Nein zum Senat heißt nicht Rot-Rot-Grün

Sarah Moayeri, Direktkandidatin für DIE LINKE im Wahlkreis 01 Neukölln
Sarah Moayeri, Direktkandidatin für DIE LINKE im Wahlkreis 01 Neukölln

Keine Regierungsbeteiligung der LINKEN in Berlin

In einer Woche wird in Berlin gewählt. Der rot-schwarz geführte Senat wird dabei für sein Versagen, die drängendsten Probleme in der Stadt zu lösen, Rechnung tragen. Nach aktuellen Umfragen kommen SPD und CDU gemeinsam auf nur 41 Prozent, die Berliner Landesregierung ist die unbeliebteste in Deutschland.

von Sarah Moayeri, Berlin

Die Wut auf die regierenden Parteien ist in der Stadt deutlich zu spüren und drückt sich auch in Protesten gegen steigende Mieten und Verdrängung oder miese Arbeitsbedingungen aus.

Die AfD liegt bei 15 Prozent und kann sich nach ihrem erschreckenden Erfolg in Mecklenburg-Vorpommern noch mehr im Aufwind fühlen. Sozialkürzungen, Arbeitslosigkeit und wachsende Entfremdung von den etablierten Parteien und staatlicher Rassismus haben der AfD den Boden bereitet. Ihr Aufstieg dort hängt aber auch mit einer regierungsorientierten LINKEn zusammen, die einen entpolitisierten und angepassten Wahlkampf geführt hat. Sie wird mit ihrer Vergangenheit als Regierungspartei, von der sie sich nie wirklich losgesagt hat, zurecht von der Bevölkerung als Teil des Establishments wahrgenommen. Führende Köpfe der Linkspartei fordern jetzt auch in Bezug auf die Wahlen in Berlin Rot-Rot-Grün, um der AfD etwas entgegenzusetzen. Die Auswirkung einer solchen Regierung wäre allerdings das Gegenteil. Wenn die LINKE als Verwalterin des Kapitalismus auftritt, haben die Rechtspopulisten ein noch leichteres Spiel und können sich als „Anti-Establishment“ präsentieren.

Andere Politik nötig!

Ja, Berlin braucht dringend eine andere Regierung. Eine, die Schluss macht mit dem Bau von Prestigeobjekten, wie dem Ausbau der A100, BER oder dem Stadtschloss und das Geld stattdessen in bezahlbaren Wohnraum investiert. Eine, die die Ausgründungen an der Charité und bei Vivantes rückgängig macht und mehr Personal in den Krankenhäusern und generell im Öffentlichen Dienst schafft. Eine, die die Zinszahlung an die Banken beendet und stattdessen die nötigen Milliarden in Schulsanierungen und Radwege investiert. Nötig wäre die Gewerbesteuer und die Grunderwerbssteuer zu erhöhen, Nein zur Schuldenbremse zu sagen und die Politik im Interesse der Banken und Konzerne auf Bundesebene abzulehnen.

Das alles sind Maßnahmen, die grundlegend den Interessen der Herrschenden und ihren Parteien, von Grüne bis CDU, widersprechen und die Agenda der LINKEn bestimmen sollten. Doch für die Führung der LINKEn Berlin ist stattdessen jetzt schon ein Bündnis mit SPD und Grüne beschlossene Sache. Für LINKE Spitzenkandidat Klaus Lederer gibt es dafür auch ein klares Vorbild: „In Thüringen ist das von Bodo Ramelow von Anfang an so gemacht worden. Da wird auf Demütigungen oder Ansagen verzichtet und versucht, sich in die anderen Partner rein zu versetzen.“ (Interview mit Berliner Zeitung) Und das wo eine klare Ansage nötig wäre und nicht sich in Abschiebe- und Hartz-IV Parteien reinzuversetzen.

Unter dem Titel „12 Projekte für eine soziale, demokratische und ökologische Stadtentwicklung“ hat der Landesvorstand und Landesausschuss der LINKEN mit einem 12-Punkte-Plan veröffentlicht, welche Projekte sie in den „Mittelpunkt ihrer Arbeit“ stellen wollen. Der Plan liest sich wie ein Regierungsprogramm, womit jetzt schon Werbung für Rot-Grün-Rot gemacht wird. Die Punkte sind größtenteils nicht ausreichend, um die Probleme der Stadt zu lösen und zudem extrem lückenhaft, offensichtlich um Regierungsfähigkeit zu beweisen. Beispiele hierfür:

Abschiebungen

„Wir wollen Initiativen ergreifen, um bundesweit einen Abschiebestopp durchzusetzen“, steht im Papier. Das klingt erst einmal nicht schlecht, doch was bedeutet das konkret? Eine Gegenstimme bzw. Enthaltung im Bundesrat, während man in Berlin weiter Abschiebungen umsetzt? Thüringen ist das beste Beispiel dafür, dass die LINKE als Teil einer Landesregierung sich mit der Logik, Bundesrecht umsetzen und damit Abschiebungen durchführen zu müssen, abgibt. Was stattdessen notwendig ist, ist ein Abschiebestopp, auch für Berlin, ein Bleiberecht für alle und dezentrale und menschenwürdige Unterbringung für Geflüchtete.

In dem Papier finden außerdem weder ein Tarifvertrag für angestellte Lehrkräfte noch Forderungen gegen Ausgliederung und Tarifflucht bei öffentlichen Arbeitgebern Erwähnung. Dabei gehören prekäre Beschäftigung und Lohndumping zu den brennenden Problemen in der Stadt, KollegInnen der CFM traten am 07.09. in einen Warnstreik für die Übernahme des Charité-Tarifvertrags, Töchter bei Vivantes kämpfen für ähnliche Forderungen.

Wieviel Stellenaufbau im Öffentlichen Dienst für eine vernünftige und funktionierende Gesundheitsversorgung, Bildung und Infrastruktur notwendig ist, wird auch nicht erwähnt. Statt dessen sollen sogar 14 Millionen Euro ausgegeben werden, um einen Teil der Löhne für 1.000 zu schaffende Arbeitsplätze zu zahlen. Das bedeutet nichts anderes, als dass wir noch Geld dafür ausgeben, dass private Unternehmen Menschen zu Niedrigstlöhnen einstellen können.

Kleineres Übel?

Abgesehen von der offensichtlichen Unzulänglichkeit der „12 Punkte“ sind SPD und Grüne als Parteien der Spar- und Kürzungspolitik und Verwalter des herrschenden Mangels keine Partner für linke Politik. Es ist fatal, die Illusion zu schüren, man könne sie mit Druck nach links rücken. Wann hat die SPD etwas gegen die Immobilienlobby, steigende Mieten oder fehlende Schulen unternommen? Wie kann man von Parteien, die 100.000 Euro vom Baulöwen Klaus Groth oder 270.000 Euro vom Investor Jochen Ralph Wermuth spendiert bekommen erwarten, dass sie dann Politik gegen die Interessen dieser Investoren und Superreichen machen?

Auch in der Berliner Bevölkerung gibt es keine Aufbruchstimmung für Rot-Rot-Grün. Ein solches Bündnis wird höchstens als „kleineres Übel“ wahrgenommen, obwohl die Politk, die diese Regierung dann real machen wird, keineswegs entschieden ist. Auch wenn im Koalitionsvertrag keine massiven Verschlechterungen drinstehen werden, kann die Umsetzung durchaus anders aussehen.

Die Auswirkungen der katastrophalen 10 Jahre der Regierungsbeteiligung der Linkspartei sind allgegenwärtig. In der Präambel des Landeswahlprogramms steht „Wir haben in unserer Regierungszeit von 2001 bis 2011 gemeinsam mit der SPD den Landeshaushalt stabilisiert und die massive Verschuldungspolitik der neunziger Jahre beendet.“ Doch auf wessen kosten? 100 000 privatisierte Wohnungen und massiver Personalabbau sind die Ursache für jetzt horrende Mietpreissteigerungen und Personalmangel im Öffentlichen Dienst. Die LINKE hat sich damit für viele Menschen in der Stadt unglaubwürdig gemacht. Um dieses Vertrauen wiederzugewinnen muss sie Teil von Bewegungen auf der Straße, Streiks und sozialen Kämpfen sein und darf sich nicht erneut an einer Regierung mit SPD und Grüne beteiligen.

Wenn die LINKE mitregiert und die massiven Mietsteigerungen trotzdem weitergehen, wenn die Beschäftigten der CFM weiter unter einem tariflosen Zustand und Personalmangel leiden müssen und wenn Geflüchtete weiter in Massenunterkünfte gepfercht oder abgeschoben werden, übernimmt sie die Verantwortung dafür, dass sich nichts verbessert und wird weiter an Glaubwürdigkeit verlieren.

Wir brauchen keinen Senat mit rotem Anstrich, der all diese Probleme weiter verwaltet. Wir brauchen eine Partei, die auf der richtigen Seite steht. Die BüdnispartnerInnen von DIE LINKE sind soziale Bewegungen, Aktive in Gewerkschaften, Betrieben und Stadtteilen. Dafür muss die Partei offen für alle sein und demokratische Entscheidungsprozesse garantieren, um dem Protest mit einem sozialistischen Programm gegen die kapitalistische Misere einen organisierten Ausdruck zu verleihen.

Es ist illusorisch zu glauben, grundlegende Verbesserungen könnten mit einer Regierungskoalition, die aus linken und bürgerlichen Parteien besteht, herbeigeführt werden. Was es dafür braucht, ist Druck von unten und Kämpfe der Bevölkerung, die das Kräfteverhältnis grundlegend ändern.

Entscheidende Errungenschaften in der Stadt wurden nicht im Parlament beschlossen, sondern erkämpft: der bundesweit erste Tarifvertrag für mehr Personal im Krankenhaus an der Charité, Verbesserungen im Bereich der sozialen Wohnraumversorgung durch den Mietenvolksentscheid, die Offenhaltung des Tempelhofer Feldes.

Egal von wem nach den Wahlen der Berliner Senat geführt wird und ob die Führung der Partei an einer Koalition mit SPD und Grünen beteiligt, muss unsere Aufgabe als AktivistInnen der LINKEn sein, mit all unseren Ressourcen diese Kämpfe voranzutreiben, Sprachrohr von Bewegungen zu sein und Widerstand gegen Rassismus, Sparzwang und Kapitalismus zu organisieren.