Kein grundlegender Politikwechsel in Berlin durch Rot-Rot-Grün

Rot Rot Grün
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Warum wir gegen den Koalitionsvertrag stimmen

Die Spitzen von SPD, GRÜNEN und der LINKEN haben sich auf einen 251 Seiten langen Koalitionsvertrag geeinigt. Dabei sprechen alle Beteiligten davon, dass die drängendsten Probleme in der Stadt gelöst werden sollen. Das „Jahrzehnt der Investitionen“ und ein neuer Politikstil werden ausgerufen. Doch einen grundsätzlichen „Politikwechsel“ im Interesse der Berliner Lohnabhängigen, Erwerbslosen, Jugendlichen, und RentnerInnen wird es nicht geben, geschweige denn ein wirklicher Bruch mit der kapitalistischen Sachzwanglogik, der eigentlich notwendig wäre. In diesem Artikel stellen wir da, warum wir bei der Urabstimmung gegen den Koalitionsvertrag stimmen.

von Steffen Strandt und Sarah Moayeri, Landesparteitagsdelegierte des Berliner Bezirksverbands Neukölln und Mitglieder der SAV

Um die Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag zu bewerten, werden in der LINKEN offenbar sehr unterschiedliche Kriterien angelegt. Auf der ersten Basiskonferenz zur Bewertung der Verhandlungsergebnisse antwortete die zukünftige Senatorin für Wohnen Katrin Lompscher auf die Frage, wie denn ein Neubau von 6.000 Wohnungen jährlich im Verhältnis zum Zuzug von 42.000 allein im ersten Halbjahr 2016 steht, sinngemäß: Ihr seht den Bedarf. Wir müssen sehen was die Wohnungsgesellschaften bisher umsetzen. Da dürfen unsere Wünsche nicht ins Uferlose gehen.

Und genau da liegt das Problem der Logik bürgerlicher Politik, auf die sich die (Führung der) LINKEN Berlin eingelassen hat. In dem engen Korsett der Sachzwänge von Schuldenbremse, Vorgaben der Bundesebene und den Bedürfnissen der Koalitionspartner wird die Verwaltung des aktuellen Mangels für kleinere Verbesserungen auf dem Papier akzeptiert. Uns geht es dagegen darum, was möglich und vor allen Dingen nötig ist. Dafür wollen wir im Folgenden die Ergebnisse aus dem Koalitionsvertrag in den Bereichen Wohnen und Mieten, Flüchtlinge, Öffentlicher Dienst und Verkehr analysieren und auch anhand der Kriterien ansehen, die DIE LINKE Neukölln zur Bewertung eines Koalitionsvertrags zum letzten Landesparteitag formuliert hatte.

Mieten und Wohnraum

Wohnungsnot und immer schneller steigende Mieten gehören zu den drängendsten Problemen in der Stadt. Allein 2015 sind die Mieten in Berlin durchschnittlich um 6,7 Prozent gestiegen, schon jetzt fehlen absolut mindestens 125.000 bezahlbare Wohnungen. Der Koalitionsvertrag verspricht „Bezahlbares Wohnen für alle“ und dass „zunehmende Verdrängung“ verhindert und der „soziale Zusammenhalt in Berlin“ gestärkt werden soll. Doch den Ausverkauf der Stadt an Investoren und den Wohnungsmangel werden auch kleinere Verbesserungen, wie die kaum nennenswerte Absenkung der maximalen Miete bei belegungsgebundenen Wohnungen des alten sozialen Wohnungsbaus von 6 auf 5,75 Euro pro Quadratmeter, die Umstellung von Nettokalt- auf Bruttowarmmiete bei der 30 Prozent-Grenze des Einkommens für Härtefälle und andere Vorhaben nicht aufhalten. Die vorgesehenen minimalen Maßnahmen betreffen auch nur einen Teil der Wohnungen insgesamt. Sie werden kaum grundlegende Verbesserung für die Gesamtheit der Berliner MieterInnen bedeuten.

Langfristig kann die Wohnungsnot in Berlin nur durch massiven Neubau von landeseigenen Wohnungen mit bezahlbaren Mietpreisen gestoppt werden. Die Absichtserklärung, 6.000 Wohnungen pro Jahr durch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften bauen zu wollen, davon die Hälfte für WBS-Berechtigte, ist hingegen nicht ansatzweise ausreichend, insbesondere im Hinblick darauf, dass Berlin jährlich um 40.000 Menschen wächst und in den nächsten fünf Jahren circa 20.000 Wohnungen aus der Sozialbindung rausfallen werden.

Die LINKE Neukölln hat deswegen und mit dem Hinweis darauf, dass unter Rot-Rot 2001-2011 über 100.000 Wohnungen privatisiert wurden, unter anderem den Neubau von 100.000 kommunalen Sozialwohnungen in fünf Jahren gefordert und in ihrem Wahlprogramm grundlegend formuliert, dass sie für die Überführung privater Immobilienkonzerne in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle streitet.

Abschiebungen

„An die Stelle einer reinen Abschiebepolitik soll die Förderung einer unterstützten Rückkehr treten.“ Mit diesem Satz macht der Koalitionsvertrag deutlich, dass es maximal etwas weniger Abschiebungen geben, aber dennoch die rassistische Praxis des Staates weitergeführt werden soll. Direktabschiebungen aus Schulen, Jugendeinrichtungen und Krankenhäusern und die Trennung von Familien bei Abschiebungen und Rückführungen in Regionen, in die solche aus „humanitären“ Gründen nicht tragbar sind, soll es nicht mehr geben. Was diese „humanitären“ Gründe genau sein sollen, bleibt unklar. Die Argumentation folgt der Logik der Thüringer Landesregierung: Auf Landesebene sollen alle Spielräume genutzt werden, an Bundesgesetze müsse man sich aber schlussendlich halten. In Thüringen wurde nach wenigen Monaten der Winterabschiebestopp wieder ausgesetzt, 2016 (bis Oktober) wurden dort unter Mitverantwortung der LINKEN 521 Menschen abgeschoben, 343 mehr als im vergangenen Jahr und mehr als unter der Vorgängerregierung.

Die LINKE Neukölln fordert deswegen einen sofortigen Abschiebestopp und dezentrale Unterbringung von Geflüchteten in Wohnungen, letzteres wird im Koalitionsvertrag als Zukunftsvision formuliert.

Öffentlicher Dienst und Tochterunternehmen

Sei es in den Krankenhäusern, an den Schulen oder in den Bürgerämtern: Überall in Berlin mangelt es an Personal, prekäre Beschäftigung nimmt zu, 60.000 BerlinerInnen können von ihrer Arbeit nicht leben und müssen mit Hartz-IV Leistungen aufstocken. Die soziale Infrastruktur ist ein einziges Chaos und die Verwaltungen durch den Abbau von 35.000 Stellen im Öffentlichen Dienst unter Rot-Rot chronisch unterbesetzt.

Der Koalitionsvertrag verspricht: „Die öffentliche Verwaltung wird in die Lage versetzt, ihre Aufgaben in angemessener Zeit qualitativ und quantitativ erfüllen zu können.“ Doch das wird nur durch die Schaffung von sehr vielen neuen Stellen im Öffentlichen Dienst möglich sein. Wie viele genau in welchem Zeitraum geschaffen und tariflich bezahlt werden sollen, findet keine Erwähnung. Im Vertrag ist die Rede von 5000 bis 6000 benötigten Stellen mehr pro Jahr, was nach Abzug von KollegInnen, die in Rente gehen, nur ungefähr 1000 bis 1500 Stellen mehr pro Jahr bedeuten würde und wodurch all diese Probleme nicht gelöst werden. Die LINKE Neukölln fordert deshalb die Schaffung von mindestens 10.000 neuen tariflich entlohnten Arbeitsplätzen im öffentlichen Bereich.

GrundschullehrerInnen, die nach der neuen Berliner Ausbildung ihre Qualifikation erworben, sollen in die Entgeltgruppe A13 eingeordnet werden. Nur unter der Bedingung „zusätzlicher Qualifikation“ sollen KollegInnen, die früher oder in einem anderen Bundesland ihre Ausbildung absolviert haben, zukünftig besser bezahlt (schrittweise bis auf die Stufe E13) werden.

Angestellte LehrerInnen werden weiterhin weniger verdienen als Beamte. Im Frühjahr 2016 haben Tausende angestellte LehrerInnen die Arbeit niedergelegt, die GEW stellt weiterhin die wichtige Forderung nach gleichem Gehalt für gleichwertige Arbeit auf. Wie Rot-Rot-Grün mit dem Problem, dass in den nächsten acht Jahren mindestens 3000 mehr neue LehrerInnen benötigt werden, umgehen will, bleibt unklar. Es sind finden sich keine konkreten Zahlen dazu, ob und wieviele LehrerInnen in den nächsten Jahren zusätzlich eingestellt werden sollen. Am Koalitionsvertrag kritisiert die GEW Berlin außerdem zurecht, dass der Personalschlüssel bei KITAs und den Horten nicht verbessert wird. „Stattdessen soll der dünnen Personaldecke mit einer Personalkostenbudgetierung beigekommen werden, die schon bei Lehrkräften zu einer Dequalifizierung des Berufs geführt hat,“ kritisiert die Vorsitzende der GEW Berlin Doreen Siebernik.

Problematisch ist außerdem, dass die Koalition das Pensionsalter der BeamtInnen den Angestellten anpassen und damit auf 67 Jahre erhöhen will. Wir sollten für Anpassungen eintreten, aber nicht, wenn sie Verschlechterungen bedeuten! DIE LINKE kritisiert bundesweit die Erhöhung des Renteneintrittsalters und hebt es jetzt in Berlin selbst an!

CFM1Für die KollegInnen der CFM ist die Absicht der Koalition, die Beteiligung privater Anteilseigner an der CFM zu beenden und die Bezahlung zu verbessern, ein Teilerfolg. Dieser wurde durch Streiks und einen jahrelangen Kampf erreicht. Wie schnell das umgesetzt wird, muss sich jedoch noch zeigen. Die ver.di Betriebsgruppe an der Charité warnt davor: „Insbesondere die privaten Anteilseigner werden alles dafür tun, um die politische Absichtserklärung aus dem Koalitionsvertrag zu unterlaufen.“ Notwendig bleibt die vollständige Wiedereingliederung in und die Angleichung an den Tarifvertrag der Charité, die KollegInnen werden den Kampf hierfür weiterführen müssen. Auch bei Vivantes ist eine Bezahlung von allen KollegInnen im Betrieb, ob Stammbelegschaft oder Töchter, nach TVöD und die Wiedereingliederung der Tochterunternehmen notwendig. Der Vertrag sieht zwar den Abschluss von Tarifverträgen „mit dem Ziel der zügigen Angleichung an TVöD“ vor, was das konkret bedeutet, bleibt aber unklar.

Verkehr

Die Koalition kündigt an, die zentralen Punkte vom Volksentscheid Fahrrad umzusetzen und bis Frühjahr 2017 ein Gesetz für den Radverkehr zu verabschieden. Mit zehn Millionen Euro zusätzlich für 2017, 40 Millionen in 2018 und 51 Millionen in 2019 für den Radverkehr sollen die zentralen Forderungen, wie zwei Meter breite Fahrradwege an allen Hauptstraßen, ein Fahrradstraßen-Netz oder die Verbesserung der Sicherheit für Radfahrer an den Kreuzungen, erfüllt werden. Die Initiatoren des Fahrrad-Volksentscheides sind mit den Ankündigungen zufrieden und pochen auf die zeitnahe Umsetzung.

Der Preis vom Berlin-Ticket S soll „zeitnah“ an den ALG II Regelsatz für Verkehr angepasst werden und damit von 36 Euro auf 25,45 sinken. Die A100 wird am Treptower Park vorerst beendet und der 17. Bauabschnitt nach Lichtenberg soll in dieser Legislatur nicht mehr gebaut, aber auch keine Vorentscheidung für zukünftige Regierungen getroffen werden.

Beides sind mit die größten Verbesserungen im Koalitionsvertrag. Jedoch droht bei der S-Bahn mit ihm eine mögliche Zerschlagung: Die Koalition will ab 2028 (Auslaufen des aktuellen Vertrages mit dem Staatskonzern Deutsche Bahn) „die Übernahmemöglichkeit durch eine/n neuen Betreiber*in prüfen“ (S.55 Zeile 247) und „die Abhängigkeit von einem/r einzelnen Betreiber*in verringern, um mehr Einfluss auf die Qualität des S-Bahn-Verkehrs zu erreichen und die Kosten zu senken.“ (ebd.) Das heißt die Zerschlagung der S-Bahn und kann sowohl den Einstieg des Landes in den Betrieb der S-Bahn als auch die Teil-Privatisierung bedeuten.

Finanzen

Die meisten Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag stehen grundsätzlich noch unter Finanzierungsvorbehalt. So steht im Vertrag ein „genereller Haushaltsvorbehalt“ (S. 63 Z. 53), vom dem 50 Millionen für die Sanierung von Polizei- und Feuerwehrwachen, 50 Millionen für die Investitionen im Zusammenhang mit der Einführung der Elektronischen Akte und jeweils 100 Millionen für die WBG, die Kapitalaufstockung des Stadtwerkes und für die Schulsanierung ausgenommen sind. Auch wenn der Bedarf für Investitionen durch die sozialen Missstände und das Wachstum der Stadt groß sind, wird die Schuldenbremse nicht infrage gestellt und ein ausgeglichener Haushalt und eine jährliche Tilgung von mindestens achtzig Millionen Euro festgeschrieben. „Auch wenn die aktuelle wirtschaftliche Lage gut ist, gestalten wir innerhalb eines finanz- und haushaltspolitischen Korridors, den wir nur teilweise beeinflussen können.“ (S. 5 Z. 74-76) Dass die Länderfinanzierung durch den Bund mangelhaft ist wird nur am Rande erwähnt, indem gesagt wird, dass sich die Koalition im Bundesrat für eine Vermögenssteuer einsetzt. Die Einführung einer Zweitwohnsitzsteuer ist die einzige Maßnahme, mit der eine Steigerung der Einnahmen angegangen werden soll. Eine Erhöhung der Gewerbesteuer und der Grunderwerbssteuer, die beiden Steuern auf Landesebene, die Reiche bzw. Kapitalbesitzer treffen würden, ist im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen.

Finanzierungsgesellschaften

Das Hauptinstrument, um die höheren Investitionen zu bezahlen, ist die Schaffung von Finanzierungsgesellschaften durch die landeseigenen Unternehmen (BVG, Messe, Vivantes, eine neu zu gründende Gesellschaft für Schulgebäude etc.).

Weil die Schuldenbremse ab 2020 die Aufnahme von neuen Schulden verbietet, soll das über landeseigene Gesellschaften erfolgen. Konkrete Zielzahlen sind im Koalitionsvertrag nicht aufgeführt. Für die Erneuerung der Fahrzeugflotte der BVG, die Sanierung der Messe, der Krankenhäuser und Schulgebäude sollen Kredite aufgenommen werden.

Um die Schuldenbremse zu umgehen, müssen die Kredite von Gesellschaften aufgenommen werden, die mindestens fünfzig Prozent ihrer Einnahmen nicht durch Steuergelder erhalten (also bei der BVG durch die KundInnen, bei den Krankenhäusern durch die Versicherungen, bei den Wohnungsbaugesellschaften durch die MieterInnen). Damit eine Kreditaufnahme möglich ist, muss daher das Kapital dieser Gesellschaften (U-Bahnen, Krankenhausgebäude, Häuser) als Sicherheit bei den Banken hinterlegt werden. Der Koalitionsvertrag schließt Privatisierungen der Finanzierungsgesellschaften oder der hinterlegten Werte aus. Doch was passiert, wenn durch fehlende Finanzmittel des Landes, zum Beispiel durch eine nächste Wirtschaftskrise, die Forderungen der Banken nicht mehr bedient werden können? Sie könnten etwa die Züge der BVG oder Schulgebäude, auf die eine Hypothek aufgenommen wurde, einfordern. Außerdem ist nicht klar, wie zukünftige Regierungen mit dem neuen rechtlichen Konstrukt umgehen werden und ob es den Einstieg in die Privatisierung erleichtert.

Tatsächlich werden durch die Finanzierungsgesellschaften einige Investitionen möglich, die im Rahmen der Schuldenbremse nicht möglich gewesen wären. Doch durch die Finanzierungsgesellschaften können nur Investitionen in Sachkosten vorgenommen werden. Investitionen in mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen, um die Kürzungen und Stellenstreichungen unter Rot-Rot von 2001 bis 2011 auszugleichen, werden durch die Finanzierungsgesellschaften nicht erreicht. Die reine Finanzierung durch Bankkredite kann nicht die Basis sein, um die soziale Infrastruktur der Stadt zu finanzieren. Um eine Finanzierung des Landes Berlin zu erreichen, die die notwendigen Investitionen in die städtische Infrastruktur ermöglicht, müssen die Einnahmen erhöht werden. Doch die Maßnahmen, die das Land dafür ergreifen könnte werden nicht angegangen und für eine deutliche Erhöhung der Zuwendungen vom Bund an die Länder und Kommunen – finanziert durch die Vermögen und Gewinne der Reichen und Konzerne – kämpft diese Koalition auch nicht. Trotz Finanzierungsgesellschaften, werden die Haushalte dieser Regierung Mangelhaushalte bleiben.

Eine linke Regierung müsste dagegen die Gewerbe- und Grunderwerbssteuern erhöhen, würde die Zinszahlungen an die Banken einstellen und einen Haushalt aufstellen, der dem tatsächlichen Bedarf entspricht. Um die Einnahmen dafür zu erhöhen, würde sie für eine Besteuerung der Reichen und Vermögen auf Bundesebene durch bundesweite Mobilisierungen den Kampf führen.

Wie viel ist der Koalitionsvertrag wert?

Jeder Koalitionsvertrag ist zunächst einmal eine Absichtserklärung. Mit der Verkündung des Verhandlungsergebnisses haben SpitzenpolitikerInnen von allen Parteien betont, dass die Länge des Koalitionsvertrages mit 251 Seiten ausdrückt, dass sie sehr viele Vorhaben schon konkret vereinbart und festgelegt haben. In zentralen Punkten fehlen allerdings genau diese konkreten Ergebnisse und feste Zielzahlen. Verschlechterungen werden in Koalitionsverträgen auch in der Regel nicht festgehalten (höchstens wie in Baden-Württemberg in Geheimverträgen) und werden versucht, später mit weniger Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit durchzusetzen. So wurde von der rot-rot-grünen Regierung in Thüringen ein im Koalitionsvertrag verankerter Winterabschiebestopp wieder von der SPD gekippt und sollen 8000 Stellen im Zuge einer Gebietsreform abgebaut werden.

Ist diese Koalition alternativlos?

Viele (Linke) in der LINKEN diskutieren jetzt, ob es eine Alternative zu R2G und zu diesem Koalitionsvertrag gibt und was denn passieren würde, wenn eine Mehrheit mit Nein stimmen würde. Wenn die LINKE nicht mit SPD und Grünen in die Regierung ginge, würde eine Regierung mit der CDU oder sogar mit der AfD drohen und die Verbesserungen, die im Koalitionsvertrag versprochen werden, würden nicht kommen, argumentieren einige. Doch diese Koalition ist nicht alternativlos. Die LINKE Berlin könnte auf Basis der Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen eine Koalition der Sachzwangsverwaltung mit SPD und Grünen ablehnen. Sie könnten sagen: Eine rot-grüne Minderheitsregierung, die die Versprechungen des Koalitionsvertrages umsetzen möchte, kann sie durch Enthaltung bei der Wahl des Bürgermeisters ins Amt verhelfen. DIE LINKE könnte dann für alle Verbesserungen stimmen, aber keine Verantwortung für die Mangelverwaltung wie beim Wohnungsbau übernehmen und daher einen Koalitions- oder Tolerierungsvertrag ablehnen.

Die positiven Ansätze des Koalitionsvertrages, wie die Absichtserklärungen zur Beendigung der privaten Profitaneignung bei der Charité-Tochter CFM sind nicht durch die Einsicht bürgerlicher PolitikerInnen oder das Verhandlungsgeschick der LINKE-Delegation erreicht worden, sondern durch den jahrelangen Druck der GewerkschafterInnen der Charité. Und darauf muss sich auch die Politik der LINKEN stützen. Wenn die Ressourcen der Partei, die jetzt in die Koalition gesteckt werden sollen, in die Stärkung und Unterstützung von außerparlamentarischen und gewerkschaftlichen Widerstand und die Ausarbeitung einer sozialistischen Perspektive für Berlin fließen würden, wäre mehr zu erreichen als am Verhandlungstisch mit den Damen und Herren von SPD und Grünen.

Jetzt droht eine Situation, in der parlamentarische Kritik an den tagtäglichen Zuständen in Berlin und eine Opposition zum Senat nur von rechts kommt. Dadurch droht, dass bei Unzufriedenheit mit den bestehenden Zuständen, für die jetzt DIE LINKE auch die Verantwortung übernimmt, Parteien wie die AfD gestärkt werden. Wie wir an den Themen deutlich gemacht haben, wird der Koalitionsvertrag den jetzigen Bedürfnissen der Berliner Bevölkerung nicht gerecht. Auch wenn der Senat jetzt ein paar Verbesserungen angeht und sich als Referenzprojekt für Rot-Rot-Grün im Bund präsentieren wird, kann er den Unmut nicht auf Dauer befrieden. Der Platz der LINKEN wäre deshalb besser an der Seite der Betroffenen des Kapitalismus statt in der Verwaltung seiner Missstände. Deswegen rufen wir dazu auf, beim Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag mit „Nein“ zu stimmen und für eine kämpferische, unangepasste und bewegungsorientierte LINKE zu kämpfen.