Fluchtverursacher zur Verantwortung ziehen!

Foto: https://www.flickr.com/photos/usnavy/ CC BY 2.0
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Das Sterben muss ein Ende haben! Rüstungskonzerne und Banken sollen zahlen!

Jeden Tag scheint die Unmenschlichkeit einen neuen Höhepunkt zu erreichen. 71 tote Geflüchtete in einem zugeschweißten LKW in Österreich. Brutale Internierung von Flüchtlingen in Käfigen durch ungarische Polizei. Und der Tod des kleinen Aylan Kurdi, der zum Symbol für das Leid von so Vielen geworden ist. Was muss noch geschehen, damit endlich wirkungsvolle Maßnahmen ergriffen werden, um dem unnötigen Sterben im Mittelmeer und auf anderen Fluchtwegen ein Ende zu bereiten?

Von Sascha Stanicic

Aylan ist nicht das Opfer einer Tragödie. Aylan wurde umgebracht. Die 71 toten Geflüchteten in dem LKW in Österreich wurden umgebracht. Tausende wurden in diesem Jahr schon umgebracht. Sie sind Opfer einer mörderischen Politik, die solche Todesfälle nicht nur in Kauf nimmt, sondern sie als eine notwendige Abschreckung für Menschen betrachtet, die sich auch auf den Weg nach Europa machen könnten. Warum sonst wurde das, sicherlich nicht ausreichende, Seenotrettungsprogramm Mare Nostrum eingestellt und durch das Grenzschutzprogramm Triton ersetzt? Erinnern wir uns an die Worte des Bundesinnenministers Thomas de Maizière: „Mare Nostrum war als Nothilfe gedacht und hat sich als Brücke nach Europa erwiesen.“ Die Brücke wurde eingerissen. De Maizière gehört zu den Mördern des kleinen Aylan, die in den Regierungsetagen der EU-Staaten und den Chefetagen der Banken und Rüstungskonzerne sitzen, welche an den Kriegen und dem sozialen Elend verdienen, die Millionen Menschen zur Flucht zwingen. Diese Fluchtverursacher müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Eigentlich gehörten sie alle auf die Anklagebank des Kriegsverbrechertribunals und für Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt.

Deutschland und Europa zeigen gerade zwei Gesichter. Da ist einerseits eine riesige Hilfsbereitschaft mit den Flüchtlingen. Wie der Sprecher des Roten Kreuzes in Süditalien vor einigen Monaten sagte, gilt dabei: „Je ärmer die Leute sind, desto mehr geben sie.“ Auf der anderen Seite gibt es tägliche Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, Behördenwillkür, werden Grenzzäune und -mauern errichtet.

Es ist nicht verwunderlich, dass eine Schicht von ArbeiterInnen und Erwerbslosen ehrliche Sorge vor einem nicht endenden Zustrom von Geflüchteten hat. Diese Sorge wurde durch die Propaganda der etablierten pro-kapitalistischen Parteien und ihren Schreiberlingen in den Massenmedien angeheizt. Mit Sprüche wie „Wir sind nicht das Weltsozialamt“ (CSU), „Wir können nicht die ganze Welt retten“ (CSU-Generalsekretär Scheuer), „Wir werden uns bis zur letzten Patrone sträuben, dass wir eine Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme bekommen“ (Bayrischer Ministerpräsident Seehofer“ und der Forderung die Schulpflicht für Kinder von AsylbewerberInnen auszusetzen, um „ein weiteres Heidenau zu verhindern“ (Thüringens SPD-Vorsitzender Andreas Bausewein) wurde der Eindruck erweckt, die Bundesrepublik Deutschland sei angesichts der hohen Zahl geflüchteter finanziell und sozial überfordert. Was für eine dreiste Lüge!

Egal, wie hoch man die „Kosten“ für die Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten beziffert – zwei Milliarden, vier Milliarden, acht Milliarden –, die Schaeffler-Familie könnte diese Kosten für mehrere Jahre übernehmen und bliebe eine Milliardärsfamilie! Und die Schaefflers verfügen nur über eines von 162 Milliardenvermögen, die sich auf 794,65 Milliarden Euro summieren. Ausgeschrieben: 794.650.000.000!!!!

Aber auch ohne eine dringend nötig Vermögenssteuer, würden die Haushaltsüberschüsse der öffentlichen Kassen in Höhe von 21 Milliarden Euro ausreichen, um den Ländern und Kommunen genug Mittel zur Verfügung zu stellen, um die schon in Deutschland angekommenen und viele weitere AsylberwerberInnen zu versorgen. Dafür müsste keine Sozialkürzung vorgenommen, kein Schwimmbad geschlossen und kein Arbeitsplatz abgebaut werden. Wenn man diese Menschen außerdem arbeiten lassen würde, könnten sie selber für ihren Lebensunterhalt aufkommen und in die sozialen Sicherungssysteme einzahlen.

Das Geld ist da, es ist nur in den falschen Händen. Wir haben kein Flüchtlingsproblem, sondern ein Reichtumsverteilungsproblem. Um aber an dieses Geld ranzukommen und es im Interesse der ganzen Gesellschaft einzusetzen, müssen sich die einfachen Leute – Lohnabhängige, Erwerbslose, Jugendliche, Flüchtlinge egal welcher Hautfarbe, Religion und Nationalität – zusammenschließen und gegen die kleine, aber mächtige Minderheit der Besitzenden mobilisieren. Weil Rassismus spaltet und die von Ausbeutung, Lohndumping und sozialer Benachteiligung Betroffenen vom gemeinsamen Widerstand abhält, wird dieser auch von den herrschenden Kräften aufrecht erhalten – auch wenn hin und wieder Krokodilstränen vergossen werden.

Aber kommen dann nicht immer mehr? Solange das Leben von Millionen Menschen durch Kriege und Verarmung zerstört wird, werden sich diese Menschen auf den Weg machen, um ein besseres Leben zu finden. Das kann kein Grenzzaun, kein Frontex-Regime, kein Mittelmeer verhindern. Denn das Risiko auf dem Weg nach Europa zu sterben, erscheint für viele angesichts der sicheren Verelendung oder des drohenden Todes in der Heimat nicht abschreckend. Alle Erfahrungen zeigen: Flüchtlingsströme sind nur durch die Beseitigung der Fluchtursachen zu stoppen.

Darum muss gelten: den Geflüchteten muss jetzt und hier geholfen werden und gleichzeitig der Kampf gegen die Fluchtursachen aufgenommen werden. Es ist ein Skandal, dass es keine sicheren Fluchtwege gibt, aber es ist ebenso ein Skandal, dass weiterhin Waffen an Saudi-Arabien geliefert werden, westliche Konzerne dem Islamischen Staat Öl abkaufen, Privatisierungsorgien westlicher Konzerne im Kosova zu Armut und Arbeitslosigkeit führen. Wenn Letzteres nicht beendet wird, wird auch die Zahl der zur Flucht aus der Heimat gezwungenen nicht zurück gehen. Um Letzteres zu beenden, muss die Diktatur der Banken und Konzerne beendet werden.

Es ist verständlich: die meisten Menschen, die den Flüchtlingen helfen wollen, spenden Geld, Kleidung, Lebensmittel, fordern ein wirkliches Asylrecht, sichere Fluchtwege, Seenotrettungsprogramme. Aber dem Elend kann nur ein Ende gemacht werden, wenn die tatsächlichen Ursachen bekämpft werden. Und auch wenn das weit weg oder abstrakt klingt: das bedeutet, den Kapitalismus durch ein System zu ersetzen, in dem der Mensch und nicht der Profit im Mittelpunkt steht.