Schülerstreiks gegen Rassismus

SchülerstreikMehrere tausend Jugendliche gegen staatlichen Rassismus, AfD, Pegida & Co auf der Straße

Rund 7.000 SchülerInnen beteiligten sich am Mittwoch 27. April in mehreren Städten an Schülerstreiks und Demonstrationen gegen Rassismus.

von Michael Koschitzki, Berlin

Diese Streiks und Demonstrationen gehören zu einer vielzahl wichtiger antirassistischer und antifaschistischer Aktivitäten, an denen sich SAV-Mitglieder bundesweit beteiligen. Angesichts der Gewalt gegen Geflüchtetenunterkünfte, angesichts von Naziaufmärschen und der steigenden Wahlunterstützung für die AfD sind solche Aktionen notwendiger denn je. Deshalb mobilisiert die SAV gemeinsam mit GenossInnen und KollegInnen aus LINKE, linksjugend und Gewerkschaften beispielsweise gegen den AfD-Programmparteitag in Stuttgart am 30. April, organisiert gemeinsam mit Gewerkschaftsjugenden antirassistische Jugendblöcke am 1. Mai in Hamburg und Aachen, mobilisiert gegen den Naziaufmarsch am 7. Mai in Berlin und führt eine Kampagne gegen den so genannten „Tag der deutschen Zukunft“ (TddZ) in Dortmund durch. Beim Bündnis „Köln gegen Rechts“ helfen SAV-Mitglieder mit, eine bundesweite Aktion gegen rechte Gewalt am Tag X (nach einer leider zu erwartenden nächsten Eskalation rassistischer Gewalt) zu organisieren. In Dresden und Berlin mobilisieren wir wöchentlich gegen Pegida und Bärgida.

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Alerta Antifacista

In Bremen gingen an dem Tag eintausend Jugendliche auf die Straße gegen Rassismus, in Bremerhaven zweihundert. In Kiel waren es fünfhundert. Zur Streikaktion in Dresden kamen siebzig Jugendliche, nach Bonn dreihundert, Frankfurt und München jeweils vierhundert. Während bei den Demonstrationen am Vormittag fast ausschließlich SchülerInnen kamen, waren bei einer nachmittäglichen Demonstration in Kassel mit dreihundert TeilnehmerInnen auch andere AktivistInnen vertreten. Die größte Aktion fand in Berlin mit, laut Veranstalter, viertausend TeilnehmerInnen statt und erreicht damit wieder die Größe, die sie letztes Jahr bei zwei solcher Aktionen hatte. Lautstark zog die kämpferische Demonstration mit mehreren Lautsprecherwägen, bei denen auch verschiedene Rapper auftraten durch den Wedding und zum LaGeSo.

In Bremen und Bremerhaven halfen SAV-Mitglieder den Schülerstreik zu organisieren. Sebastian Rave von der SAV Bremen sagte in seiner Rede: „Die AfD profitiert von der Wut auf die herrschenden Parteien – dabei ist die AfD gar nicht anders als die. Wie sollte sie auch, ihre Führungsleute sind Adlige, Wirtschaftsprofessoren und Unternehmer. Sie wollen noch mehr privatisieren, sie wollen noch niedrigere Löhne, sie wollen noch mehr kürzen – Nicht mit uns!

Wir zeigen heute: Wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen! Ob wir zur Schule, zur Uni oder zur Arbeit gehen. Egal ob wir einen deutschen Pass haben oder nicht. Egal, woran wir glauben. Egal, welche Hautfarbe wir haben! Wir sind eine Klasse, und wir sind nicht allein!“

In Kassel beteiligten sich SAV, linksjugend und LINKE an der Nachmittagsdemonstration. Dort wurde vor kurzem eine linksjugend [’solid]-Gruppe wieder gegründet, deren Flugblätter auf großes Interesse stießen.

Drei verschiedene „Zubringerdemonstrationen“ hatten sich in Berlin formiert, die an verschiedenen Schulen vorbeigingen, um SchülerInnen abzuholen und Unentschlossene zu überzeugen. Im Prenzlauer Berg taten sich SchülerInnen zusammen, erstellten einen eigenen Aufruf und Forderungen und organisierten selbst die Demonstration. linksjugend [’solid] Berlin-Ost und Kreuzkölln verteilten Flugblätter für die Demonstration und luden an Schulen zu Informationstreffen zum Streik ein.

Sie verteilten auf dem Streik Flugblätter gegen den Naziaufmarsch am 7. Mai und luden gemeinsam mit anderen linksjugend-Gruppen zu einer stadtweiten Veranstaltung am 5. Mai ein, bei der die Kampagne „Reclaim Alternatives“ gestartet werden soll. Sie soll Widerstand gegen Rassismus, AfD, NPD & Co. vernetzen und ihnen die Grundlage entziehen. Bis zur Abgeordnetenhauswahl im September sollen zahlreiche Aktivitäten auf die Beine gestellt werden.

Jugend gegen Rassismus

Der Streik-/Aktionstag war vom Bündnis Jugend gegen Rassismus im Januar ausgerufen worden. SAV-Mitglieder argumentierten gegenüber Jugend gegen Rassismus, dass ein Aktionstag nicht von einem kleinen Kreis von politisch Aktiven einfach ausgerufen werden, sondern durch Schülerinnen und Schüler von unten aufgebaut werden sollte. Sie warnten, dass ein erfolgreicher Streik eine breite Beteiligung voraussetzt, die über die SchülerInnen, die sich links verorten oder ohnehin aktiv sind, hinausgeht. Die Einschätzung der jungen SAV-Mitglieder war, dass eine solche Stimmung für einen bundesweiten Streik in der Masse der Schülerinnen und Schüler zum jetzigen Zeitpunkt nicht existiert. Das hat sich in der begrenzten Beteiligung bestätigt.

Nur in Bremen und Berlin war die Beteiligung etwas breiter, was darauf zurückzuführen ist, dass hier mehr organisierte Kräfte mobilisierten. In Bremen hatte die Gesamtschülervertretung von Anfang an, den Streik mitorganisiert und gemeinsam mit verschiedenen Gruppen dazu aufgerufen. In Berlin wurde der Streik vom Refugee Schul- und Unistreik Bündnis organisiert, das sich auf Mithilfe von einigen Schülergruppen und der Linken der Stadt stützen konnte. In anderen Städten scheint es bei den Bündnisstrukturen weniger Selbstorganisation und Einbeziehung von SchülerInnen zu geben.

Die Schülerstreiks waren an der überwiegenden Anzahl von Schulen Minderheitenstreiks einer kleinen Gruppe von SchülerInnen. Auch in Berlin waren es in der Regel nur ein paar Dutzend SchülerInnen einer Schule, die sich am Streik beteiligten, der aber durch die Anzahl der beteiligten Schulen zu einer etwas größeren Demo wurde. Damit unterscheiden sie sich von den Schülerstreiks gegen Bildungskürzung, die 2008 100.000 SchülerInnen und 2009 eine viertel Millionen bundesweit auf die Straße brachten. Streiks die nur eine kleine Minderheit der SchülerInnen umfassen, laufen Gefahr, dass sich AktivistInnen von den restlichen SchülerInnen isolieren statt sie mit linken Argumenten und sozialen Forderungen zu überzeugen und für den Kampf gegen Rassismus zu gewinnen, was die Hauptaufgabe derzeit ist.

Für den 21. / 22. Mai wurde von Jugend gegen Rassismus eine Perspektivkonferenz in Berlin angekündigt. „Nach dem Streik ist vor dem Streik“ kann dort nicht die Antwort darauf sein, wie man eine wirkliche Bewegung gegen Rassismus aufbaut sondern es muss genau diskutiert werden, mit welchen Kampfschritten, Forderungen und Organisationsvorschlägen Jugendliche aktiviert.