern zu sein. Gleichzeitig kämpfte er gegen seinen sich verschlechternden Gesundheitszustand und konstante Armut an.

Der Kapitalismus breitete sich auf der ganzen Welt aus. Neuen Antrieb bekam das System durch die Goldfunde in Kalifornien und Australien. Der Welthandel wuchs wie nie zuvor. Die Organisierung der Arbeiterklasse erschien gegen Ende der 1850er wieder auf der Tagesordnung. Der Kapitalismus war international und so musste auch eine internationale Organisation geschaffen werden.

Marx war immer bereit, alles beiseite zu legen, wenn er etwas direkt zur Organisierung der Arbeiterklasse beitragen konnte.

Auf einem Treffen in London im Jahr 1863 wurde ein Komitee gegründet, welches die Aufgabe hatte, Statuten für eine neue internationale Assoziation zu entwerfen. Ein Kongress sollte provisorisch im nächsten Jahr stattfinden. Das Komitee bestand aus Vertretern englischer Gewerkschaften, sozialistischer Gruppen (Marx vertrat die deutschen Sozialisten) und Utopisten verschiedenster Prägung.

1864 wurde die Internationale Arbeiterassoziation gegründet. Marx schrieb das Programm, welches einstimmig angenommen wurde. Dieses Programm umfasste eine Zusammenfassung und Verallgemeinerung der Ereignisse, die zwischen 1848 und 1864 stattfanden sowie eine Perspektive auf zukünftige Entwicklungen. Es endete mit den Worten: “Arbeiter aller Länder, vereinigt euch!”

Marx formulierte auch die Provisorischen Statuten der Assoziation, welche angenommen wurden. Diese besagten, dass „die Emanzipation der Arbeiterklasse durch die Arbeiterklasse selbst erobert werden muss”. Weiter: “Die Emanzipation der Arbeiterklasse [ist] weder eine lokale, noch eine nationale, sondern eine soziale Aufgabe ist, welche alle Länder umfasst, in denen die moderne Gesellschaft besteht, und deren Lösung vom praktischen und theoretischen Zusammenwirken der fortgeschrittensten Länder abhängt”.

Marx und Engels haben die existierenden Beziehungen innerhalb der Ersten Internationale (unter welchem die Assoziation bekannt ist) nie beschönigt. Bereits im Programm war Marx gezwungen Kompromisse einzugehen. Es gab viele verschiedene politische Ansichten und das politische Bewusstsein unter den angeschlossenen Organisationen variierte. Jedoch war die Bewegung ein wirklicher Schritt vorwärts – sie basierte auf der Arbeiterklasse, was ein entscheidendes Kriterium für Marx war.

Er schrieb auch an Engels, dass er an der Arbeit teilnahm weil, „ich weiß, dass dieses Mal ‘Leute, die wirklich zählen’, teilnehmen”.

Marx verstand jedoch, dass es Zeit und neue Kampferfahrungen brauchte, bevor die Internationale vollständig für den revolutionären Sozialismus gewonnen werden konnte. Marx hielt es bezüglich der “alten Kühnheit der Sprache” für notwendig, heute “fest in der Tat, aber milde im Umgang” zu sein.

Marx, der Mitglied des führenden Gremiums (des Generalrats) war, arbeitete vehement daran, die Mitglieder der Internationale von der Notwendigkeit einer unabhängigen politischen Organisation zu überzeugen. Genauso wichtig war die Beteiligung an Kämpfen von ArbeiterInnen und die Stärkung der Gewerkschaften. Durch die Aktivität in den Gewerkschaften würden die ArbeiterInnen die Schlussfolgerung ziehen, dass politischer Kampf und Organisierung genauso zum Sturz des Kapitalismus nötig waren.

Auf dem zweiten Kongress 1867 konnten keine unmittelbaren Erfolge verkündet werden, außer in Belgien und der Schweiz. Jedoch konnten Marx und Engels eine Resolution durchbringen, die aus ihrer Sicht wichtig war. Der Kongress beschloss, dass die soziale Befreiung der Arbeiterklasse untrennbar von der politischen Aktion war.

Zu jener Zeit war die Internationale bereits bekannt. Die bürgerliche Presse hielt sie für schlimmer als die Pest.

Auf dem Kongress 1871 konnte Marx Unterstützung für die Notwendigkeit, dass sich ArbeiterInnen politisch organisieren, gewinnen. Der Kongress entschied folgende Zeilen in die Statuten mitaufzunehmen: “In Erwägung […] dass die Arbeiterklasse gegen diese Gesamtgewalt der besitzenden Klassen nur als Klasse handeln kann, indem sie sich selbst als besondere politische Partei konstituiert, […] dass diese Konstituierung der Arbeiterklasse als politische Partei unerlässlich ist für den Triumph der sozialen Revolution”.

Der Aufbau von Massenarbeiterparteien war die logische Konsequenz aus der Marxschen These, dass “alle Klassenkämpfe politische Kämpfe” sind.

Pariser Kommune

Der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71 endete im September mit dem Niedergang des französischen Kaiserreiches. Man einigte sich auf Friedensbedingungen und Frankreich wurde gezwungen, Elsass-Lothringen aufzugeben und bedeutende Reparationszahlungen zu leisten.

In Frankreich folgte dem Krieg die Revolution. Am 26. März 1871 übernahmen die bewaffneten Massen der französischen Hauptstadt die Macht – die Pariser Kommune war geboren. Marx warnte zu der Zeit, dass die Zeit für einen bewaffneten Aufstand noch nicht reif war. Die ArbeiterInnen sollten sich nicht provozieren lassen und in die selbe Falle tappen, in der ihre Revolte im Juni 1848 schon zerschlagen wurde. Doch als sich die Kommune erst erhoben hatte – und sie erhob sich spontan, ohne irgendeinen Plan – war er der erste, der die Unterstützung der Internationale mobilisierte.

Die herrschende Klasse Frankreichs begann – in Absprache mit Bismarck, welcher über 100.000 Kriegsgefangene freiließ, um der französischen Bourgeoisie den Aufbau einer neuen Armee möglich zu machen – umgehend damit, ihre Rache an der Kommune vorzubereiten.

Das Geheimnis der Kommune war folgendes: “Sie war wesentlich eine Regierung der Arbeiterklasse, das Resultat des Kampfs der hervorbringenden gegen die aneignende Klasse, die endlich entdeckte politische Form, unter der die ökonomische Befreiung der Arbeit sich vollziehen konnte.”

Die Kommune löste das stehende Heer auf und ersetzte es durch das bewaffnete Volk. Alle FührerInnen sollten jederzeitiger Wähl- und Abwählbarkeit unterworfen sein. Sie alle sollten ungefähr so viel verdienen, wie es ein Arbeiter tat. Die Kommune sollte sowohl gesetzgebende als auch ausführende Macht sein. Durch diese Maßnahmen baute die Kommune an den Säulen einer Staatsmacht und wirklichen Demokratie (also Herrschaft des Volkes), welche Marx und Engels “Diktatur des Proletariats” nannten – eine sozialistische Demokratie.

Für einige Monate konnten sich die KommunardInnen an der Macht halten. Schließlich wurden sie jedoch Opfer einer brutalen Terrorkampagne und massenhaft abgeschlachtet. 30.000 wurden ermordet und 45.000 verhaftet.

Staat

Nach der Pariser Kommune bekräftigten Marx und Engels ihre Position, dass der kapitalistische Staat nicht in den Dienst des Sozialismus gestellt werden konnte. Sie schrieben: „Namentlich hat die Kommune den Beweis geliefert, daß ‘die Arbeiterklasse nicht die fertige Staatsmaschine einfach in Besitz nehmen und sie für ihre eigenen Zwecke in Bewegung setzen kann’”.

Der kapitalistische Staat, dessen Rückgrat die Armee, die Polizei und die Vielzahl bürokratischer Strukturen bildet, ist ein Produkt des Kapitalismus und muss “zerschlagen” werden, um einem neuen Staat – einem Arbeiterstaat – zu weichen. Dieser kann dann beginnen, abzusterben.

Nach der Niederlage der Pariser Kommune zerfiel die Erste Internationale. Marx’ und Engels’ politische und organisatorische Arbeit legte allerdings die Grundlage für das Entstehen neuer Arbeiterparteien in Deutschland, der Schweiz, Dänemark, Portugal, Italien, Belgien und den Niederlanden.

Bereits 1878 sagte Marx in einem Artikel, dass das Wachstum dieser Parteien zeigt, dass sich „die Internationale – weit davon entfernt auszusterben – von einer Stufe zu einer neuen, höheren entwickelt hat.”

Dank Marx und Engels konnte eine neue sozialistische internationale Arbeiterorganisation (die Zweite Internationale), welche aus Massenparteien bestand, im Jahr 1889 gegründet werden.

Marx und Engels strebten nach höchster Klarheit in Programm und Methoden. Ihre Polemiken waren messerscharf auch gegen jene, die ihre Ideen teilten. Ein vollständiges Verständnis der Theorie ist aber eine Voraussetzung für erfolgreiche Praxis.

Bereits Ende der 1870er Jahre, warnten die beiden die deutsche Partei vor den Gefahren, wenn sie zu viel Wert auf die parlamentarische Arbeit legten und zu viele “nicht proletarische Elemente” in die Partei ließen.

Marx und Engels wussten, was passiert, wenn Personen aus höheren Schichten der Gesellschaft die Partei dominierten, die nicht wie sie selbst bereit waren mit ihrem Klassenhintergrund zu brechen. Die Politik und die Methoden feindlicher Klassen würde sich in der Partei einschleichen. Das wiederum würde sich in einem bürokratischen Apparat und einer einseitigen Fokussierung auf den Parlamentarismus ausdrücken. Das ist die Erklärung für Revisionismus und Reformismus, welcher schon zum Jahrhundertwechsel in der deutschen Sozialdemokratie zu spüren war. Der Revisionismus der marxschen Ideen erklärte den Klassenkampf für überholt und dass der Kapitalismus seine Krisen überwunden hat. Der Sozialismus könne durch das Parlament Stück für Stück eingeführt werden.

Die politische Degeneration der deutschen Partei führte schließlich zum Zusammenbruch der Zweiten Internationale und der Sozialdemokratie, als der Erste Weltkrieg 1914 ausbrach. Es wurde notwendig, eine neue Internationale aufzubauen – die Kommunistische Internationale – welche nach der russischen Oktoberrevolution von 1917 gegründet wurde. Doch diese Internationale fiel der politischen Konterrevolution des Stalinismus zum Opfer und war unfähig, Hitler und den Ausbruch eines neuen Weltkrieges aufzuhalten.

Neue Lage

Nach dem Zusammenbruch des Stalinismus in Osteuropa und der Sowjetunion (1989-91) hatte der Stalinismus überhaupt nichts mehr mit Sozialismus oder Marxismus gemein. Die Verbürgerlichung der alten Arbeiterparteien bedeutete, dass der Wiederaufbau der Arbeiterbewegung auf sozialistischer Grundlage notwendig wurde. Das ist eine Aufgabe, die nicht erfüllt werden kann, wenn man nicht aus Marx’ Leben und Handeln lernt.

Wieder einmal stehen wir vor einer Situation, in der nur der Marxismus den Weg in eine Zukunft weisen kann, für die es sich zu kämpfen lohnt – den Sozialismus. Selbst einige bürgerliche Autoren und Kommentatoren berufen sich auf Marx. Jedoch nur auf den “Ökonomen” Marx und seine Analyse des Kapitalismus und der Krisen. Sie berufen sich natürlich nicht auf seine politischen Schlussfolgerungen, die aus Marx’ Analyse abgeleitet werden, nämlich dass eine sozialistische, gesellschaftliche Umwandlung – eine Revolution – notwendig ist.

Marxismus ist kein Dogma sondern ein Wegweiser für die Praxis und eine Methode, um zu verstehen was wirklich dahinter steckt, wenn etwas passiert.

Marxismus ist die Verallgemeinerung des langen Kampfes der Arbeiterklasse für eine bessere Gesellschaft. Oder wie Marx es nennt: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern.”

Marx opferte seine Gesundheit und schließlich sein Leben für die sozialistische Revolution.

Am 14. März 1883 schloss Marx das letzte Mal seine Augen. Am 17. März wurde er in London begraben. Engels hielt die Grabrede und fasste Marx’ Leben und Handeln zusammen: „Marx war vor allem Revolutionär. Mitzuwirken, in dieser oder jener Weise, am Sturz der kapitalistischen Gesellschaft und der durch sie geschaffenen Staatseinrichtungen, mitzuwirken an der Befreiung des modernen Proletariats, dem er zuerst das Bewusstsein seiner eigenen Lage und seiner Bedürfnisse, das Bewusstsein der Bedingungen seiner Emanzipation gegeben hatte – das war sein wirklicher Lebensberuf. Der Kampf war sein Element.”

Per Olson ist Mitglied der Leitung der Sozialistischen Gerechtigkeitspartei in Schweden und des internationalen Vorstands des Komitees für eine Arbeiterinternationale. Dieser Artikel erschien zuerst in der 103. Ausgabe der marxistischen Zeitung „Offensiv“ im Frühling 1983 anlässlich des hundertsten Todestages von Karl Marx. Die ursprüngliche Version wurde überarbeitet und sprachlich geringfügig verändert.