Wagenknecht und Bartsch: Kompromiss oder Linksruck?

DieLinke_RGBWas bedeutet die neue Fraktionsspitze für DIE LINKE?

Sahra Wagenknecht ist (für viele: endlich) Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Bundestag. Auf der Parteilinken wird nun gehofft, dass dadurch – und ohne die Dominanz Gysis – kämpferische und antikapitalistische Positionen gestärkt werden. Gleichzeitig scheint die Fraktion aber Feuer und Wasser versöhnen zu wollen. Denn neben Wagenknecht wurde auch der Ober-Realo Dietmar Bartsch als zweiter Fraktionsvorsitzender gewählt.

von Sascha Stanicic, Berlin

Gysi hatte jahrelang verhindert, dass der Parteibeschluss, die Fraktion von einer Doppelspitze führen zu lassen, umgesetzt wird, weil er neben sich keinen anderen Regenten, und schon gar nicht Sahra Wagenknecht, dulden wollte.

Nun wird mit der neuen Fraktionsspitze der Kompromiss institutionalisiert. Die Botschaft ist klar: die verschiedenen Flügel der Partei brauchen einander, wenn der parlamentarische Erfolg klappen soll.

Doch das ist zu kurz gedacht, denn eine linke Partei darf kein Selbstzweck sein. Nur wenn ihre tägliche Politik mit ihrem antikapitalistischen Anspruch übereinstimmt, sie die Menschen zum Widerstand gegen die herrschenden Verhältnisse organisiert und mobilisiert und sie sich der Verwaltung dieser Verhältnisse verweigert, kann sie auch wirklich linke Politik umsetzen.

Sahra Wagenknechts Wahl kann der Partei helfen, wenn sie ihre Position nutzt, um linke und antikapitalistische Positionen zu stärken und für entsprechende Mehrheiten in der Partei zu kämpfen. Dazu müsste sie aber auch dabei helfen, die Parteilinke zu organisieren. Wenn sie nun dazu beiträgt, die Differenzen zu verkleistern und bei jeder Gelegenheit den Kompromiss mit der Parteirechten zu suchen, wird die Partei als linke Widerstandskraft geschwächt. Vor diesem Hintergrund ist es falsch gewesen, dass nur vier Fraktionsmitglieder mit ihrer Stimmabgabe gegen Dietmar Bartsch deutlich gemacht haben, dass sie seine inhaltlichen Positionen nicht mittragen wollen.

Kompromiss als Problem

Denn das Problem ist: der Kompromiss zwischen denen, die den Kapitalismus überwinden und denen, die ihn in Regierungen mit SPD und Grünen mitverwalten wollen, hilft in der Regel dem rechten Flügel der Partei, selbst wenn er Zugeständnisse von seiner Ausgangsposition macht. Beispiel: die kürzlich in der Fraktion beschlossene Positionierung zu EU und Euro. Da hatte Gregor Gysi kurz vor seiner Abdankung einen Resolutionsentwurf vorgelegt, der für jeden Parteilinken und EU-Kritiker eine Provokation darstellte. Im letztlich beschlossenen Text finden sich dann ein paar antikapitalistisch angehauchte Formulierungen, aber die Grundaussage bleibt dieselbe: DIE LINKE steht zu EU und Euro.

Wagenknecht

Sahra Wagenknecht ist für viele eine Hoffnungsträgerin. Sie hat sich als Kapitalismuskritikerin, die die Ungerechtigkeiten und die Ungleichheiten scharf angreift, einen Namen gemacht. Auch als Kritikerin der EU, die den Euro bisher nicht als in Stein gemeißelt betrachtet hatte.

Aber auch sie stimmt solchen Kompromisspapieren zu und hat in den letzten Jahren ein gehöriges Maß ihrer Radikalität abgelegt. Noch vor wenigen Monaten war Wagenknecht im Rahmen der Griechenland-Debatten als stellvertretende Fraktionsvorsitzende zurück getreten, angeblich weil sie nicht ausreichend Rückendeckung für ihre Positionen in der Fraktion hatte. Nun muss man die Frage stellen, ob sich seitdem die Fraktion verändert hat. Wenn die inhaltliche Unterstützung für ihre linken Positionen in der Fraktion aber gar nicht ausreichend gegeben ist, wird sie entweder Generälin ohne Armee sein oder sich der Fraktion anpassen.

Die Gefahr ist groß, dass die Situation und das Kräfteverhältnis in Partei und Fraktion dazu führen, dass sich in der Doppelspitze weniger Bartsch nach links orientieren muss, als dass Wagenknecht die Schärfe genommen wird. Dass tagesschau.de nun zu der Einschätzung kommt „Bislang fuhr sie einen strammen Oppositionskurs. Doch im Gespräch mit den tagesthemen zeigte sie sich nun grundsätzlich offen für eine Koalition mit der SPD“, sollte als Warnung dienen. Die Schlussfolgerung kann nur sein: Es ist weiterhin dringend nötig in der LINKEN eine starken sozialistischen Flügel aufzubauen!