Poststreik: Es geht um mehr als die Forderungen!

Spaltung der Belegschaft durch gemeinsamen Kampf überwinden

(Flugblatt der SAV, auch als PDF zum Download)

Der Umbau des Staatsunternehmens Deutsche Post zur Aktiengesellschaft hat über die Jahre die Arbeitsbedingungen verschlechtert. Immer mehr KollegInnen arbeiten in prekären Verhältnissen, müssen sich von einer Befristung zur anderen entlanghangeln. Viele werden zur Arbeit auf Abruf, ohne Verdienstgarantie, verdonnert. Inzwischen haben 18 Prozent der Belegschaft nur befristete Verträge. Dies führt zu einer enorm gespaltenen Belegschaft. Aber die Profitgier des Vorstands der Deutsche Post AG kennt keine Grenzen. Die Auslagerung von Unternehmensbereichen an Tochterfirmen ist dabei ein Mittel.

Zugeständnisse bringen nichts

Die Tarifauseinandersetzungen bei der Deutschen Post AG und DHL werden in aller Härte geführt. In den letzten Jahren hatte die ver.di-Führung allerlei Zugeständnisse gemacht, die den KollegInnen unbezahlte Mehrarbeit unter anderem an Silvester und Heiligabend eingebracht haben. Dafür sollte mit der Auslagerung von Unternehmensbereichen an Subunternehmen und Tochterfirmen Schluss gemacht werden.

Diese Politik des Verzichts, schon damals falsch, wurde von Seiten der Konzernführung nicht gedankt: Entgegen der Abmachungen, wurden zum Jahresanfang 49 Tochterunternehmen gegründet, mit denen Lohndumping betrieben wird. Die wohl größte Neugründung ist DHL Delivery, ein Tochterunternehmen, bei dem der bestehende Tarifvertrag unterlaufen wird. Denn dort wird nach dem wesentlich niedrigeren Tarifvertrag der Speditions- und Logistikbranche bezahlt.

Dass ver.di in dieser Tarifauseinandersetzung offensiv Abeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich verlangt ist gut und richtig. Es zeugt von einer Kehrtwende: Statt Verzicht stellt die Gewerkschaft wieder offensive Forderungen. Gleichzeitig bedeutet eine volle Umsetzung der Forderungen nur, dass die Lohnverluste und Arbeitszeitverlängerungen der letzten Tarifverträge ausgebügelt würden, also eine Rückkehr zum Status vor den Verschlechterungen erreicht würde. Deswegen sollten die Forderungen voll durchgesetzt werden und nicht das ver.di-Papier vom 4. Juni, dass Zugeständnisse beinhaltet, zur Grundlage eines Abschluss gemacht werden.

Harter Kampf nötig

Es ist gut, dass jetzt zum unbefristeten Vollstreik aufgerufen wird. Doch leider funktioniert die Methode der Spaltung: BeamtInnen und prekär Beschäftigte werden als StreikbrecherInnen eingesetzt. Auch Personal von DHL Delivery wird dazu missbraucht. Während BeamtInnen aber das Recht haben, diesen Einsatz zu verweigern (also nicht in bestreikten Bezirken eingesetzt zu werden) und ansonsten nur „Dienst nach Vorschrift schieben“ könnten, lassen Letztere das oftmals aus Angst mit sich machen.

Statt auf den Angriff gegen die ZustellerInnen nur mit Streikaktionen der direkt betroffenen KollegInnen zu reagieren, sollte ver.di alle KollegInnen der Deutsche Post AG in den Arbeitskampf einbeziehen. Hier wäre es vielfach auch deutlich schwerer für die Konzernchefs, Streikbrecher einzusetzen.

Nötig wäre eine Politisierung des Arbeitskampfes durch die Gewerkschaft. Denn die Zustände bei der Post sind eine Folge der Politik der Privatisierung, die von Union, FDP, SPD und Grünen forciert und mitgetragen wurde. Hier drängen sich sofort Parallelen und Anknüpfungspunkte mit den Arbeitskämpfen bei der Bahn und in den Kommunen auf. Entsprechend nötig wären gemeinsame Kundgebungen von Bahnbeschäftigten (in GDL und EVG), Beschäftigten der Sozial- und Erziehungsdienste (ver.di, GEW und komba) und eben der Post/DHL. Bei der Kundgebung in Frankfurt sah man vereinzelte Banner von Kita-Beschäftigten in Solidarität mit den PostlerInnen. Da der Hauptaktionär bei der Post immer noch der Bund ist, hat der Arbeitskampf eine politischen Dimension. Mehr öffentlichkeitswirksame Kundgebungen während der Streiks (lokal, regional und bundesweit) sind genauso wichtig, wie ein Schulterschluss mit den Beschäftigten anderer Branchen. Nötig ist eine gemeinsame Tarifbewegung, nicht nur aber vor allem, in den Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge, um den Druck auf die Arbeitgeber zu erhöhen.

Der Konzern spaltet die Belegschaft in „privilegierte“ Vollzeitbeschäftigte, periphere Teilzeitbeschäftigte, Aushilfskräfte, Befristete und Verbeamtete. Durch DHL Delivery und andere Tochterfirmen verstärkt sich diese Spaltung. Die Einbeziehung dieser Tochterfirmen und der Prekarisierten in den Streik ist daher eine wichtige Aufgabe der Gewerkschaft. ver.di muss Anstrengungen unternehmen, all diese Kräfte in den Arbeitskampf mit einzubeziehen. Bei den prekär Beschäftigten und Teilzeitkräften ist die Ausbeutung und Unzufriedenheit groß, aber der gewerkschaftliche Organisationsgrad klein. Diese können aber eine entscheidende Rolle für den Ausgang des Arbeitskampfes spielen. Die Einbeziehung der Delivery-Beschäftigten ist eine Schlüsselfrage. Die schlechter bezahlten KollegInnen, die zuvor Jahre der Dauerbefristungen durchlaufen haben, dürfen nicht als StreikbrecherInnen instrumentalisiert werden. Letztlich muss es darum gehen, die Löhne und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten der Tochtergellschaften an die des Mutterkonzerns anzugleichen – um die Pläne von Appel & Co. zu durchkreuzen.

Klar sein sollte, dass die gewerkschaftliche Strategie nicht darauf setzen kann, die Unternehmensführung von einem Zurück zur „Sozialpartnerschaft“ – die auch früher vor allem dem Kapital genützt hat – zu überzeugen. Die Konzernführung der profitorientierten Post handelt nicht danach – umso hemmender, dass die Gewerkschaft den alten Zeiten der vermeintlichen Harmonie noch nachtrauert. Eine ehrliche, selbstkritische Bilanz der bisherigen Verzichtspolitik muss auch gezogen werden.

Doch wahrscheinlich entsteht das Bewusstsein dafür erst im weiteren Arbeitskampf. Wichtig ist jetzt, diesen Kampf entschlossen und bis zum Ende zu führen! Denn es geht um weit mehr als die Forderung nach 5,5 Prozent mehr Lohn und einer Arbeitszeitverkürzung von 2,5 Stunden pro Woche. Letztlich geht es darum, die Pläne der Unternehmensführung zum Umbau des Konzerns im Sinne der Kapitaleigner zu durchkreuzen.

Unsere Vorschläge und Forderungen

  • Durchsetzung der vollen Forderungen im Tarifstreit! Für eine weitere Ausweitung der Streikmaßnahmen!
  • Organisation von lokalen, regionalen und bundesweiten Kundgebungen, um die Forderungen in die Breite der Bevölkerung zu tragen!
  • Organisation von Streikversammlungen auf allen Ebenen inklusive bundesweiter Streikdelegiertenversammlungen – Kein Abschluss ohne Zustimmung dieser Versammlungen
  • Koordinierung des Arbeitskampfes bei der Post/DHL mit allen anderen gegenwärtigen Arbeitskämpfen (Bahn, Sozial-und Erziehungsdienste usw.) – denn nur gemeinsam sind wir stark!
  • Nein zur Zerschlagung der Deutschen Post/DHL! Verhinderung weiterer Ausgliederungen! Keine weiteren Tochtergesellschaften!
  • Nein zur Spaltung der Belegschaft! Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!
  • Übernahme der Tarife des Mutterkonzernes in allen bestehenden Tochtergesellschaften!
  • Schluss mit der Unternehmenspolitik der Befristungen! Unbefristete Vollzeitverträge für alle Beschäftigten!
  • Verkleinerung der Zustellbezirke und Aufstockung des Personalbestandes!
  • Nutzung des Arbeitskampfes zur Gewinnung der befristeten und der Teilzeitkräfte sowie der Beschäftigten der neuen Tochtergesellschaften für die Gewerkschaft mit dem Ziel der
  • Angleichung der Arbeitsbedingungen und der Überwindung der Spaltung!
  • Privatisierung zurücknehmen! Komplette Rückverstaatlichung der Deutschen Post AG, DHL, Telekom und Postbank unter der demokratischen Kontrolle und Leitung der Beschäftigten und der arbeitenden Bevölkerung!