Vergewaltiger bestrafen, nicht die Opfer!

Flashmob gegen Männergewalt, Köln 2016 - Von Elke Wetzig - Eigenes Werk, CC-BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=46253819
Flashmob gegen Männergewalt, Köln 2016 – Von Elke Wetzig – Eigenes Werk, CC-BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=46253819

Der Fall Gina-Lisa Lohfink und das deutsche Sexualstrafrecht

Im Dezember 2015 wurde das Model Gina-Lisa Lohfink zu einem Strafgeld von 24.000 Euro verurteilt. Sie hatte 2012 zwei Männer angezeigt, die sie in offenbar benebeltem Zustand dabei filmten, wie sie sie vergewaltigten, um den Film dann für 100.000 Euro an die Presse zu verkaufen. Auf dem Video ist zu sehen, wie Gina-Lisa Lohfink wiederholt die Worte „Hör auf!“ sagt. Trotzdem wurde sie zu sechzig Tagessätzen Strafgeld verurteilt. Lohfink habe gelogen, so das Gericht.

von Katharina Doll, Hamburg

Schon länger will Justizminister Maas das Sexualstrafrecht verschärfen. Doch sein Vorschlag ist nicht viel mehr als heiße Luft. Immer noch müsste das Opfer sich körperlich wehren, oder nachweisbar „widerstandsunfähig“ sein, damit eine Vergewaltigung bestraft wird. Nur die Strafbarkeit bei Widerstandsunfähigkeit, also zum Beispiel körperlicher Einschränkung, wird in Maas‘ Vorschlag ausgeweitet.

Nein heißt Nein!

CDU und SPD behaupten, sie würden ergänzend auch die gesetzliche Durchsetzung von „Nein heißt Nein“ planen. Tatsächlich meinen sie, dass es nicht zu tatsächlicher Gewalt kommen muss, sondern dass „nur“ Gewaltandrohung oder Schutzlosigkeit für eine Bestrafung reicht. Weiterhin gibt es keine Gesetzesvorlage, die Sex trotz klarem „Nein“ als Vergewaltigung einstuft.

Von mindestens 100.000 Vergewaltigungen jedes Jahr in Deutschland werden nur 8000 angezeigt. Das hat verschiedene Gründe. Viele fürchten die Demütigungen durch Polizei und Behörden. Eine wirkliche Verbesserung des Sexualstrafrechts wäre ein Fortschritt. Langfristig müssen wir uns gegen sexualisierte Gewalt aber selbst wehren. Das nicht individuell, sondern organisiert. So brauchen wir zum Beispiel gewerkschaftliche Kampagnen gegen sexualisierte Gewalt unter anderem am Arbeitsplatz.

Sex im Kapitalismus

In den letzten Jahren gab es Wellen von Frauenprotesten. Die meisten richten sich gegen eine gewalttätige und sexualisierte Kultur des Frauenhasses. Emma Quinn und Laura Fitzgerald von der Socialist Party Irlands schreiben dazu: „‘Rape culture’ […] ist das Herunterspielen von Vergewaltigung. Das tritt im Zusammenhang damit auf, dass Frauen in den vergangenen Jahren immer stärker zu Objekten gemacht werden.“

Aber wem nützt das? Sexismus und die „Frau als Ware“ sind im Kapitalismus ein hochprofitables Geschäft. Der Film „Fifty shades of Grey”, der die Unterwerfung der Frau auf Kinoleinwänden zur Kultur erklärt, war mit Einnahmen von über fünfhundert Millionen Dollar der profitabelste Film im Jahr 2015. Großbordelle wie das „Pascha“ in Köln sind Projekte kapitalstarker Unternehmer wie Hermann Müller, der erst kürzlich wegen Hinterziehung von 1,2 Millionen Euro Steuern verhaftet wurde. Diese Leute profitieren von der Kultur der „Ware Frau“, die die Entfremdung zwischen den Geschlechtern schürt.

Was wir wollen

Bei Vergewaltigung geht es um das Ausleben von Macht, sie ist Teil der Unterdrückung der Frau in dieser Gesellschaft. Das sieht man daran, wie häufig Vergewaltigungen als politische Waffe genutzt werden – zum Beispiel in Kriegen.

Nur starke, solidarische Strukturen werden an diesen Zuständen etwas ändern. Dazu ist es genauso nötig, dass Männer und Frauen in Protesten und Streiks Schulter an Schulter stehen, wie dass wir gemeinsame Kämpfe gegen Frauenunterdrückung führen. Die Kämpfe von uns Frauen sind nicht losgelöst, sondern notwendiger Bestandteil der Kämpfe für unsere Rechte als ArbeiterInnen und Sozialismus.

Wir kämpfen für eine Kultur, in der Sex genauso wie soziales Zusammenleben allgemein auf Einverständnis und Respekt beruhen. In einer solchen Gesellschaft ist „Nein heißt Nein“ kein Diskussionsthema, sondern Selbstverständlichkeit. Das ist nicht nur das Interesse von uns Frauen, sondern von den Frauen und Männern unserer Klasse gleichermaßen.

In einem Gedicht über den Streik der Frauen in der US-amerikanischen Textilindustrie von 1912 schrieb James Oppenheim: „As we come marching, marching, we bring the greater days. The rising of the women means the rising of the race.” (Sinngemäß: „Wenn wir anmarschiert kommen, bringen wir die besseren Tage. Der Aufstand der Frauen ist der Aufstand der Menschheit.“)
Die SAV fordert:

  • Kürzungsstopp von sozialen Angeboten wie Frauenhäusern und Beratungsstellen
  • Ein flächendeckendes Angebot an gut ausgebauten, selbstverwalteten Frauenhäusern, Frauenberatungsstellen und -notrufen
  • Flächendeckende Möglichkeit für Vergewaltigungsopfer, Anzeige bei auf Fälle von sexualisierter Gewalt geschultem weiblichem Personal erstatten zu können
  • Wähl- und Abwählbarkeit von RichterInnen und StaatsanwältInnen. Sie müssen der öffentlichen Kontrolle durch JuristInnen, Frauenbeauftragten der Gewerkschaften und Frauenorganisationen unterliegen