Protest gegen grün-schwarze Studiengebühren

Foto: DIE LINKE. Kreisverband Stuttgart

Seit 2011 stellen hat Baden-Württemberg den ersten grünen Ministerpräsidenten in Deutschland. Jetzt will ausgerechnet diese Regierung Studiengebühren wieder einführen, nachdem sie 2012 nach jahrelangen Protesten abgeschafft worden sind. Dagegen regt sich Widerstand. Es gab eine mehrtägige Hörsaalbesetzung in Freiburg und eine Demonstration mit mehreren Hundert TeilnehmerInnen in Heidelberg vor Weihnachten. Heute demonstrierten rund 400 AktivistInnen bei klirrender Kälte auf dem Kronprinzenplatz in Stuttgart, wenige Meter vom Wissenschaftsministerium entfernt.

von Wolfram Klein, Stuttgart

Begründet wird die Maßnahme mit Haushaltskonsolidierung. Nur ein Bruchteil der erwarteten zusätzlichen Einnahmen soll den Hochschulen zugute kommen. Die Regierung traut sich zwar (noch) nicht, allgemeine Studiengebühren einzuführen, aber von einer Einführung „scheibchenweise“ kann man auch nicht reden: 650 Euro pro Semester für ein Zweitstudium und 1500 Euro für Studierende aus Nicht-EU-Ländern (und eine Erhöhung der Verwaltungsgebühren um 10 Euro für alle) sind schon recht dicke Scheiben.

Entsprechend groß war die Wut in einer Reihe von Redebeiträgen, angefangen mit dem Auftaktbeitrag von Kurt Stiegler vom Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS). In einer Reihe von Beiträgen wurde der rassistische Charakter von Gebühren speziell für Nicht-EU-AusländerInnen angeprangert. Im Vorfeld war Wissenschaftsministerin Bauer (ebenso Grünen-Mitglied wie Finanzministerin Sitzmann und Ministerpräsident Kretschmann) nichts besseres eingefallen als dieses Vorwurf als „schrille“ Sprache in die Nähe von Trump zu rücken. Den Protest gegen rassistische Gebühren in einen Topf mit dem rassistischen Hetzer Trump zu werfen, ist schon ein sehr durchsichtiges Haltet-den-Dieb-Schreien-Manöver. Die Empörung über sie war auch in Beiträgen aus Heidelberg zu spüren, wo sie ihren Wahlkreis hat. Sie selber stand nicht dazu zur Verfügung, den Studierenden Rede und Antwort zu stehen. Die Grüne Jugend war auf der Kundgebung und sprach sich gegen die Gebühren aus, argumentierte aber vor allem, dass solche Gebühren schlecht für die Wirtschaft seien. Auch in anderen Beiträge wurde stark in diese Richtung argumentiert. (Auch in früheren Bewegungen gegen Gebühren war besonders in der Anfangsphase das Bemühen stark, die wirtschaftliche Nachteiligkeit solcher Gebühren zu belegen, während im Verlauf der Bewegung radikalere Positionen an Unterstützung gewannen, z.B. „Gemeinsam kämpfen statt zu blechen – mit der Standortlogik brechen“, wie es vor einigen Jahren auf einem Transparent von Studierenden der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg hieß.)

In anderen Beiträgen wurde darauf hingewiesen, dass Gebühren junge Menschen mit ärmerem Hintergrund vom Studieren abhalten und ausländische Studierende jetzt schon zusätzliche Kosten und im Durchschnitt 170 Euro weniger Geld zur Verfügung haben. Unter anderem ging Filippo Capezzone von den LINKEN auf die soziale Situation der ausländischen Studierenden ein. Er bekam viel Beifall dafür, dass er seine Rede auf Englisch hielt. Zwei Beiträge von der Uni Hohenheim (Hohenheim ist ein Stadtteil von Stuttgart, die dortige Universität hat einen Schwerpunkt auf Agrarwissenschaften), einer von einer amerikanischen Studentin, einer von einer Professorin am Schluss beim „offenen Mikro“, verwiesen auf die dortigen Studierenden aus Afrika, Asien und Lateinamerika, deren Anwesenheit eine Bereicherung für die anderen Studierenden ist, die sich aber oft keine hohen Gebühren leisten können.

Anders als Ministerin Bauer war ihr Amtsvorgänger Stoch von der SPD gekommen und gab sich kämpferisch, ebenso wie die Juso-VertreterInnen.

Der langjährige Bildungsaktivist und Student an der Hochschule der Medien (HdM) Oli Kube erinnerte an die großen Proteste gegen Studiengebühren in den Nullerjahren, die Bildungsstreiks, Hörsaalbesetzungen in Stuttgart und bundesweit, die Autobahnbesetzungen etc. in Hessen, die erreichten, dass dort die Gebühren nach einem Jahr wieder abgeschafft wurden.

Erfreulich war auch die Präsenz der Gewerkschaften bei der Kundgebung, es gab Redebeiträge von GEW und IG Metall und mehrere Fahnen (v.a. von GEW, DGB und ver.di-Jugend).

Beim „offenen Mikrofon“ am Schluss sprach auch Werner Sauerborn vom Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21, der sich bei Sarah Graf vom ASTA der Uni Hohenheim bedankte für ihre Rede zum Thema Studiengebühren bei der Montagsdemo gegen Stuttgart 21 diese Woche, auch wenn nicht so viele Stuttgart-21-GegnerInnen ihrem Aufruf zur Kundgebung gefolgt seien (ein paar waren aber schon da). Er schilderte die Enttäuschung der Bewegung gegen Stuttgart-21 mit den Grünen und prangerte an, dass bei Bildung gekürzt wird, während weiterhin Geld für Stuttgart-21 rausgehauen wird.

Beim „offenen Mikro“ berichtete auch ein Student aus Freiburg von der dortigen Hörsaalbesetzung und betonte, wie einfach sie gewesen sei.

Nachdem Hunderte Studierende bei klirrender Kälte (und gelegentlichem Schnee) zwei Stunden ausgeharrt hatten, gab es einen Demozug zum Stuttgarter Hauptbahnhof mit Sprechchören wie „No border, no nation, free education“. Da die Studierenden auf der Königsstraße (Fußgängerzone) laufen wollten und die Polizei das nicht wollte, war der Demozug ein Slalom zwischen der Königsstraße und Parallelstraßen. Wenn die Polizei die DemonstrantInnen die kurze Strecke auf der Königsstraße hätte laufen lassen, statt sie mehrfach abzusperren, hätte das die PassantInnen sicher weniger „behelligt“.

Bisher gibt es erst einen Gesetzentwurf. Demnächst soll es eine Anhörung im Landtag geben. Weitere Proteste sind angekündigt.