Streik bei der Post: Es geht um viel mehr als die Forderungen!

post_azubi_streikSpaltung der Belegschaft durch gemeinsamen Kampf überwinden!

Die Tarifauseinandersetzungen bei der Deutschen Post AG und DHL werden in aller Härte geführt. In den letzten Jahren hatte ver.di allerlei Zugeständnisse gemacht, die den KollegInnen unbezahlte Mehrarbeit an u.a. Silvester und Heiligabend eingebracht haben. Dafür sollte mit der Auslagerung von Unternehmensbereichen an Subunternehmen und Tochterfirmen Schluss gemacht werden.

von einem Aachener Briefträger

Diese Politik des Verzichts, schon damals falsch, wurde von Seiten der Konzernführung nicht gedankt: Entgegen der Abmachungen, wurden zum Jahresanfang 49 Tochterunternehmen gegründet, mit denen Lohndumping betriebeb wird. Die wohl größte Neugründung ist DHL Delivery, ein Tochterunternehmen, bei dem der bestehende Tarifvertrag unterlaufen wird. Denn dort wird anstatt nach dem höheren Tarifvertrag für das Postgewerbe, nach dem wesentlich niedrigeren der Speditions- und Logistikbranche bezahlt. Die Unternehmenspolitik von Amazon lässt grüßen. Ver.di fordert in der Tarifrunde 5,5 Prozent mehr Lohn und eine Reduzierung der Vollzeitarbeitszeit von 38,5 auf 36 Stunden in der Woche.

Prekarisierung, Spaltung und Erpressung

Der Umbau des Staatsunternehmens Deutsche Post zur Aktiengesellschaft hat über die Jahre die Arbeitsbedingungen verschlechtert. Immer mehr KollegInnen arbeiten in prekären Verhältnissen, müssen sich von einer Befristung zur anderen entlanghangeln. Viele werden zur Arbeit auf Abruf, ohne Verdienstgarantie, verdonnert. Inzwischen haben 18 Prozent der Belegschaft nur befristete Verträge. Dies führt zu einer enorm gespaltenen Belegschaft. Viele haben Angst zu streiken oder nur laut ihre Meinung zu sagen. Dass der Konzern mittels von Vorgesetzten Druck auf befristete Angestellte ausübt („Überlegen Sie sich gut, ob Sie streiken. Sie haben ja nur einen befristeten Vertrag.“), ging inzwischen sogar durch die etablierten Medien. Fast jedeIr der/die vor Ort arbeitet oder KollegInnen der Post bzw. von DHL persönlich kennt, kann solche Geschichten berichten. Die Bandbreite geht von mehr oder weniger offenen Drohungen mit Entlassung bis hin zur Führung von „schwarzen Listen“ durch Vorgesetzte. Einher geht dies mit einer ständig steigenden Arbeitsbelastung. Jährlich werden die Zustellbezirke neu bemessen und größer, wird das Postaufkommen durch Wurfsendungen und anderes mehr. Die Folge: Mehr und mehr KollegInnen werden krank und halten der Belastung nicht stand. Besonders ältere KollegInnen (die in der Regel mehr verdienen und ältere und daher bessere Verträge haben) werden heraus gedrängt.

Satte Dividenden, aber das reicht dem Vorstand nicht

Die Deutsche Post AG ist unbestrittener Marktführer und trotz der vielen billigeren Anbieter Monopolistin. Dem Konzern geht es ohne Zweifel gut: Allein im Geschäftsjahr 2014 machte der er 56 Milliarden Euro Umsatz und einer gestiegenen Rendite von 3,05 Milliarden Euro. Der Vorstand hat sich jüngst mal wieder die Bezüge erhöht. Der deutsche Staat (der Bund) ist immer noch Hauptaktionär. Aber unter den Großaktionären ist auch ein Hedge-Fonds. Letztlich verfolgt die Unternehmensleitung das Ziel, den Gewinn zu verdoppeln bis zum Jahr 2020. Besonders bei einem Dienstleister wie der Post geht das nur durch Mehrarbeit und Lohnkürzungen. Die Auslagerung von Unternehmensbereichen an Tochterfirmen ist dabei ein Mittel: Post-Chef Frank Appel und Konsorten planen, im Zuge dieses Umbaus 10.000 Beschäftigte in Tochterunternehmen wie DHL Delivery zu versetzen, wo sie niedrigere Löhne erwartet, aber sie mit unbefristeten Verträgen gelockt werden. Die Methodik dahinter ist perfide: Jahrelang hat das Unternehmen KollegInnen mit Dauerbefristungen abgespeist und behauptet, dass eine Entfristung nicht leistbar sei. Jetzt werden diese KollegInnen zu Delivery geschickt. Und siehe da: Für etwa anderthalb Monatslöhne weniger Geld im Jahr ist plötzlich eine unbefristet Beschäftigung möglich. Dass viele KollegInnen das aufgrund der vermeintlichen Sicherheit eines unbefristeten Arbeitsvertrags annehmen, kann man ihnen kaum verdenken. Wenn man jemanden systematisch aushungert, stürzt er sich auch auf vergammeltes Brot. 6000 von den anvisierten 10.000 KollegInnen sind schon bei DHL Delivery. Für den Konzern ein Lohndumping-Manöver im großen Stil.

ver.di: Zwischen offensivem Kampf und Zaghaftigkeit

Dass ver.di in dieser Tarifauseinandersetzung offensiv Abeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich verlangt ist gut und richtig. Es zeugt von einer Kehrtwende: Statt Verzicht stellt die Gewerkschaft wieder offensive Forderungen. Wenn man aber bedenkt, dass mit der vollen Umsetzung der Forderungen nur die Lohnverluste und Arbeitszeitverlängerungen der letzten Tarifverträge ausgebügelt würden, also eine Rückkehr zum Status vor den Verschlechterungen erreicht würde, erscheint das gleich weniger radikal.

Nichtsdestotrotz agierte ver.di in den letzten Monaten kämpferisch, was sich an den Warnstreiks seit April zeigt. Vielfach konnten durch den Arbeitskampf neue Mitglieder für die Gewerkschaft gewonnen werden, gerade auch unter den nicht organisierten Prekarisierten. Denn der allgemeine Unmut über die Zustände bei der Post ist riesig, gerade auch bei den prekär beschäftigten Kräften.

Die Post reagiert im Tarifstreit mit bizarren Methoden: Neben den erwähnten Drohungen und Einschüchterungen wurden für teures Geld in den Zustellstützpunkten Propaganda-Monitore aufgestellt, über die die Belegschaft mit Botschaften wie „Wir sind ein guter Arbeitgeber!“ oder „Wir zahlen die besten Löhne!“ oder „Liebe ver.di: Streik bringt nichts!“ berieselt werden. Die KollegInnen reagieren mit Wut und Unverständnis darauf. Propagandistisch ist das kontraproduktiv für die Post.

Was aber leider schon funktioniert ist die Methode des Spaltung: BeamtInnen und prekär Beschäftigte werden als StreikbrecherInnen eingesetzt. Auch Personal von DHL Delivery wird dazu missbraucht. Während Erstere aber das Recht haben, diesen Einsatz zu verweigern (also nicht in bestreikten Bezirken eingesetzt zu werden) und ansonsten nur „Dienst nach Vorschrift schieben“ könnten, lassen Letztere das oftmals aus Angst mit sich machen.

Die Streiktaktik von ver.di, an verschiedenen Orten „nadelstichartig“ Warnstreiks zu organisieren, macht es dem Konzern leichter, StreikbrecherInnen von A nach B zu schicken und auf Zeit zu spielen und darauf zu setzen, dass sich bis an die Decke stapelnde liegengebliebene Briefe und Pakete (die bei Wiederaufnahme der Arbeit nachgearbeitet werden müssen) demoralisierend auf die Streikenden auswirken werden. Zum Teil ging die Rechnung auf: So war die Streikbeteiligung bei der dritten Warnstreikwelle niedriger als davor.

Statt auf den Angriff gegen die ZustellerInnen nur mit Streikaktionen der direkt betroffenen KollegInnen zu reagieren, sollte ver.di auch KollegInnen anderer Bereiche der Post AG in den Arbeitskampf einbeziehen. Hier wäre es vielfach auch deutlich schwerer für die Konzernchefs, Streikbrecher einzusetzen.

Positiv ist, dass sich ver.di auf eine harte Auseinandersetzung gefasst macht und die profitorientierte Unternehmenspolitik an sich kritisiert. Doch dies geht einher mit einer Beschwörung von „Sozialpartnerschafts“-Nostalgie. Auf der Demo von wütenden Postbeschäftigten aus ganz Deutschland am 27.5. in Frankfurt am Main, beschwor Bsirske die angeblich glorreichen Zeiten der „Sozialpartnerschaft“, die die Geschäftsleitung aufgekündigt habe. Trotz der Wut und Entschlossenheit der tausenden von KollegInnen, die durch Zäune, PolizistInnen und Securitys von der Aktionärsversammlung abgeschirmt waren, stieß das auf Applaus. Denn vergleichen mit dem Arbeitsklima heute müssen die vergangenen Jahre bei der Post, vor den sich zuspitzenden Konflikten, als geradezu paradiesisch erscheinen. Nur: es gibt kein zurück, denn die Krise der kapitalistischen Weltwirtschaft und die verschärfte Konkurrenz lassen das nicht zu.

Politisierung und Verbreiterung des Streiks nötig!

Nötig wäre eine Politisierung des Arbeitskampfes durch die Gewerkschaft. Denn die Zustände bei der Post sind eine Folge der Politik der Privatisierung, die von Union, FDP, SPD und Grünen forciert und mitgetragen wurde. Hier drängen sich sofort Parallelen und Anknüpfungspunkte mit den Arbeitskämpfen bei der Bahn und in den Kommunen auf. Entsprechend nötig wären gemeinsame Kundgebungen von Bahnbeschäftigten (in GDL und EVG), Beschäftigten der Sozial- und Erziehungsdienste (ver.di, GEW und komba) und eben der Post/DHL. Bei der Kundgebung in Frankfurt sah man vereinzelte Banner von Kita-Beschäftigten in Solidarität mit den PostlerInnen. Dass der Hauptaktionär bei der Post immer noch der Bund ist, macht den Arbeitskampf dort direkt zu einem Politischen. Mehr öffentlichkeitswirksame Kundgebungen während der Streiks (lokal, regional und bundesweit) sind genauso wichtig, wie ein Schulterschluss mit den Beschäftigten anderer Branchen. Nötig ist eine gemeinsame Tarifbewegung, nicht nur aber vor allem, in den Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge, um den Druck auf die Arbeitgeber zu erhöhen.

Der Konzern spaltet die Belegschaft in „privilegierte“ Vollzeitbeschäftigte, periphere Teilzeitbeschäftigte, Aushilfskräfte, Befristete und Verbeamtete. Durch DHL Delivery und andere Tochterfirmen verstärkt sich diese Spaltung. Die Einbeziehung dieser Tochterfirmen und der Prekarisierten in den Streik ist daher eine wichtige Aufgabe der Gewerkschaft. Die Anwesenheit einer Delegation von DHL Delivery-Beschäftigten bei der Kundgebung gegen die Aktionärshauptversammlung in Frankfurt war ein gutes und richtiges Zeichen. ver.di muss Anstrengungen unternehmen, all diese Kräfte in den Arbeitskampf mit einzubeziehen. Bei den prekär Beschäftigten und Teilzeitkräften ist die Ausbeutung und Unzufriedenheit groß, aber der gewerkschaftliche Organisationsgrad klein. Diese können aber eine entscheidende Rolle für den Ausgang des Arbeitskampfes spielen. Die Einbeziehung der Delivery-Beschäftigten ist eine Schlüsselfrage. Die schlechter bezahlten KollegInnen, die zuvor Jahre der Dauerbefristungen durchlaufen haben, dürfen nicht als StreikbrecherInnen instrumentalisiert werden. Letztlich muss es darum gehen, die Löhne und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten der Tochtergellschaften an die des Mutterkonzerns anzugleichen – um die Pläne von Appel & Co. Zu durchkreuzen.

Klar sein sollte, dass die gewerkschaftliche Strategie nicht darauf setzen kann, die Unternehmensführung von einem Zurück zur „Sozialpartnerschaft“ – die auch früher vor allem dem Kapital genützt hat – zu überzeugen. Die Konzernführung der profitorientierten Post handelt nicht danach – umso hemmender, dass die Gewerkschaft den alten Zeiten der vermeintlichen Harmonie noch nachtrauert. Eine ehrliche, selbstkritische Bilanz der bisherigen Verzichtspolitik muss auch gezogen werden.

Doch wahrscheinlich entsteht das Bewusstsein dafür erst im weiteren Arbeitskampf. Wichtig ist jetzt, diesen Kampf entschlossen und bis zum Ende zu führen! Denn es geht um weit mehr als die Forderung nach 5,5 Prozent mehr Lohn und einer Arbeitszeitverkürzung von 2,5 Stunden pro Woche. Letztlich geht es darum, die Pläne der Unternehmensführung zum Umbau des Konzerns im Sinne der Kapitaleigner zu durchkreuzen.

Forderungen und Kampfvorschläge:

  • Durchsetzung der vollen Forderungen im Tarifstreit!
  • Für einen flächendeckenden Vollstreik!
  • Organisation von lokalen, regionalen und bundesweiten Kundgebungen, um die Forderungen in die Breite der Bevölkerung zu tragen!
  • Organisation von Streikversammlungen auf allen Ebenen inklusive bundesweiter Streikdelegiertenversammlungen – Kein Abschluss ohne Zustimmung dieser Versammlungen
  • Koordinierung des Arbeitskampfes bei der Post/DHL mit allen anderen gegenwärtigen Arbeitskämpfen (Bahn, Sozial-und Erziehungsdienste usw.) – denn nur gemeinsam sind wir stark!
  • Nein zur Zerschlagung der Deutschen Post/DHL! Verhinderung weiterer Ausgliederungen! Keine weiteren Tochtergesellschaften!
  • Nein zur Spaltung der Belegschaft! Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!
  • Übernahme der Tarife des Mutterkonzernes in allen bestehenden Tochtergesellschaften!
  • Schluss mit der Unternehmenspolitik der Befristungen! Unbefristete Vollzeitverträge für alle Beschäftigten!
  • Verkleinerung der Zustellbezirke und Aufstockung des Personalbestandes!
  • Nutzung des Arbeitskampfes zur Gewinnung der befristeten und der Teilzeitkräfte sowie der Beschäftigten der neuen Tochtergesellschaften für die Gewerkschaft mit dem Ziel der Angleichung der Arbeitsbedingungen und der Überwindung der Spaltung!
  • Privatisierung zurücknehmen! Komplette Rückverstaatlichung der Deutschen Post AG, DHL, Telekom und Postbank unter der demokratischen Kontrolle und Leitung der Beschäftigten und der arbeitenden Bevölkerung!