Dresden: Infineon will Betriebsrat loswerden

Foto: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Infineon-Logo.svg
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Interview mit Bernhard Fischer, Vertrauensmann der IG Metall und Betriebsrat im Dresdner Infineon-Werk

Sie sind seit 1996 Vertrauensmann der IG Metall in der Firma Infineon in Dresden und auch schon seit mehreren Wahlperioden Betriebsrat. Warum will der Konzern Sie nun loswerden?

Bei Infineon hatten wir von Anfang an Gegenwind. Der Aufbau des Betriebsrats und unsere gewerkschaftliche Arbeit fand beispielsweise über viele Jahre in Konkurrenz zur Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB) statt – einer unternehmernahen „gelben“ Gewerkschaft. Ein Kern ihrer Politik war, dass Beschäftigtenvertretungen unnütz sind. Unsere Fraktion in dem Gremium heißt „Wir sind Betriebsräte – keine Geheimräte“. Das ist Standpunkt und Praxis. In einem Flugblatt haben wir es so auf den Punkt gebracht: „Eine Politik zu Lasten unserer Kolleginnen und Kollegen tragen wir nicht mit.“ Offensichtlich genieße ich damit nicht unbedingt das Wohlwollen der Firmenleitung. Außerdem ist davon auszugehen, dass solche Angriffe wie jetzt auf mich andere Kollegen einschüchtern können.

Wie hat man versucht, Sie zum Abgang zu bewegen?

Nach zwanzig Jahren bot mir die Geschäftsleitung plötzlich einen Aufhebungsvertrag an, weil man mit mir nicht mehr zusammenarbeiten wolle. Offizieller Grund war meine Leistung. Als ich diesen ablehnte und weitere Trennungsgespräche verweigerte, hat man mich nun in seltsamer Art und Weise strafversetzt. Ich halte das für keinen Zufall, und zahlreiche meiner Kolleginnen und Kollegen haben mir in den vergangenen Wochen bestätigt, dass sie das auch so sehen.

Wie waren die Reaktionen im Betrieb auf diesen Angriff?

„Kollegen und Gewerkschafter lassen andere Gewerkschafter und ihre aktiven Betriebsräte nicht im Regen stehen“, so brachte es einer im Gespräch mit mir auf den Punkt. Das ist eine wichtige Grundeinstellung. Von meinen Kolleginnen und Kollegen in dem neuen Bereich, in den ich versetzt wurde, bin ich sehr solidarisch begrüßt und aufgenommen worden. Das macht Mut. Von vielen Seiten fordert man mich auf „durchzuhalten“, verschiedene Betriebsräte stehen hinter mir, auch die Vertrauenskörperleitung der IG Metall von München hat mir ihre Solidarität und Unterstützung versichert. Der Rechtsschutz der Gewerkschaft ist mir dabei auch ganz wichtig, immerhin handelt es sich bei dem Vorgehen der Chefetage um einen Angriff auf meine Existenzgrundlage.

Die Unternehmensleitung von Infineon besteht darauf, sie wolle eine „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ mit ihren Betriebsräten pflegen …

Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verpflichtet Unternehmen und Betriebsräte zu ebendieser „vertrauensvollen Zusammenarbeit“. Ich fühle mich aber vor allem als Interessenvertreter der Kollegen. Wie diese „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ gehandhabt wird, ist in der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung umstritten. Was ist, wenn das Beschäftigtengremium anderer Meinung ist als die Geschäftsleitung? Ich jedenfalls meine, dass das BetrVG dringend um mehr demokratische Rechte und Freiheiten erweitert werden müsste.

Welche Probleme mussten Sie in den vergangenen Jahren als Gremium bearbeiten?

Wir haben als Belegschaft in diesen Jahren natürlich viele Erfahrungen gesammelt. Besonders bitter war, als 2008 Qimonda geschlossen wurde, ein Halbleiterhersteller, der mehrheitlich Infineon gehörte. Tausende Arbeitsplätze wurden vernichtet. Bis heute ist Infineon nicht tarifgebunden. Mit vollem Recht fragen unsere Kollegen, warum sie 20 bis dreißig Prozent weniger als an anderen Produktionsstandorten verdienen. Dennoch hatten wir auch Erfolge: Seit zwei Jahren haben wir wieder Schichten von acht Stunden, vorher waren es zwölf. Viele Metaller haben sich auch an politischen Kampagnen beteiligt, beispielsweise gegen den jährlichen Dresdner Nazi-Aufmarsch am 13. Februar.

Wie kann man Sie nun unterstützen?

Das Interesse an meinem Fall ist schon mal viel wert. Er ist exemplarisch. Wichtig ist aber vor allem, dass sich jeder in seiner zuständigen Gewerkschaft organisiert und selbst aktiv wird – das ist schlussendlich die nachhaltigste Art der Unterstützung im Sinne unserer gemeinsamen Interessen.

Das Interview führte Steve Hollasky