Gute Gründe gegen G20

Aktion von Schüler/-innen und Azubis gegen G20 am 13. Mai

Es gibt keinen Grund NICHT gegen die Mächtigsten der Welt zu demonstrieren

Wenn man das Abschlusskommuniqué des G20-Gipfels in Hanzhou vom 4. und 5. September 2016 liest, könnte man meinen, es stamme von einem anderen Planeten. Während immer mehr Menschen das Gefühl haben, dass die Welt zunehmend aus den Fugen gerät, wird dort das Bild einer Welt gezeichnet, der es im Grunde genommen gut geht, bei der nur ein paar Stellschrauben justiert werden müssen.

von Wolfram Klein, Plochingen bei Stuttgart

Die Herren und Damen, die sich im Juli wieder in Hamburg treffen werden, könnten sich den ganzen Gipfel-Klimbim sparen und diese letzte Abschlusserklärung redaktionell überarbeiten. Vielleicht würde Trump darauf bestehen, dass die Absage an den Protektionismus (Punkt 6) oder das Bekenntnis zur Bekämpfung des Klimawandels (Punkt 43), an den er ja nicht glaubt, diesmal wegfallen. Vielleicht ist es ihm auch egal. Denn was haben Merkel & Co. seit September getan, um Fluchtursachen anzugehen oder die humanitäre Hilfe für Flüchtlinge zu verstärken, wie sie in Punkt 44 versprochen hatten? Temer (Brasilien) oder Zuma (Südafrika) hatten in Hanzhou keine Probleme, sich zum Kampf gegen Korruption zu verpflichten (Punkt 22), auch nicht die damalige südkoreanische Präsidentin Park, die seitdem wegen Korruptionsvorwürfen amtsenthoben und angeklagt wurde.

In den Tagen, in denen dieser Artikel geschrieben wurde, gehen in der Türkei die Menschen auf die Straße, weil Gipfelteilnehmer Erdogan sich mit Terror und Wahlfälschung eine Referendums-Mehrheit für seine Präsidialdiktatur zusammengeschustert hat. In Brasilien ist ein Generalstreik gegen die neoliberale Sozialkahlschlagspolitik von Gipfelteilnehmer Temer für den 28. April angekündigt, während gegen seinen argentinischen Kollegen Macri aus ähnlichen Gründen am 6. April ein Generalstreik stattfand. Kein Vergleich zu Gipfelteilnehmer Modi aus Indien: gegen seine Politik fanden 2015 und 2016 die Generalstreiks mit den größten Teilnehmerzahlen der Menschheitsgeschichte statt (jeweils rund 150 Millionen). Gegen Trump gingen schon zur Amtseinführung Millionen auf die Straße.

China ist eine Diktatur, die Opposition brutal unterdrückt. Für Saudi-Arabien gilt das gleiche… es unterstützt obendrein die übelsten Islamisten und führt im Jemen Krieg. Dafür mischen mehrere der Gipfelteilnehmer (USA, Russland, Türkei, Saudi-Arabien, Deutschland etc.) in Syriens blutigem Krieg mit. usw. usf.

Besser miteinander reden?

„Aber es ist doch besser, wenn sie miteinander reden, als wenn sie aufeinander schießen lassen“, könnte man einwenden. Manche sehen es als einen Fortschritt, dass Russland, China und der Westen an einen Tisch kommen – als ob sie das bei den Vereinten Nationen nicht täglich wären und als ob das einen wirklich entscheidenden Einfluss auf den Verlauf ihrer ökonomisch und geostrategisch begründeten Konflikte nehmen würde.

Es ist ein beliebtes Filmmotiv, dass die Chefs von Gangsterbanden, die Häupter von Mafiaclans zusammenkommen und miteinander über die Aufteilung ihrer Reviere beraten. Ein anderes beliebtes Filmmotiv sind Bandenkriege, in denen diese Neuaufteilung mit Gewalt geregelt wird. Und natürlich ist ersteres besser, weil bei letzterem zahlreiche Unschuldige zwischen die Kugeln zu geraten pflegen. Aber das ändert nichts daran, dass die Tätigkeit dieser Banden in Drogenhandel, Schutzgelderpressung etc. zu bestehen pflegt.

Ebenso kann man schon sagen, dass es besser ist, wenn die Regierenden zusammen kommen und sich über ihre Machtbereiche einigen, als wenn sie Krieg darum führen. Aber erstens gibt es im Kapitalismus nun einmal Zeiten des Krieges und Zeiten der Verhandlungen und es sind selten die Verhandlungen, die Kriege verhindern. Zweitens darf uns das nicht vergessen lassen, dass ihre Politik in diesen Machtbereichen Ausbeutung, Unterdrückung, Abbau demokratischer Rechte, Umweltzerstörung etc. bedeutet. Und das ist kein Ausrutscher, sondern die Folge davon, dass sie das kapitalistische System verteidigen, das auf unversöhnlichen Klassengegensätzen beruht und durch das Streben nach Profitmaximierung angetrieben wird.

Sie nutzen solche Gipfel für riesige Showveranstaltungen, in denen sie (unterstützt von willfährigen Medien) vorspiegeln, sie würden an der Lösung der Probleme der Menschheit arbeiten. In Wirklichkeit einigen sie sich (wenn sie sich einigen können) auf die Sicherung und Maximierung der Profite. Das einzige, was sie davon teil- und zeitweise abbringen kann, ist massiver politischer Druck. Die G20-Proteste können ein wichtiger Beitrag zu diesem Druck sein. Das beste Mittel für eine friedlichere Politik sind nicht geschickte Diplomatie, salbungsvolle Gipfel-Reden oder Lächeln auf Gruppenfotos, sondern ebenfalls massiver politischer Druck von der Straße und aus den Betrieben. Das einzige, was diese Politik beenden kann, ist die Überwindung ihres kapitalistischen Systems.

Es ist besser, miteinander zu reden? Es ist vor allem besser, wenn wir aus verschiedenen Ländern und verschiedenen Bewegungen (Gewerkschaften, sozialen Bewegungen, Umweltbewegungen etc.) miteinander reden über unsere Erfahrungen im Kampf gegen dieses System und seine Folgen, über unsere Forderungen und Strategien. Nutzen wir die Gelegenheit bei den Protesten gegen die G20! n

Wolfram Klein ist aktiv in der LINKEN Stuttgart und Mitglied des SAV Bundesvorstands