Der Fall Andrej Holm

Linke Kritik an r2g bestätigt

Die Ernennung Andrej Holms zum Bau-Staatssekretär war von der LINKEN Berlin als Coup geplant. Sie sollte MieteraktivistInnen und KritikerInnen der rot-roten Regierung 2002 bis 2011 signalisieren: Seht her – diesmal wird es anders, wir meinen es ernst und legen uns mit der Immobilienlobby an. Fünf Wochen später drohte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) – unterstützt von seiner und der grünen Fraktion – mit der Entlassung Holms und dieser trat unter massivem Druck zurück. Was sind die wirklichen Ursachen dafür und was lernen wir daraus für zukünftige Debatten über r2g?

von Lucy Redler

Seit dem Start des rot-rot-grünen Senats in Berlin schossen sich Opposition und bürgerliche Medien auf Andrej Holm ein. Kaum ein Tag verging, in dem nicht in den Berliner Tageszeitungen über ihn diskutiert wurde. Er gilt als Kritiker von Verdrängung, genießt großen Rückhalt unter Mieteraktiven der Stadt und hatte auch die Wohnungspolitik der rot-roten Koalition (2002-2011) kritisiert.

Die Diskussion über seine Vergangenheit als Anwärter für die Stasi-Offizierslaufbahn, die sich rasch auf den Vorwurf verlagerte, beim Personalfragebogen für die Einstellung an der HU 2005 eine Falschaussage getätigt zu haben, war vorgeschoben. Im Kern geht es um die mietenpolitischen Positionen Holms und der LINKEN. Am deutlichsten brachte das der FDP-Vorsitzende Sebastian Czaja auf den Punkt: „Er steht der Hausbesetzerszene näher als einem Investor.“ Holm selbst wies darauf hin, dass er davon ausgegangen ist, dass aus Teilen der SPD Fraktion bereits weitere Argumente als Munition gegen ihn gesammelt wurden.

Heuchelei der anderen Parteien

Die Debatte um die Stasi hat trotzdem bei einem Teil der Bevölkerung für Verwirrung gesorgt. Aufgabe der LINKE Berlin wäre es in dieser Situation gewesen, die SPD scharf anzugreifen, die wirklichen Gründe für die Kampagne herauszuarbeiten und die Heuchelei der anderen Parteien offen zu legen.

Zu dieser Heuchelei drei Argumente: 1. Andrej Holm hat sich seit 2007 zu seiner Vergangenheit bekannt und sie richtigerweise als Fehler bezeichnet, man kann das auf wikipedia nachlesen und alle im Senat wussten es, als sie Holms Ernennung zugestimmt haben. 2. Mitglieder der CDU, deren Partei Altnazis ohne Wenn und Aber in Positionen geholt haben, haben nichts zu der Debatte beizutragen (und jene aus der SPD, die das nie kritisiert haben, auch nicht). 3. Einer der wesentlichen Bauherren von Luxuswohnungen der East Side Gallery Maik Uwe Hinkel, für dessen Bauten Teile der Berliner Mauer gegen Widerstände aus der Bevölkerung entfernt wurden, arbeitete seit 1982 als IM der Stasi. Hat das irgendjemand aus den Parteien jemals kritisiert? Wenn ein Immobilienhai mit klarer Stasi-Vergangenheit dick Kasse machen kann, während ein Gentrifizierungskritiker, der ein paar Monate seiner Jugend einer Fehler begangen hat und dies heute bereut, zurück treten muss, geht es in Wirklichkeit um etwas anderes.

Verpasste Gelegenheit

DIE LINKE Berlin hat die Gelegenheit verpasst, die Diskussion auf das wirkliche Thema Immobilieninteressen zuzuspitzen und das Bewusstsein dafür zu heben, dass sie die Partei der MieterInnen sein will, während die SPD die Partei der Immobilienmafia ist. Bis zum Schluss war es (trotz verbaler Unterstützung für Holm) unklar, wofür sich die SenatorInnen der LINKEN, der Landesvorstand, die Fraktion am Ende in der Abstimmung des Senats über die Entlassung entschieden hätten: r2g oder Holm. Im Wesentlichen wurde der Druck an Andrej Holm weitergegeben und dieser hat einen Entschluss gefasst.

Ein Tag später wollte es sich der LINKE-Ministerpräsident in Thüringen, Bodo Ramelow, nicht nehmen lassen im Interview mit der Thüringer Allgemeinen zu erklären, dass in Thüringen jemand wie Andrej Holm sich zwar auf ein Abgeordnetenmandat hätte bewerben, aber niemals ein Amt in der Regierung hätte einnehmen können.

Realitätscheck r2g

Rosa Luxemburg schrieb vor über hundert Jahren treffend: „Das Wesen einer bürgerlichen Regierung wird nicht vom persönlichen Charakter ihrer Mitglieder bestimmt, sondern von ihrer grundsätzlichen Funktion in der bürgerlichen Gesellschaft.“ Der Fall Andrej Holm war dafür so etwas wie ein Realitätscheck. Von SPD und Grünen zu erwarten, mit der LINKEN eine radikale Umkehr in der Wohnungspolitik gegen die privaten Immobilienkonzerne einzuleiten ist ungefähr so, wie von Maik Uwe Hinkel zu erwarten, ab sofort im Bauwagen wohnen.

Mit dem Start von r2g war viel von „Gutem Regieren auf Augenhöhe“ die Rede. Die SPD hat deutlich gemacht, was sie davon hält: Nichts. Sie hat in Kauf genommen, DIE LINKE zu demütigen. Weitere Konflikte sind vorprogrammiert. Ein Vorgeschmack darauf gab die Debatte um das Thema Innere Sicherheit. Die Beschäftigten der CFM werden weiter hingehalten und haben noch kein Verhandlungsangebot für die Angleichung ihrer Löhne an den TVöD erhalten. Wer weiter von r2g im Bund oder in anderen Bundesländern träumt, sollte schleunigst aufwachen. SPD und Grüne vertreten andere Interessen als DIE LINKE und diese wird in solchen Koalitionen gezwungen, im Gegenzug für manche kleinen Verbesserungen die gesamte Logik kapitalistischer und neoliberaler Sachzwänge, das Hartz IV- System und Abschiebungen mitzutragen. Es war ein Fehler, diese Koalition einzugehen. Spätestens jetzt sollte allen klar sein: Nicht geschicktes verhandeln in Regierungen, sondern der Druck der außerparlamentarischen Bewegungen ist zentral, um Verbesserungen zu erreichen. Eine Gelegenheit dafür ist die Unterstützung mietenpolitischer Initiativen und der Besetzung des Sozialwissenschaftlichen Instituts für die Wiedereinstellung Holms an der Humboldt-Universität und die Stärkung sozialer Mietenpolitik.

Lucy Redler ist Mitglied im Parteivorstand DIE LINKE, eine von fünf BundessprecherInnen der AKL und aktiv in der SAV