„Diesel-Gipfel“ eine Farce

 

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Marktwirtschaft und ökologisches Verkehrssystem passen nicht zusammen

So einfach ist das: Die Autohersteller spielen flugs eine neue Software auf – und schon ist das Problem hoher Schadstoffbelastung durch Autos mit Dieselmotor gelöst. Um 25 bis 30 Prozent sollen die Stickoxidemissionen von fünf Millionen Fahrzeugen durch das Update reduziert werden, so hieß es am Mittwoch nachmittag vom großen „Diesel-Gipfel“ in Berlin. Auf Motorleistung, Verbrauch oder Lebensdauer hat das angeblich keinen Einfluss.

Von Daniel Behruzi

Das macht mindestens stutzig. Wenn der „Clean Diesel“ so leicht und preiswert zu haben ist, warum verwandten die Konzerne dann so viel Ingenieurskunst darauf, die tatsächlichen Schadstoffwerte zu „kaschieren“? Die Aktienkurse der Autohersteller legten nach Bekanntwerden der Maßnahme jedenfalls wieder etwas zu, weil ihnen offenbar keine teuren Umrüstungen an den Motoren drohen.

Das große Trara um das Treffen von Konzernchefs, Bundesministern, Ministerpräsidenten, Unternehmerverbänden und IG Metall dient vor allem dazu, aufgebrachte Verbraucher zu beruhigen und Aktivität zu simulieren. Insbesondere Fahrverbote, wie sie das Stuttgarter Verwaltungsgericht kürzlich forderte, sollen mit der PR-Aktion verhindert werden. Politiker können sich dabei mit mehr oder weniger harten Verbalattacken auf die Industrie profilieren – und so davon ablenken, dass sie der Automafia jahrzehntelang den Weg ebneten.

Das ist kein Zufall. In kaum einem anderen Bereich ist die Verfilzung von Kapital und politischem Establishment so offensichtlich wie in der Branche. Und zwar über alle etablierten Parteien hinweg: Die SPD hatte ihren „Auto-Kanzler“ Gerhard Schröder. Die Union stellt mit Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt den diensthabenden Vorreiter der Autolobby in der Regierung. Und die Grünen haben mit Winfried Kretschmann einen Ministerpräsidenten, der behauptet, dass es „den sauberen Diesel gibt“ und sich rühmt, kürzlich selbst ein solches Auto gekauft zu haben.

Die Konzerne haben eine klare Agenda: Sie wollen, solange es eben geht, hohe Profite einstreichen. „Umweltprämien“ sollen dabei helfen, den Verkauf von Neuwagen anzukurbeln. Manche fordern dreist, das wie bei der Abwrackprämie in der Krise 2009 auch mit Steuergeld zu bezahlen. Damit sind sie offenbar zunächst nicht durchgekommen.

Fest steht dennoch: Der Staat soll helfen, die Autokonzerne aus ihrer selbst geschaffenen Klemme zu befreien. Die Entwicklung alternativer Antriebe und die flächendeckende Installation von Ladesäulen für E-Fahrzeuge soll zu weiten Teilen nicht aus den Konzernprofiten, sondern aus Steuergeldern finanziert werden. Wie stets gilt: Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert.

Mit Ökologie hat all das wenig zu tun. Ökologisch wären der Aus- statt der Abbau des Streckennetzes der Bahn, ein Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr, bezahlbare Mieten, damit nicht immer mehr Menschen zur Arbeit pendeln müssen – sprich: ein radikales Umsteuern. Auf marktwirtschaftlicher Grundlage ist das allerdings nicht zu haben.

Dieser Artikel erschien zuerst am 3.8.2017 in der Tageszeitung junge Welt.