Volle Bäuche statt volle Tonnen

Gespräch mit Christian Walter über Containern und Lebensmittelvernichtung
Mit Deinen Aktionen rund um das Thema Containern hast Du es bereits in die Bravo geschafft. Was heißt eigentlich, „containern zu gehen“ und warum machst du das?

„Containern gehen“ heißt, genießbare Lebensmittel aus den Mülltonnen von Supermärkten zu holen. Es ist erschreckend, zu sehen, wie viel gutes Essen weggeworfen wird. Ich nehme mit, was ich tragen kann, spüle es gründlich und koche damit leckere Speisen. Vorher mache ich aber noch Fotos: Denn mit dem Containern möchte ich das Ausmaß der Lebensmittelvernichtung einer breiteren Öffentlichkeit zeigen. Bilder findet man auf meinem Facebook-Blog „Aachen containert“.

Warum bekommt das Thema gerade so viel Aufmerksamkeit?

Der Erde geht es nicht gut. Umweltzerstörung passiert alltäglich, die Klimaveränderung nimmt immer bedrohlichere Ausmaße an. Ein Grund dafür ist der verantwortungslose Umgang mit Ressourcen. In Deutschland werden zwischen dreißig und fünfzig Prozent der Lebensmittel auf den Müll geworfen. Viele Menschen versuchen, sich individuell möglichst unschädlich zu verhalten, ihren sogenannten „ökologischen Fußabdruck“ zu optimieren. Es ist eine Debatte über Nachhaltigkeit entbrannt. Das öffentliche Interesse am Containern sollte in diesem Zusammenhang gesehen werden.

Du bist bei dem Thema nicht allein unterwegs, sondern es gibt eine ganze Gruppe in Aachen. Welches Statement wollt Ihr mit Euren Aktionen setzen?

Im April werden zwei Aachener vor Gericht gestellt. Ihnen wird „Schwerer Diebstahl“ vorgeworfen – weil sie containert haben sollen. Dagegen hat sich das Bündnis „Containern ist kein Verbrechen!“ gegründet. Wir wollen öffentlichen Druck erzeugen, damit die Klage fallen gelassen wird. Dazu haben wir eine Petition geschrieben, die online schon 100.000 Unterschriften bekommen hat (siehe change.org/containern), dazu haben wir Kundgebungen organisiert und an einer Demonstration teilgenommen, und wir organisieren Containertouren, zu denen wir öffentlich einladen.

Erzähl’ uns mehr zum anstehenden Prozess: Wer klagt da und was ist überhaupt so schlimm daran, Lebensmittel aus einem Container zu holen, die sowieso nicht mehr für den Verzehr bestimmt sind?

In dem Fall steckt die Staatsanwaltschaft hinter der Klage. Warum sie das tut, darüber kann man nur spekulieren. Ich persönlich denke, dass das Containern mittlerweile eine zu große Öffentlichkeit erreicht hat: Wer sich Lebensmittel kostenlos besorgt, kauft sie nicht mehr ein. Damit schmälern wir die Profite der Lebensmittel- und Handelskonzerne. Deswegen vermute ich, wird hier eine Verurteilung angestrebt, die andere AktivistInnen abschrecken soll. Generell gilt die Aachener Staatsanwaltschaft als sehr rigoros, wenn es um die Verfolgung von Linken oder Unangepassten geht.

Die Petition hast Du bereits erwähnt. Welche Unterstützung würdet ihr euch darüber hinaus wünschen?

In Städten außerhalb Aachens ist es schon super, wenn solidarische Menschen die Petition unterschreiben und weiter verbreiten. Im März und April gehen wir einen Schritt weiter – da planen wir eine bundesweite Aktion mit dem Ziel, den Diebstahl-Paragraphen abzuändern. Sollte das durchkommen, würde das Containern, aber auch das Mitnehmen von Sperrmüll, endlich entkriminalisiert. Wer mehr darüber erfahren oder uns dabei unterstützen möchte kann sich unter AachenContainert@riseup.net melden.

Im März erscheint Dein Buch zu dem Thema – worum wird es gehen?

Es ist ein Rundumschlag: Containern-Interessierte, die sich Fragen, was man eigentlich beachten sollte kommen ebenso auf ihre Kosten wie Menschen, die nach Antworten suchen, warum so viele Lebensmittel vernichtet werden. Ich setze mich mit Konsumkritik und vermeintlich „guten“ Bezugsquellen wie FairTrade auseinander und stelle eine sozialistische Demokratie als Lösung zur Diskussion. In solch einer Gesellschaft würde es nicht mehr um die Profitmaximierung einiger Konzerne, sondern um die Bedürfnisbefriedigung von Menschen gehen. Außerdem wird der Aachener Prozess und unsere Kampagne dagegen intensiv beleuchtet.

Vielen Dank!

Das Interview führte René Kiesel

Neuerscheinung

Erscheint Ende März 2017, ca 110 Seiten, Ladenpreis: 11,90 Euro

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