Streik beim Roten Kreuz

Angestellten in Radeberg-Pulsnitz wird angemessene Bezahlung verweigert

Als Sekretär der Gewerkschaft Verdi hat Jens Uhlig im Gesundheitswesen schon eine ganze Menge unhaltbarer Zustände gesehen. Die Arbeitsbedingungen beim Rettungsdienst gehören zweifelsohne in diese Kategorie. »Wir sagen, Schluss mit dem Ausschreibungswahnsinn, der geht immer zu Lasten der Beschäftigten«, erklärte er.

von Steve Hollasky

Alle fünf Jahre werden in Sachsen die Rettungsdienste offen ausgeschrieben. Städte und Gemeinden hätten sich stets für den günstigsten Anbieter entschieden, so Uhlig. Der stehe jedoch im Wettkampf mit anderen Mitbewerbern, die es zu unterbieten gelte. Die unweigerliche Folge dieser Praxis ist ein steter Druck auf die Löhne der Beschäftigten. Für die Betreiber bleibt es dennoch ein einträgliches Geschäft.

Zu den Nutznießern dieser Prozedur gehört das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Es betreibt im Freistaat zahlreiche Rettungsstellen, so auch jene in Radeberg-Pulsnitz, deren Beschäftigte für Einsätze in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden zuständig sind.

Bezahlung und Arbeitsbedingungen werden bislang durch einen Tarifvertrag, den das DRK mit dem Deutschen Handlungsgehilfenverband (DHV) ausgehandelt hat, geregelt. Der DHV ist für seine von Kritikern als Gefälligkeitstarifverträge bezeichneten Abkommen mit Unternehmern bekannt. Auffällig sind zudem seine geringen Mitgliedszahlen, die ihm schon häufiger per Gerichtsentscheid die Tariffähigkeit gekostet haben. Im Falle Radeberg-Pulsnitz verfügt der DHV über kein einziges Mitglied in der Rettungsstelle. Dennoch gilt der Tarifvertrag als Grundlage der Entlohnung der Beschäftigten. Diese verdienen monatlich zwischen 300 und 400 Euro weniger als Kollegen in anderen Einrichtungen, die nach dem zwischen Verdi und dem DRK ausgehandelten DRK-Reformtarifvertrag bezahlt werden.

Die Übernahme dieses Tarifvertrags bildet daher auch den Kern der Forderungen der nun Streikenden. Die sind laut Uhlig guter Dinge: »Die Stimmung ist auch am zehnten Streiktag sehr gut. Die Belegschaft steht einhellig hinter dieser Forderung.« Allerdings verweigerten sich die Chefs auch in der dritten Verhandlungsrunde einer Lösung.

Möglich auch, dass sich das DRK einer Regelung deshalb so lange verweigern kann, weil der Rückhalt aus der sächsischen Politik gewaltig scheint: Geert Mackenroth, Mitglied der regierenden CDU und von 2004 bis 2009 sächsischer Minister für Justiz, ist der Vizepräsident des Landesverbandes des DRK. Sein Parteifreund Lars Rohwer, der zugleich als energiepolitischer Sprecher der Christdemokraten im sächsischen Landtag fungiert, ist zudem Vorsitzender des Dresdner DRK. Die CDU ist auch für die verheerende Ausschreibungspraxis im Freistaat verantwortlich.

Im Zuge des seit Monaten andauernden Tarifkonflikts in Radeberg-Pulsnitz fordert Verdi nun die Rekommunalisierung der sächsischen Rettungsdienste. Danach würde die Bezahlung aller Beschäftigten nach Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) geregelt und diese besser bezahlt. Mit einer »Retterdemo« am kommenden Samstag will die Gewerkschaft Solidarität für die Beschäftigten organisieren.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Tageszeitung junge Welt.