Widerstand gegen US-Truppenverlegung über Bremerhaven

„Es geht ihnen nicht um Menschenrechte.“

Interview mit Sebastian Rave, Mitglied im Landesvorstand der LINKEN Bremen und des SAV Bundesvorstands

Am 6. Januar ist die Truppenverlegung einer kompletten US-Panzerbrigade mit 4.000 Soldatinnen und Soldaten und mehr als 2.000 Fahrzeugen über Bremerhaven zu NATO-Manövern in Osteuropa geplant. Der Überseehafen, über den die Verschiffung laufen soll, ist im Besitz des Landes Bremen. Wie verhält sich die Kommune zu dieser Truppenverlegung?

Der Bremer Senat, aber auch die Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung und der Bürgermeister halten sich nobel zurück oder verweisen auf NA TO-Bündnisverpflichtungen. Dabei ist klar, dass sie die Transporte stoppen könnten, wenn sie es wollten. Dafür fehlt offenbar der politische Wille – obwohl der Bremerhavener Bürgermeister Melf Grantz wie auch sein Bremer Amtskollege Carsten Sieling den Aufruf »Bürgermeister für den Frieden« unterstützt haben. Anscheinend ein reines Lippenbekenntnis. Im Bremerhavener Hafen werden auch in vermeintlichen Friedenszeiten jeden Tag 41 Tonnen Munition umgeschlagen – das muss aufhören.

Es gibt ein großes antimilitaristisches Bündnis, das sich gegen die Verschiffung stellt und am Folgetag zu einer Großdemo aufruft. Ist es darüber hinaus realistisch, die Truppenverlegung zu verzögern beziehungsweise zu stoppen?

Es gab beim ersten Bündnistreffen Vergleiche mit der großen Hafenblockade 1983, bei der Zehntausende die Anlieferung von Pershing-Raketen verhindern wollten. Das wurde damals ein Jahr lang vorbereitet, wir hatten dieses Mal nur ein paar Wochen. Es ist also eine etwas größere Herausforderung. Wir wollen aber auch ein Zeichen setzen. Das US-Kommando will ja testen, ob sie im Zweifelsfall schnell und reibungslos ihre Kampfeinheiten verlegen können. Wir werden deutlich machen, dass Bremerhaven kein ruhiger Hafen für das Militär ist, dass es hier Menschen gibt, die sich gegen die Kriegslogik wehren. Und wir rufen ausdrücklich zur Nachahmung in ganz Deutschland auf.

Was ist Deine Einschätzung nach der Auslöser für das Vorgehen der US-Regierung?

Der Kapitalismus steckt weiterhin in einer tiefen Krise. Der Welthandel geht insgesamt zurück, Staaten schotten sich ab, die Ära des Freihandels geht langsam zu Ende. Nicht erst seit Donald Trump designierter US-Präsident ist, gibt es in den Vereinigten Staaten eine Rückkehr zum Protektionismus, und auch in der EU wird über Schutzzölle gegen chinesischen Stahl diskutiert. Die Großmächte kommen sich mit ihrer Außenpolitik immer wieder in die Quere, sei es in der Ukraine, in Syrien, oder im Pazifik. Dabei geht es keinem der Beteiligten um Menschenrechte oder Demokratie, am Ende geht es um Einflusssphären und die Profite der jeweiligen Kapitalistenklassen, egal in welchem Land.

Habt Ihr nach der Truppenverlegung noch weitere Aktionen geplant?

Der Bedarf besteht jedenfalls immer. Ich glaube, das Problem der Friedensbewegung ist, dass sie vielen zu unkonkret ist. »Für den Weltfrieden« ist zwar schön, aber im Moment nicht gerade zum Greifen realistisch. Deswegen muss es mehr konkreten Protest gegen die Kriege und deren Vorbereitungen in dieser Welt geben.

Heißt das, Du rechnest auch am Freitag und Sonnabend nicht mit sonderlich vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern?

Die Resonanz auf unseren Aufruf ist hervorragend. Wie gesagt, die Teilnehmerzahlen von damals werden wir wohl nicht erreichen, aber die Antwort auf die größte Truppenverlegung seit Ende des Kalten Krieges wird auf jeden Fall eine der größten Antikriegsdemos der vergangenen Jahre in der Stadt werden. Das Bündnis bildet ein breites Spektrum an Gruppen ab, und es kommen fast jeden Tag neue Unterstützer dazu. Einig sind wir uns in der Ablehnung von waghalsigen Militärmanövern in Osteuropa vor dem Hintergrund einer weltpolitisch gespannten Lage.

Das Interview führte Patrik Schulte. Es erschien zuerst in der Tageszeitung junge Welt.