Spekulationsobjekte beschlagnahmen statt Turnhallen belegen

Foto: Martin Storz
Foto: Martin Storz

Stuttgart: Aktion für die Beschlagnahme der Haussmannstr. 4 – 6 und weiterer Leerstände

In der Haussmannstraße 4 – 6 in der Stuttgarter Innenstadt steht schon seit zwei Jahren ein sehr großes Gebäude leer. Ein Teil des Hauses ist ein typischer Altbau. Er wurde mit Sicherheit als Wohngebäude gebaut und irgendwann in ein Büro umgewandelt. Der Großteil des Gebäudes war von Anfang an ein Bürogebäude. Das Haus hat eine hervorragende Bausubstanz. Es gibt hundert große Zimmer, Aufzüge, auf jedem Stock eine Küche, zusätzliche Behinderten-WCs.

Von Ursel Beck

Hier könnten mehr als hundert Menschen barrierefrei wohnen. Doch die Bietigheimer Wohnbau will das Gebäude abreißen und circa zwanzig „exklusive Eigentumswohnungen“ bauen. Dagegen haben Aktive aus den Mieterinitiativen Stuttgart, dem Mietertreff Ost und der Gruppe Leerstandsmelder am 19.10.2015 protestiert. Ihr Motto: „Spekulationsobjekte beschlagnahmen statt Turnhallen belegen“. Unterstützt wurde die Aktion von der Gemeinderatsfraktion SÖS-LINKE-Plus. So zum Beispiel von Stadtrat Tom Adler mit einem youtube-Video

MontagsdemoteilnehmerInnen solidarisch

Der Fraktionsvorsitzende Hannes Rockenbauch informierte in seiner Rede bei der Montagsdemo gegen Stuttgart 21 über die Aktion und forderte die MontagsdemoteilnehmerInnen auf nach der Demo zur Unterstützung der Aktion in die Haussmannstraße zu gehen. Während an dem Gebäude ein riesiges Transparent mit der Aufschrift „100 leerstehende Zimmer – sofort beschlagnahmen für Wohnungssuchende, Geflüchtete, Studierende“ neben dem Werbeplakat für „Exklusive Eigentumswohnungen“ gehängt wurde, verteilten andere Aktive 1.000 Flyer bei der Montagsdemo. (link zu Flyer) Nach der Montagsdemo schwoll der Kreis der Demonstranten vor dem Gebäude auf 80 Menschen an. An Passanten wurden Flyer verteilt. Viele erklärten ihr Unverständnis über den Leerstand und den Bau von exklusiven Eigentumswohnungen. Vor dem Haus fand eine kurze Kundgebung statt mit Reden von Aktiven aus Mieterinitiativen und der Gruppe Leerstandsmelder. Hier wurde nochmals über den Zustand des Gebäudes informiert und die Forderung erhoben das Gebäude für Wohnzwecke zu beschlagnahmen. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass das Haus kein Einzelfall, sondern exemplarisch für tausende von ähnlichen Gebäuden in Stuttgart ist. Es wurde dazu aufgerufen die SWSG-Mieterinitiativen im Kampf gegen die geplante Mieterhöhung zu unterstützen und dafür zu einer Protestkundgebung am 27.10. um 17.30 Uhr vor das Rathaus zu kommen. Die Anwesenden wurden aufgefordert Leerstände auf www.leerstandsmelder.de/stuttgart zu melden. Stadtrat Christian Walter erklärte in einem kurzen Grußwort die solidarische Unterstützung der Fraktion SÖS-Linke-Plus für die Aktion.

Leerstand bekämpfen statt Flüchtlinge

In Stuttgart stehen nach offiziellen Zahlen 11.400 Wohnungen und 283.000 Quadratmeter Büroflächen leer. Hinzu kommen tausende leerstehende sonstige Laden- und Gewerbeflächen.

Würde nur die Hälfte der leerstehenden Wohnungen belegt und die freien Büroflächen zu Wohnzwecken umgebaut, könnten in Stuttgart mindestens 30.000 Menschen zusätzlich ein Dach über dem Kopf bekommen ohne dass eine einzige Wohnung neu gebaut werden müsste.

Die Stadt könnte den Leerstand beschlagnahmen. Und das wäre dringend nötig um die 4.000 dringend Wohnungssuchenden in der städtischen Vormerkdatei zu versorgen. Es wäre auch nötig um die wachsende Zahl der Studierenden unterzubringen. Und es wäre auch nötig, um den Flüchtlingen eine Bleibe zu geben. Stattdessen will die Stadt 83 Millionen Euro ausgeben um 4.000 Flüchtlinge für zwei Jahre in sogenannten Systembauten in isolierten Gebieten einzuquartieren. Zusätzlich werden Turnhallen mit Flüchtlingen belegt. Einer facebook-Teilnehmerin hat das „Team Fritz Kuhn“ folgendes geschrieben: „Die Stadt teilt die Ansicht von Stadtrat Adler nicht. Das Gebäude in der Hausmannstraße war ein Büro. In Büros kann und darf man nicht wohnen. Es fehlt nur noch der Zusatz: „Bei Turnhallen ist das anders. Sie sind Multifunktionsräume. Deshalb können und dürfen Flüchtlinge hier wohnen.“

Die Haussmannstraße 4 –6 zeigt: das Problem sind nicht die Flüchtlinge. Das Problem ist der die Spekulation mit Immobilien und Politiker, die mit der Immobilienwirtschaft verfilzt sind. Das muss gerade in Zeiten von wachsendem Rassismus deutlich gemacht werden. Nicht nur in Stuttgart.

 

Weitere Links zum Thema (anklicken):

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Radiosendung zu der Aktion im SWR1

Fotos im „Stuttgarter Tagblatt“

Artikel in der Stuttgarter Zeitung vom 21. 10.2015

Film über die Aktion bei youtube von Cams21