Gewalt gegen Frauen bekämpfen

Bürgerliche und Rechte verteidigen Frauen nicht

Silvester wurden in Köln zahlreiche Frauen Opfer massiver sexueller Belästigung und sexualisierter Gewalt, die aus einer großen Gruppe von Männern heraus begangen wurde, die von Zeugen als aus „Nordafrika“ oder dem „arabischen Raum“ stammend beschrieben wurden.

von Ianka Pigors, Hamburg

In wird Deutschland alle drei Minuten eine Frau vergewaltigt und fast jede 7. Frau über 16 Jahre ist bereits Opfer von strafrechtlich relevanter, sexualisierter Gewalt geworden. Der Umstand, dass die Taten in der Silvesternacht aus einer Gruppe von Männern heraus begangen wurden, die sich ganz überwiegend, sofern sie nicht selbst Täter waren, an den Vorgängen zumindest so wenig störten, dass sie nicht eingriffen, ist außergewöhnlich und für die meisten Frauen – nicht nur für die direkt Betroffenen – ein Albtraum. Die Situation ist ernst. Nicht nur wegen der Besonderheiten der Vorfälle in Köln, sondern auch, weil sich in Köln nur die Spitze eines Eisbergs gezeigt hat.

Sexualisierte Gewalt alltäglich

Es wäre an der Zeit, über das erschreckende Ausmaß sexualisierter Gewalt in dieser Gesellschaft zu reden, und darüber, wie sie bekämpft werden kann, denn sie ist erschreckend alltäglich. Dunkelzifferforschungen geben die Anzeigenrate bei Sexualstraftaten in Deutschland mit lediglich 5 bis 15 Prozent an. Nur ein Viertel der 6000 bis 7000 angezeigten Vergewaltigungen im Jahr wird strafrechtlich verfolgt. Es gibt also offenbar erheblichen Handlungsbedarf!

Leider verläuft die Diskussion völlig anders. Sie konzentriert sich fast ausschließlich auf die (mutmaßliche) Nationalität bzw. Religion der Täter. Statt über die Bekämpfung von sexualisierter Gewalt zu reden, wird über die Verschärfung des Ausländerrechts und die Einschränkung des Asylrechts spekuliert. Maßnahmen, die allesamt auch Frauen und LGBT-Personen treffen werden, auch wenn diese kaum jemals als gewalttätig auffallen. Migranten, Flüchtlinge oder Muslim werden pauschal zu Tätern stilisiert.

Die Tatsache, dass sexualisierte Gewalt gegen Frau zu 69 Prozent in deren eigenen Wohnung passiert und die Täter ganz überwiegend aus der eigenen Familie oder dem engeren sozialen Umfeld stammen, wird nicht erwähnt. Der Vergewaltiger ist immer „der andere Mann“, der Fremde, der nachts aus dem Busch springt und die unvorsichtige – weil nicht brav am heimischen Herd hockende – Frau überfällt. Er ist idealer Weise Ausländer.

„Kriminelle Ausländer“

In diesem Zusammenhang verbreitet sich der Mythos, dass das Ausmaß der „Ausländerkrimininalität“ vertuscht wird. Das Gegenteil ist der Fall: Sexualisierte Gewalt wird überwiegend dann aktenkundig, wenn eines von drei Kriterien erfüllt ist: 1. Der Täter war dem Opfer unbekannt, 2. der Täter war alkoholisiert und/ oder 3. der Täter war „Ausländer“. In allen anderen Fällen ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass das Opfer schweigt oder das Verfahren später eingestellt wird.

Jedem Tatsachenbeweis trotzend wird suggeriert, der „deutschen Frau“ drohe sexualisierte Gewalt überwiegend, wenn nicht ausschließlich, von nicht-deutschen Männern. Das Probleme werde „uns“ von außen aufgedrängt. Die wirkliche Situation wird dadurch verschleiert.

Es wird davon abgelenkt, dass die europäische Asly- und Migrationspolitik ebensoviel Mitschuld an der in einigen migrantischen Gruppen herrschenden Macho-Kultur trägt, wie die gesellschaftlichen Verhältnisse in einigen Herkunftsländern. Jede Frau, die sich – ob am Arbeitsplatz, in der Freizeit, in politischen Parteien oder Gewerkschaften- in von Männern dominierten Gruppen wiederfindet, wird bestätigen können, dass die Wahrscheinlichkeit, mit sexistischem Verhalten konfrontiert zu weren, erheblich ansteigt. Eine Migrationspolitik, die dazu führt, dass überwiegend junge Männer in Camps und Ghettos isoliert unter sich bleiben, schafft ideale Voraussetzungen für das Gedeihen von Subkulturen, in denen sexualisierte Gewalt und Chauvinismus zum Alltag gehören. Wir kennen das aus Kasernen, Knästen, Burschenschaften und katholischen Knabenschulen.

Rechte verteidigen Frauen nicht

Einheimliche, chavinistische Subkulturen, wie die „Volksgenossen“ von Pegida und Co stellen sich absurder Weise einen frauenfreundlichen Persilschein aus. Eine spanische Studie aus dem Jahre 2011 hat nachgewiesen, dass Menschen mit rassistischen Vorurteilen auch sexistische Einstellungen vertreten. Dies ist kaum verwunderlich, da beide Ideologien eng verwandt sind.

Eine „Einheitsfront“ mit deutschen Rassisten kann schon deshalb unter keinen Umständen die Sache der Frauen – egal, an welchem Ort der Welt – fördern. Daher stärken rassistische Forderungen, z.B. nach der Begrenzung der Flüchtlingszahlen die Rechten und Schaden der Sache der Frauen. Sozialist_innen verkennen nicht dass die Frauen- und Arbeiter_innenbewegung in Deutschland bereits mehr Frauenrechte erkämpfen konnte, als beispielsweise im Land „unseres“ Wirtschaftspartners Saudi-Arabien. Wir sehen darin auch keine Entschuldigung für Männer mit besonders frauenfeindlichen Traditionen, sich in Köln, Kabul oder Riad sexistisch zu verhalten. Umgekehrt sind die relativen Fortschritte, die hier erreicht wurden, aber nicht mit den, sondern gegen die herrschenden Verhältnisse und gegen der erbitterten Widerstand der Rechten durchgesetzt worden. Wir sind nicht dumm genug, dass zu vergessen.

Ianka Pigors ist Rechtsanwältin und aktiv in der SAV
Die SAV fordert:

  • Einsetzung einer unabhängigen Kommission von demokratisch gewählten Vertreter*innen der Opfer, von Frauen-Selbsthilfe-Organisationen, Frauenarbeitskreisen aus Gewerkschaften, mit vollem Zugang zu allen Beweismitteln zur Aufklärung der Vorfälle in der Silvester-Nacht sowie zum Verhalten der Polizei.
  • Für eine bundesweite Kampagne der LINKEN und Gewerkschaften gegen Sexismus und Rassismus.
  • Weg mit diskriminierender Gesetzgebung und Rechtsprechung.
  • Wähl- und Abwählbarkeit von RichterInnen, StaatsanwältInnen. Sie müssen der öffentlichen Kontrolle durch JuristInnen, Frauenbeauftragte der Gewerkschaften und Frauenorganisationen unterliegen.
  • Flächendeckendes Angebot an gut ausgebauten, selbstverwalteten Frauenhäusern, Frauenberatungsstellen und -notrufen. Ob städtisch oder autonom, die finanziellen Mittel müssen sichergestellt sein.
  • Abschaffung des Lagersystems für Flüchtlinge, dezentrale Unterbringung und Schaffung von eigenständigem Wohnraum für Migrantinnen und Kinder.
  • Ein Kontingent von leerstehenden Sozialwohnungen pro Gemeinde, die jederzeit verfügbar sind und preiswert an weibliche Flüchtlinge und Frauen, die aus Frauenhäusern kommen oder aus anderen Gründen nach einer Trennung schnell eine Wohnung benötigen, vergeben werden können.
  • Für einen vorurteilsfreien Sexualunterricht in den Schulen, ausreichend Beratungsstellen und ein öffentliches Programm für Aufklärung, Verhütung und Umgang mit HIV, freier Zugang zu Bildung und Weiterbildung für Migrant*innen.
  • kostenlose juristische, soziale und psychologische Betreuung für Frauen und Kinder
  • kostenlose Nachttaxis für Frauen; Flächendeckend ausgebauter öffentlicher Nahverkehr zum Nulltarif
  • Stadtplanung, die die Ängste von Frauen berücksichtigt dass heißt zum Beispiel Ampeln statt Unterführungen, ausreichende Straßenbeleuchtung