Eindrücke von der Bundeskonferenz der SAV

„So ich das sage, muss ich aufrührerisch sein“

„Todesnice“ fand Tim aus Berlin die Bundeskonferenz, die vom 17. bis 19. Februar in Thüringen stattfand. Über hundert Delegierte, Mitglieder und Gäste diskutierten auf der Wasserburg Heldrungen (auf der 1525 Thomas Müntzer, Führer des Thüringer Bauernaufstands, gefangen genommen worden war) über die internationale Lage nach der Wahl von Trump, die Herausforderungen für die Linke und den Widerstand in Deutschland im Bundestagswahljahr und den Aufbau der SAV. International wurde die Konferenz durch die Redebeiträge eines indischen Genossens, des Vertreters des Internationalen Sekretariats Robert Bechert, Mitgliedern der Sozialistischen Linkspartei in Österreich und eines Vertreters des „Socialist Center Review“ – einer sozialistischen Gruppe aus irakisch-Kurdistan – Peshraw Mohammed bereichert.

Die Welt nach Trump

Sascha Staničić eröffnete die Konferenz mit einem Referat über die Weltlage, die internationalen Auswirkungen der Wahl von Trump und die Eurokrise. Großen Raum in Einleitung und Diskussion nahm die Lage in den USA ein. Alle, die irrigerweise gehofft hatten, dass es mit Trump zu einer friedlicheren Außenpolitik kommt, wurden bereits jetzt eines Besseren belehrt.

Trump ist nicht der Wunschkandidat des Kapitals und Teile seiner Politik wie die Beendigung von Freihandelsabkommen und protektionistische Maßnahmen entsprechen nicht dem mehrheitlichen Willen der herrschenden Klasse in den USA. Gleichzeitig ist sein Angriff auf gewerkschaftliche Rechte in den USA im Interesse der Unternehmen und Trump ist vor allem Feind der Lohnabhängigen, der MigrantInnen und Frauen. Sascha Staničić nannte den Widerstand in den USA „die größte Revolte in den USA seit dem Vietnamkrieg“. Die nächsten Massenproteste in den USA sind für den Frauentag am 8. März und dem Tag der Arbeit am 1.Mai geplant. Die SAV-Schwesterorganisation „Socialist Alternative“, in der auch die bekannte sozialistische Stadträtin aus Seattle Kshama Sawant organisiert ist, ist an der Vorbereitung der Proteste beteiligt. Peshraw Mohammed überbrachte in einem Redebeitrag die Grüße seiner Organisation und sprach eindrücklich über die Lage für SozialistInnen im Nordirak.

Schulz-Hype und AfD-Krise

Lucy Redler leitete den Tagesordnungspunkt zur Lage in Deutschland im Bundestagswahljahr ein. Einleitung und Diskussion umfassten die ökonomische Lage Deutschlands, die gestiegenen Umfragewerte für die SPD nach der Nominierung von Martin Schulz, die Positionierung der Linken und die Aussichten für Widerstand und Rechtspopulismus in Deutschland. Sowohl in Deutschland als auch international gibt es keinen einseitigen Rechtstrend, sondern die Lage ist polarisiert. International wurde das nicht nur an den Massenprotesten der letzten Wochen und Monate in den USA, Südkorea, Indien, Brasilien, Polen sondern beispielsweise auch an den Protesten von einer halben Million Menschen in Solidarität mit Geflüchteten am 18. Februar in Barcelona (während der Bundeskonferenz) deutlich. In Deutschland ist es nach der Höcke-Rede bereits zu größeren antirassistischen Mobilisierungen wie in Münster mit 8000 Menschen gekommen. Zur Demo gegen den AfD-Bundesparteitag am 22. April in Köln werden bis zu 30.000 Menschen erwartet und auch die Proteste gegen den G20-Gipfel im Juli versprechen sehr groß zu werden. Kati Heinz vom Bündnis Köln gegen Rechts rief dazu auf, mit vielen GenossInnen am 22. April nach Köln zu kommen. Gleichzeitig ist die Gefahr von rechtem Terror weiterhin alltäglich und hat die Höcke-Rede gezeigt, dass die AfD dabei die Rolle des geistigen Brandstifters übernimmt. Ob Höcke tatsächlich aus der AfD ausgeschlossen wird, wurde bezweifelt. Der Konflikt in der AfD spiegelt inhaltliche Differenzen und Machtkämpfe wider. Petry steckt in einem Dilemma: Sie muss sich einerseits stärker gegen den Höcke-Flügel abgrenzen, um konservative WählerInnen nicht zu verschrecken, andererseits ist es völlig offen, ob sie den internen Machtkampf gewinnt und kann interner Streit auch potentielle AfD-UnterstützerInnen von der Wahl der AfD abhalten.

Die Zunahme der Unterstützung für Martin Schulz in den Wahlumfragen drückt den Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit als auch nach Stabilität aus. Schulz hat es erfolgreich geschafft, sich als „von-außen-kommend“ zu präsentieren, obwohl er Teil des Establishments ist. Wir stimmen nicht damit überein, dass die SPD tatsächlich eine Wende zu einer Politik der sozialen Gerechtigkeit vornimmt, in Wirklichkeit „ist Schulz fake news“, wie eine Genossin sagte. Der schnelle Anstieg in den Umfragen drückt aus, dass es erstens keine festen Bindungen mehr an Parteien gibt (auch nicht an die AfD) und dass Menschen für soziale Themen erreichbar sind und DIE LINKE das nutzen kann. Es ist offen, ob der Schulz-Effekt bis zum Wahltermin anhalten wird. Die Delegierten waren sich einig, dass seine Kandidatur eine rot-rot-grüne Koalition nicht qualitativ wahrscheinlicher macht. Trotzdem wird es sicher, vor allem in den Reihen der LINKEN, zu verstärkten Diskussionen über Rot-Rot-Grün als vermeintlich kleineres Übel zur Großen Koalition kommen. Der LINKEN kommt die Aufgabe zu, Menschen, die sich nach sozialer Gerechtigkeit sehnen, anzusprechen und gleichzeitig über die reale unsoziale Politik der SPD aufzuklären. Verschiedene RednerInnen nahmen auf die Debatten innerhalb der LINKEN Bezug. Es bestand Einigkeit darüber, dass DIE LINKE im Wahlkampf die soziale Frage in den Mittelpunkt stellen muss ohne Abstriche an antirassistischen und migrationspolitischen Positionen vorzunehmen.

Aleksandra Setsumei, Kollegin aus dem Unikinikum Aachen, sprach über die Tarifauseinandersetzung Entlastung und das Potential für einen Aufstand der Pflege. Es komme jetzt darauf an, dieses Potential zu organisieren und zu nutzen. In manchen Kliniken wie an der Charité seien die KollegInnen gewerkschaftlich lange und gut organisiert. In anderen Kliniken sei die Herausforderung deutlich größer. Die Gewerkschafterin Alexandra Arnsburg sprach über die Herausforderungen für die Gewerkschaften im Rahmen der Debatte über Industrie 4.0 und wies darauf hin, dass die Strategie des Co-Managements zu einer Beteiligung an Stellenabbau und Lohnverzicht führen werde.

Mit großer Einigkeit wurde eine Resolution mit dem Titel „Bewegte Zeiten: Instabilität, Solidarität, Polarisierung und Gefahr von rechts“ beschlossen, die in Kürze auf www.archiv.sozialismus.info veröffentlicht wird.

Aktivitäten und Aufbau

SAV-Mitglieder waren in diversen Kampagnen aktiv. So berichtete Ursel Beck vom erfolgreichen Mieterkampf in Stuttgart. Auch von anderen Fortschritten bei der Arbeit in der LINKEN und im Jugendverband wurde berichtet. SAV-Mitglieder beteiligen sich solidarisch gemeinsam mit anderen an der Stärkung der Antikapitalistischen Linken (AKL) in der LINKEN und dem Bundesarbeitskreis Revolutionäre Linke (BAK RL) in Linksjugend [’solid]. Der Bundesarbeitskreis hat sich im Juli 2015 gegründet und umfasst derzeit ungefähr 170 Mitglieder in fast vierzig Städten. Die bundesweite Mitgliederversammlung der AKL findet am 12.März und das bundesweite Treffen des BAK RL am 10.-12. März in Hannover statt.

Neue Gruppen der SAV gibt es in Leipzig und in Rülzheim. Der nächste wichtige Höhepunkt sind die bundesweiten Sozialismustage, die am 14.-16. April in Berlin stattfinden und zu denen 500 TeilnehmerInnen erwartet werden. Die nächsten Stationen des Widerstands sind dann die Gegenproteste gegen den AfD-Bundesparteitag und gegen den G20-Gipfel. Fernando Vilas aus Hamburg rief alle dazu auf, im Juli die Koffer zu packen und nach Hamburg zu reisen. Mitglieder der SAV werden sich darüber hinaus aktiv am Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen und zum Bundestag mit Aktionen und Ideen beteiligen.

David Redelberger wies in seinem Referat zum Aufbau der Organisation auf das hundertjährige Jubiläum der Russischen Revolution hin und darauf, dass wir das ganze Jahr nutzen sollten, taktische und strategische Fragestellungen und marxistische Theorie anhand der Russischen Revolution zu studieren.
Mit einem ersten beeindruckendem literarischen Aufgebot war der manifest-Verlag in Heldrungen präsent. Am Büchertisch gab es sowohl Neuerscheinungen wie zum Beispiel das Buch von Christian Walter „Volle Bäuche statt volle Tonnen“ als auch marxistische Klassiker.

Die Konferenz wählte einen neuen Bundesvorstand, der deutlich verjüngt mit frischem Elan an die anstehenden Aufgaben geht. Solidaritäts-Aktionen gab es für die Jobstown-Kampagne in Irland und ArbeiterInnen von TOTAL im Jemen, denen seit über einem Jahr kein Lohn ausgezahlt wurde.

Kultur und dancing

Abgerundet wurde die Konferenz durch die beats von DJ SouLindarity und einem kulturellen Abend. Bei letzterem hielt Steve Hollasky eine flammende Rede zum Leben Thomas Müntzers, Claus Ludwig hatte einen Auftritt als „Einsatzleiter“ („Mein Einsatzleiter“ ist politisches Kabarett, bei dem Claus Ludwig als Polizist mitwirkt) und Georg Kümmel übertraf sich selbst mit seiner eigenen satirischen Ausgabe der „Tagesschau“. Der Höhepunkt war Kümmels Nachricht über die Karnevalsflüchtlinge aus dem Rheinland, die auf Solidarität und Vorurteile im kühlen Norden stoßen.

Die Stimmung bei der Bundeskonferenz war dynamisch und von Entschlossenheit geprägt. Auch wenn der Kampf gegen die Obrigkeit 500 Jahre nach dem Bauernaufstand andere Formen annimmt, stimmt Müntzers Aussage noch heute: „Die Herren machen das selber, dass ihnen der arme Mann feind wird. Die Ursache des Aufruhrs wollen sie nicht wegtun. (…) So ich das sage, muss ich aufrührerisch sein.“