Durch weniger mehr erreichen?

Zur ver.di-Strukturreform

2017 hat der ver.di-Bundesvorstand ein Papier in Umlauf gebracht, das eine grundlegende Strukturänderung bei ver.di vorsieht. Unter dem Motto „Perspektive: ver.di wächst!“ sollen aus den heute 13 Fachbereichen vier werden.

von Marén Wiese, ver.di-Personalrätin bei der Stadt Rostock*

Mit dem Argument, dass sich die Arbeitswelt in den letzten fast zwanzig Jahren deutlich gewandelt hat, wird nun im Hauruckverfahren in einem Zeitraum von zwei Jahren versucht, eine Strukturveränderung übers Knie zu brechen. Bereits der nächste Bundeskongress soll einen Beschluss fassen.

Neue Aufteilung der Fachbereiche

Der neue Fachbereich A soll Beschäftigte aus den Bereichen Digitalisierung, Medien, Kommunikation, Bildung, Forschung, Wissenschaft und Kultur umfassen. Der Fachbereich soll die großen Teile der öffentlichen Daseinsvorsorge und angrenzender Wirtschaftsbereiche, wie zum Beispiel private Arbeitsvermittlung, Feuerwehr, Luftverkehr und Tourismus, zusammenfassen.

Der Fachbereich C soll Beschäftigte aus dem E-Commerce genauso wie die klassischen Bereiche von Handel und Logistik bis hin zu Postdienstleistungen organisieren. Zuletzt wird es dann den Fachbereich D geben, der den bisherigen Fachbereich 3 umfasst.

Ziel soll es laut dem Papier sein, mit dieser Aufteilung die kollektive Tarifarbeit zu stärken. Dabei werden fünf Kernaufgaben festgelegt: betriebliche und branchenpolitische Schwerpunktsetzung; Erschließung, Aktivierung und Bindung gewerkschaftlicher Strukturen im Betrieb; mitgliederorientierte tarifliche und betriebliche Auseinandersetzung; Nachwuchsförderung. Erwartet wird von der neuen Struktur, dass ver.di dadurch in der Fläche sinnvoll präsent sein wird. Mitglieder in den Betrieben und Dienststellen sollen immer vor Ort einen Ansprechpartner finden. Personal- und Betriebsräte und andere Mitarbeitervertretungen sollen so besser betreut werden können.

Kritik

Der Vorschlag des Bundesvorstandes stößt auf allen Ebenen innerhalb der Gewerkschaft auf mehr oder weniger heftige Kritik. So wird moniert, dass hier eine Top-Down-Entscheidung getroffen werden soll. Die Gründung von ver.di liegt nun über 15 Jahre zurück. Aber es gibt keine Analyse der Ausgangssituation. Der zeitliche Ablauf der Umstrukturierung wird als überhastet gesehen. Außerdem wird gefordert, dass ein Umbau von ver.di zunächst an der Basis ausführlich diskutiert werden sollte und erst danach ein durchdachtes Konzept umgesetzt werden sollte.

Schlechte Erfahrungen wurden ja schon mit der Gründung von ver.di selbst gemacht, wo jahrelange Schwierigkeiten durch die Fusion von Einzelgewerkschaften für viel Unmut und Unzufriedenheit gesorgt hatten. ver.di hat heute 800.000 Mitglieder weniger als zum Zeitpunkt der Gründung.

In der Umstrukturierung sehen KritikerInnen aber auch eine Gefahr für die ehrenamtlichen Strukturen auf Landes- und Bezirksebenen, die jetzt eine wichtige Rolle in der betrieblichen und überbetrieblichen Einbindung von Mitgliedern spielen. Gleichzeitig wird für die Hauptamtlichen eine Arbeitsverdichtung befürchtet, die eine vernünftige Betreuung der ehrenamtlichen Strukturen erschwert.

Für eine kämpferische ver.di

Die Kritik ist berechtigt. Der Bundesvorstand versucht die Mitgliedschaft in ein Struktur-Korsett zu pressen. Eine ausführliche Analyse der Situation wird vermieden, weil damit auch Kritik an der Politik des Bundesvorstandes notwendig wäre. Arbeitskämpfen, wie im Sozial- und Erziehungsbereich oder der Post wurden nicht genügend durch die Gesamtorganisation unterstützt. Auch viele Tarifabschlüsse waren für viele Mitglieder nicht akzeptabel.

Wir können aber auch sehen, dass dort, wo KollegInnen die Initiative ergriffen haben und in die Offensive gegangen sind, eventuell sogar erste Erfolge erstreiten konnten, auch verstärkt Eintritte in die Gewerkschaft stattfinden. Das bedeutet, dass wir innerhalb von ver.di weiter kämpferische Strukturen aufbauen und stärken müssen.

*=Funktionsangabe dient nur zur Kenntlichmachung der Person