TTIP schadet Ihrer Gesundheit

Foto: https://www.flickr.com/photos/128414175@N07/ CC BY-NC-SA 2.0
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Pharmakonzerne wollen Freihandel durchsetzen

Ich arbeite im Krankenhaus Dresden-Neustadt. Bis vor kurzem habe ich noch gedacht, dass ich mich mit TTIP nicht ganz so intensiv beschäftigen müsste. Ich meine – ist doch klar, dass ich als Linke gegen Freihandelsabkommen bin. Die helfen nur den großen Konzernen, ihre Waren noch leichter überall abzusetzen und werfen erkämpfte soziale Standards über den Haufen. Je mehr ich über die beiden Abkommen CETA und TTIP gelesen habe, desto klarer wurde mir, dass hier ein allgemeines „Dagegensein“ nicht ausreicht. Diese Verträge könnten das Ende des staatlich regulierten Gesundheitswesens bedeuten.

von Dorit Hollasky, Dresden

Die Pharmalobby gehört zu den Akteuren, die am häufigsten bei den Verhandlungen dabei sein wollen. Ihr Ziel ist es, die Patentschutzzeiten für neue Medikamente deutlich zu erhöhen, damit sie dafür länger überhöhte Preise kassieren können. Zudem wollen sie die Standards dafür senken, was als Erfindung bzw. als Patent gilt. Es können dann Medikamente als neues Patent ausgegeben werden, bei denen nur Kleinigkeiten an der Zusammensetzung eines Vorgängers geändert wurden („evergreening“). Bei der Neuzulassung von Medikamenten will die Pharmaindustrie nicht mehr alle Ergebnisse klinischer Studien veröffentlichen. Sie will sich auf die Daten beschränken, die die positiven Wirkungen des Medikaments herausstellen. In der EU wurde gerade erst 2014 eine Verordnung erlassen, die zur Veröffentlichung aller Daten aus diesen Studien verpflichtet. Seitdem müssen auch Ergebnisse wie zum Beispiel ausbleibende Langzeitwirkungen oder riskante Wechselwirkungen veröffentlicht werden. Diese hart erkämpften Regelungen könnten nun wieder abgeschafft oder unterlaufen werden.

Ausschreibungen bei Privatisierungen

Wenn Krankenhäuser oder andere Gesundheitseinrichtungen privatisiert werden, müssen diese „Angebote“ zukünftig offiziell ausgeschrieben werden, so dass sich auch ausländische Investoren bewerben können. Diese Privatisierungen sind dann nicht mehr durch staatliche Beschlüsse rückgängig zu machen und die neuen Eigentümer hätten trotzdem den Anspruch auf staatliche Subventionen.

Krankenversicherungen

Die gleiche Wettbewerbsfreiheit soll auch für private Krankenversicherungen gelten. Ausländische Versicherungen werden intensiv um lukrative PatientInnen und gewinnbringende Dienstleistungen werben. Sie können gegen die bisher üblichen Risikoausgleichssysteme vorgehen, die Finanztransfers von Versicherungen mit geringen Risikoprofilen an Versicherungen mit hohen Risiken vorsehen. Wer trägt dann das Risiko? Die Versicherten.

„Indirekte Enteignung“

Das skurrilste Wort in dem Abkommen ist die „indirekte Enteignung“: Wenn ein Kapitalist einen bestimmten Gewinn machen will, diesen aber durch äußere Gegebenheiten nicht erzielen kann, dann ist das laut TTIP bereits Enteignung! Und dagegen kann das Unternehmen beim jeweiligen Staat auf Schadensersatz klagen. So fordert zum Beispiel der Tabakkonzern Philip Morris Schadensersatz von Uruguay wegen gesetzlich vorgeschriebener Warnhinweise auf Zigarettenschachteln.

Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen

Das bedeutet, dass auch alle Gesetze, die Arbeitsbedingungen oder Behandlungsstandards regeln, als gewinnmindernde indirekte Enteignung angegriffen werden können. Mindestlöhne, Arbeitszeitgesetze, Mutterschutz, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall – alles gewinnmindernd! Auch die angestrebte gesetzliche Personalbemessung in Krankenhäusern könnte dann wieder ausgehebelt werden. Und wer wird wirklich enteignet? ArbeitnehmerInnen, die nach dem Willen der Unternehmen noch billiger, intensiver und länger arbeiten müssen.

Nichtöffentliche Gerichte

Nun könnte man denken: Das ist doch Schwarzmalerei, in unserem Rechtssystem wird schon die Gerechtigkeit nicht ganz versagen – auch hier falsch gedacht: TTIP sieht vor, dass Unternehmen vor nicht-öffentlichen Schiedsgerichten gegen Staaten klagen können, wenn sie sich in ihrer unternehmerischen Freiheit beschränkt fühlen. Die derzeitigen Pläne sprechen von fünfzehn Richtern, die von der EU-Handelskommission selbst ernannt werden und sich dann um alle Klagefälle hinter verschlossenen Türen kümmern. Öffentliche Gerichte bleiben völlig außen vor.

Und was tun die EU-Parlamentarier?

Kontrolle ist unerwünscht! Die Verhandlungen verlaufen hinter verschlossenen Türen, Dokumente werden streng geheim behandelt. „Da verhandelt die EU mit den USA über etwas, was alle Bürger direkt angeht. Denn ein derartiges Abkommen ist höherrangig als EU- oder deutsches Recht. Und dennoch sind diese Verhandlungen völlig intransparent. Die EU begründet das mit Geheimhaltungsverpflichtungen bei derartigen Abkommen. Doch wenn Regelungen verabredet werden, die europäisches und nationales Recht brechen können, dann muss es schon bei den Verhandlungen eine demokratische Kontrolle geben.“ (Doris Pfeiffer, Vorsitzende des Kassen-Spitzenverbandes GKV, zitiert in: Frankfurter Rundschau, 19.5.2014.)

Als wir in Dresden 2012 gegen die GmbH-Gründung der städtischen Krankenhäuser kämpften, war ein Slogan „Gesundheit ist keine Ware“. Mit TTIP wäre Gesundheit nichts anders mehr. Wäre das nicht ein Gegenentwurf: ein Abkommen aller ArbeiterInnen weltweit für gleiche soziale Standards, Mindestlöhne, kürzere Arbeitszeiten, Urlaubsansprüche, Gesundheitsschutz und noch vieles mehr. Dafür gilt es aktiv zu werden.

Dorit Hollasky ist Sozialarbeiterin im Städtischen Klinikum Dresden und Mitglied des SAV-Bundesvorstands
Quellen:

www.umweltinstitut.org/fragen-und-antworten/freihandelsabkommen/

blog.campact.de/2016/04/bittere-medizin-ttip-und-ceta-gefaehrden-die-gesundheit/

www.zeit.de/wirtschaft/ 2016-05/ttip-freihandel-risiko-kapital-sozialdienste