Geheimes Verfahren gegen Zhou Yongkang

Washington, DC, July 27, 2006 -- Admiral Allen speaks with Minister Zhou Yongkang, State Councilor; Minister of Public Safety and commissioner of National Narcotics Control Commission; People's Republic of China, on the roof of the Hay-Adams Hotel, Washington,D.C. while they waited for the arrival of Secretary Chertoff.  Barry Bahler/DHS
Public Domain, Barry Bahler/DHS

Lebenslange Haftstrafe für ehemaligen Sicherheitschef Chinas

von Vincent Kolo, chinaworker.info, Internetportal für China und Südostasien des „Committee for a Workers´ International“ // „Komitee für eine Arbeiterinternationale“ (CWI), dessen Sektion in Deutschland die SAV ist

Am Ende hat Chinas Präsident Xi Jinping sein Opfer doch noch bekommen – allerdings nicht ganz so, wie ursprünglich gedacht. Zhou Yongkang ist der 72-jährige ehemalige Chef des gigantischen chinesischen Inlandsgeheimdienstes. Er wurde nicht nur vor ein Geheimgericht gestellt (womit eine frühere Zusage, es würde zu einem „offenen“ Verfahren kommen, obsolet geworden ist). Auch das Urteil ließ drei Wochen auf sich warten.

Am 22. Mai wurde Zhou vom Gericht in Tianjin aufgrund von Bestechung, Machtmissbrauch und Geheimnisverrat zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Medien hatten anfangs nur vom 11. Juni gesprochen. Ein weißhaariger und zerbrechlich wirkender Zhou, bei dem es sich einst um den meist gefürchteten und mächtigsten Vertreter der chinesischen Ein-Parteien-Diktatur der KPC gehandelt hat, wurde im Fernsehen gezeigt, wie er ein kurzes Schuldbekenntnis abgibt und sagt, dass er nicht in Berufung gehen wird.

Diese Vorgehensweise unterscheidet sich deutlich von der Behandlung, die Zhous Verbündetem, dem „Kronprinzen“ und Politiker Bo Xilai zuteil wurde, dessen Verfahren 2013 halbwegs offen ablief und der große mediale Aufmerksamkeit bekam. Dieses Mal wollte das Regime die Affäre herunterspielen, obwohl Zhou als der „größte Tiger“ (d.h.: ein hoher Beamter) ist, der im Zuge der Anti-Korruptionskampagne von Xi ins Netz ging. Bei dem harten Vorgehen gegen Bestechung handelt es sich in Wirklichkeit um einen internen Machtkampf, und für das Regime steht weit mehr auf dem Spiel, als nur die umfangreiche Umbesetzung von Posten aufgrund des Versuchs, die ungezügelte Korruption unter Staatsdienern zu beenden. Gemessen an ihrer Wirksamkeit war diese Kampagne bisher nicht besonders erfolgreich und wird es auch nicht mehr werden. Angaben der in Berlin ansässigen Organisation „Transparency International“ zufolge ist China im vergangenen Jahr um 20 Plätze auf der Weltrangliste der Korruption zurückgefallen (von Platz 80 auf Rang 100 von insgesamt 175 Ländern). Ein interner Bericht der KPC aus dem Jahr 2014 kam zu dem Ergebnis, dass fast ein Drittel der Funktionäre mit Korruption in Verbindung steht, was mit Sicherheit weit untertrieben ist. Wollte man wirklich gegen die Korruption vorgehen, so müsste man Millionen von Menschen verhaften. Mit anderen Worten: Xi hat gar kein Interesse, dies zu tun.

Dass dem Verfahren gegen Zhou so wenig Raum eingeräumt wurde, und es noch nicht einmal die Hauptmeldung in den landesweiten Nachrichten wert war, hat viel Platz für Spekulationen gelassen, was Xi Jinping wohl als nächstes vorhat. Will er die traditionell einflussreichen Fraktionen und Machtblöcke innerhalb der KPC schwächen, die immer widerspenstiger auftreten? Und bedeutet das, dass die „Tiger-Jagd“ jetzt erstmal ruhiger vonstatten geht oder gar ein Pause eingelegt wird? Oder geht es vielmehr darum, dass die alarmierende Verschlechterung auf ökonomischer Ebene (mit einem Rückgang des Außenhandels und Finanzproblemen, die in den letzten Monaten weiter zugenommen haben) Xi und seine Verbündeten nun dazu zwingt, den Fokus zu verschieben und zu versuchen, im Parteiapparat zu einem gewissen Maß an „Stabilität“ zurückzukehren? Alle diese Varianten sind durchaus plausibel.

Plan B

Folgt man Steve Tsang, einem Experten für chinesische Politik von der Universität Nottingham, so hat das Verfahren gezeigt, dass viele BeobachterInnen möglicher Weise überschätzt haben, wie viel Macht Xi tatsächlich hat: „Er ist immer noch mächtig, er ist immer noch sehr selbstsicher – aber nicht in dem Ausmaß, wie wir bisher gedacht haben“. Tsang sagte, bei dem geheimen Verfahren habe es sich nur um den „Plan B“ von Xi gehandelt und dass dieser es vorgezogen hätte, wenn Zhou Yongkang mit wesentlich mehr öffentlicher Aufmerksamkeit beschädigt worden wäre. Damit wollte er eigentlich zu größerer eigener Beliebtheit beigetragen haben und den einschüchternden Effekt, den ein öffentliches Verfahren auf potentielle andere Widersacher innerhalb der KPC gehabt hätte, maximieren.

Die offizielle Begründung, weshalb so viel Geheimhaltung walten gelassen wurde, lautet, dass einige Anklagepunkte gegen Zhou mit Staatsgeheimnissen in Verbindung gestanden hätten. Viele KommentatorInnen waren allerdings davon ausgegangen, dass das Verfahren zweigeteilt wird in ein halb-öffentliches (mit handverlesenen chinesischen Medien) und ein weiteres hinter verschlossenen Türen. Das Regime scheint – vor allem nach der Erfahrung mit dem Verfahren gegen Bo Xilai, das überhaupt nicht nach Plan verlaufen ist – seine Zweifel bekommen zu haben. Der ehemalige Parteichef von Chongqing, der beliebter aber weniger einflussreich war als Zhou, hatte sein Geständnis vor Gericht zurückgezogen und eine temperamentvolle Verteidigungslinie aufs Parkett gelegt. Dieses Auftreten verschaffte Bo eine Menge an Unterstützung in der Öffentlichkeit, während das Urteil – wie immer bei solchen Verfahren in China – vorher schon feststand.

Laut Berichten aus dem In- und Ausland war Zhou zwar auf sagenhafte weise korrupt. Das war aber nicht der Hauptgrund für seinen Niedergang. Zusammen mit Bo und verschiedenen anderen Figuren versuchte Zhou 2012 im Vorfeld des 18. Parteitags der KPC gegen die Ernennung Xis zu opponieren. Zu dieser Gruppe, die von den chinesischen Medien schon als „die neue Vierer-Bande“ bezeichnet wurde, gehörten auch noch Ling Jihua, der frühere Berater des Ex-Präsidenten Hu Jintao, und der Top-General Xu Caihou, der im März verstorben ist. Darüber hinaus handelt es sich bei Zhou, der einmal dem elitären ständigen Ausschuss des Politbüros angehört hat, wirklich um einen sehr großen „Tiger“. Von daher dient seine Gefängnisstrafe als Warnung, dass niemand den Fängen von Xi entkommen kann.

Diese Anti-Korruptionskampagne ist die umfangreichste, die es in der Geschichte der „Chinesischen >Kommunistischen< Partei“ (KPC) je gegeben hat, und hat mindestens 100 Regierungsbeamte (vom Staatssekretär an aufwärts) zu Fall gebracht. Hinzu kommen mehr als 400.000 „Flöhe“, womit Beamte niederen Ranges gemeint sind. Dieser Feldzug wurde genutzt, um Xis Widersacher und potentielle Opponenten innerhalb des Partei- und Staatsapparats zu verfolgen und seinen eigenen Status als Chinas neuer „starker Mann“ hervorzuheben. Wer möchte, kann durchaus Parallelen zu Wladimir Putin herstellen, der vor über zehn Jahren einen „Krieg gegen die Oligarchen“ begonnen hat, um seine Kontrolle zu zementieren und die Macht im russischen Staat wieder zu zentralisieren. Xi ist als Bewunderer Putins bekannt.

Und dennoch scheint es so, als habe Xi aus einer Reihe von Gründen nun einen Gang zurückgeschaltet – zumindest für den Moment. Das Verfahren gegen Zhou Yongkang ging über zwei Jahre. Viele KommentatorInnen sind überrascht, dass er nicht mit mehr Öffentlichkeit „gekreuzigt“ worden ist und dass er eine vergleichsweise milde Strafe abbekommen hat, keine Todesstrafe oder etwa die Todesstrafe auf Bewährung. Davon waren viele zuvor ausgegangen. Es ist offenbar zu einem Deal gekommen, um Zhou zu einem Schuldeingeständnis zu bringen. Eine Vorgehensweise, die üblich ist, wenn es um Korruptionsfälle mit ranghohen Angeklagten geht. Die Frage ist, welchen Preis das Regime dafür zu zahlen hatte.

Von den staatlichen Medien war Zhou bereits als „Verräter“ gebrandmarkt worden, und Chinas höchste juristische Instanz, der Oberste Volksgerichtshof, bezichtigte ihn der „nicht autorisierten politischen Aktivitäten“, wobei er mit Bo Xilai gemeinsame Sache gemacht haben soll. Dies wie auch eine Erklärung des Politbüros, in der im Zusammenhang mit diesem Fall zum ersten Mal öffentlich verschiedene KPC-interne Fraktionen namentlich genannt worden sind, stehen für eine Rückkehr in die Vergangenheit durch Xi und seine Bestechungsjäger, die den Kampf gegen Korruption auf eine „politische Ebene“ hieven und offen zugeben, dass innerhalb der angeblich so „einigen“ KPC ein Machtkampf zwischen den Fraktionen herrscht. Am Ende erschien allerdings keiner dieser Vorwürfe (Fraktionsbildung, Konspiration mit Bo Xilai gegen Xi Jinping) im Verfahren von Tianjin in der Anklageschrift. Die Absicht, die hinter diesen öffentlichen Vorwürfen steht, scheint darin zu bestehen, größeren Druck auf Zhou auszuüben, damit dieser ein Geschäft eingeht, um sein eigenes Leben und vielleicht auch das seiner Verwandten zu schützen. Womöglich hatte er Angst vor Vergeltung, die gegen seine Familienangehörigen gerichtet sein könnte (von denen sich viele ebenfalls in Haft befinden).

Wie schon in früheren Verfahren ist das Ausmaß der von Zhou verübten Wirtschaftsdelikte im Laufe der Verhandlungen heruntergespielt worden. Dies geschieht, um die Öffentlichkeit über das wahre Ausmaß der Plünderei durch Regierungsbeamte in die Irre zu führen, und zeigt, wie groß die Nervosität auf offizieller Seite ist. Schließlich könnte die Anti-Korruptionskampagne – und sei sie für Xis Pläne, die Machtverhältnisse drastisch verändern zu wollen, noch so zentral – auch dazu führen, dass das Regime weiter in Frage gestellt wird, wenn die schockierenden Verbrechen ihrer führenden Vertreter in der Öffentlichkeit ausgebreitet werden. Die offizielle Nachrichtenagentur „Xinhua“ hat unlängst berichtet, dass Zhou zusammen mit seinen Handlangern Jiang Jiemen, dem ehemaligen Chef aus der Ölbranche, und dem früheren stellvertretenden Parteichef in der Provinz Sichuan, Li Chuncheng (die beide wegen Korruption angeklagt sind), seine Verwandten und Spießgesellen um 345 Millionen US-Dollar bereichert hat. Im Zuge des Verfahrens gegen ihn ist Zhou bisher jedoch nur wegen der Annahme von Bestechungsgeldern in Höhe von 731.000 Yuan (~ 118.000 US-Dollar) verurteilt worden.

Um zu etwas Amüsanterem zu kommen: Einer der Hauptzeugen gegen Zhou war sein früherer Vertrauter, der Esoteriker und Milliardär Cao Yongzheng, der auch als „der Weise von Xinjiang“ bekannt ist. Cao sagte dem Gericht, dass Zhou ihm sechs Geheimdokumente übergeben hat, von denen fünf den Vermerk „streng geheim“ hatten. Dieses überraschende Intermezzo steht noch für ein ganz anderes Phänomenon, dass die Korruption nämlich explodiert ist und die Kluft zwischen einer wohlhabenden Elite und einer immer noch armen Bevölkerungsmehrheit weiter aufreißt. Und dabei wenden sich Chinas hochrangige Beamte immer öfter hilfesuchend an Wahrsager und Esoterikern. „Üblicher Weise ist es so, dass offizielle Vertreter des Staates umso abergläubischer daherkommen, je höher sie in der Rangordnung anzusiedelen sind“, sagt Hu Xingdou, Ökonom an der technischen Universität von Peking. Vom ehemaligen Chef des Eisenbahnministeriums, Liu Zhijun, der ebenfalls lebenslänglich bekommen hat, weiß man, dass er Feng Shui-Meister im Rat gebeten hat, an welchen Tagen es am besten sei, mit Bauvorhaben bei neuen Bahnprojekten zu beginnen. Cao Yongzheng ist im vergangenen Jahr verhaftet worden, als er nach Taiwan fliehen wollte – das hat er dann wohl doch nicht mehr vorhersehen können!

Widerstand?

Die Umstände, unter denen das Verfahren gegen Zhou abgelaufen stattfand, werfen die Frage auf, was Xi als nächstes tun wird. Es ist möglich, dass die Wirtschaftskrise und die zunehmenden Spannungen an der Spitze von Staat und Partei Xi dazu zwingen wenigstens das Tempo und das Ausmaß der Säuberungsaktionen herunterzufahren. Die Brüche, die sich innerhalb der herrschenden Elite auftun, kamen in einer öffentlichen Erklärung zu Vorschein, die die Tochter von Chen Yun, einem hohen Tier der KPC und Gründer der „Anti-Korruptionsbehörde“ (CCDI) in den 1970ern, abgegeben hat. Diese Chen Weili sagte, sie unterstütze die Kampagne von Xi und dass der Kampf gegen Korruption nötig sei. „Andernfalls wird die Parteiherrschaft enden“, so meinte sie Angaben der Zeitung „South China Morning Post“ zufolge. Dass Xi das Gefühl hat, er sei auf die öffentliche Unterstützung von gleichgesinnten Emporkömmlingen wie Chen angewiesen, legt den Schluss nahe, dass die Kampagne starken Gegenwind bekommt.

Es wird schon darüber spekuliert, dass verschiedene ehemals hochrangige Funktionäre zum nächsten Ziel der Säuberungsaktion werden könnten. Dazu zählen auch der frühere Premier Wen Jiabao (der Reichtum seiner Familie stellt den von Zhou Yongkang bei weitem in den Schatten), sein Vorgänger Li Peng (der „Schlächter von Peking“) und dessen Nachkommen und sogar der ehemalige Prsäident Jiang Zemin, der als Mentor von Zhou Yongkang wie auch von Bo Xilai galt und der der einflussreichsten Fraktion innerhalb der KPC, der Shanghai Gang, vorsteht. Will Xi auch nur einigen der Genannten ans Zeug flicken, so käme das einer Art von „Bürgerkrieg“ innerhalb der herrschenden Elite gleich. Was geschehen wird, bleibt zwar abzuwarten. Das Ergebnis des Verfahrens gegen Zhou Yongkang legt allerdings den Schluss nahe, dass – zumindest kurzfristig – eher eine gewisse Abkühlung bevorsteht. Naheliegend ist, dass Ling Jihua, der ehemalige Berater von Hu Jintao, und der pensionierte Top-General Guo Boxiong zu den nächsten Opfern der Säuberungskampagne zählen werden. Von Ling wird berichtet, er sei im Gefängnis verrückt geworden. Guo, gegen den formell – auch wenn dies erwartet wird – bislang keine Untersuchungen laufen, soll schwer an Krebs erkrankt sein. Von daher werden wohl weder Ling noch Guo in der Lage sein, vor Gericht zu erscheinen. Diese Umstände könnten den Druck auf Xi und seine Verbündeten größer werden lassen, das Verfahren gegen Zhou Yongkang nun zum Anlass zu nehmen, um die Dinge für den Moment etwas herunterzukochen.

„Auf gewisse Weise muss man die Kräfte austarieren“, sagt der US-amerikanische Professor Andrew Wedeman, der sich schwerpunktmäßig mit der Korruption in China befasst. „Man kann nicht immer neue Tiger vor Gericht stellen, ohne damit auch die Integrität der gesamten Partei in Frage zu stellen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt muss man die Dinge auch wieder ruhen lassen“, so sagte er gegenüber der „New York Times“ (11. Juni 2015).

Endkampf“?

Für Xi besteht das Ziel dieser Kampagne definitiv darin, die „Herrschaft der Alten“ zu beenden, mit der sich bereits sein Amtsvorgänger Hu Jintao herumquälen musste und die zu Lähmungserscheinungen im Zentrum der Macht führt. Sprecher der Fraktionen (die üblicher Weise eine Machtbasis in bestimmten Regionen haben) handeln ganz ähnlich wie die Warlords der Vergangenheit. Xi versucht zu einer zunehmend auf Personen fixierten Form der Diktatur zu kommen, indem er von einer Anti-Korruptionskampagne Gebrauch macht und einen immer stärker nationalistischen Ton in der Außenpolitik an den Tag legt (wie am Beispiel des Konflikts im Südchinesischen Meer und bei anderen Konflikten festzustellen). Auf diese Weise wendet er sich vom Modell der „kollektiven Diktatur“ ab, das von Deng Xiaoping als Möglichkeit erdacht wurde, um ein gewisses Maß an „gegenseitiger Kontrolle“ in das autoritäre System zu bekommen. Das Ziel von Deng bestand darin, eine Wiederholung dessen zu verhindern, was in den turbulenten Jahren am Ende der Herrschaft von Mao Zedong geschah. Es ist ganz klar, dass die Machtergreifung Xis, die sich auf extreme Maßnahmen stützen muss, um das Regime vor dem Zusammenbruch oder gar einer Revolution zu bewahren, auch große Risiken mit sich bringt, die auf den Urheber zurückfallen könnten.

Diese Gefahren sind in einem viel beachteten Kommentar des bekannten amerikanischen China-Beobachters David Shambaugh im „Wall Street Journal“ (6. März 2015) herausgestellt worden. Er zog seine frühere und optimistischere Einschätzung zur Zukunft der Diktatur in China wieder zurück und erklärte, dass Xi Jinpings „Willkür das chinesische System und die chinesische Gesellschaft schwer belastet – und sie näher an die Abbruchkante bringt“. Shambaugh, der von Peking einmal mit Vorzug behandelt worden ist, ist von den chinesischen Medien rundherum gebrandmarkt worden, weil er Folgendes prophezeit hat: „Ich glaube, dass der Endkampf der chinesischen kommunistischen Herrschaft begonnen hat und dass dieser schon weiter fortgeschritten ist als viele meinen“.

Das KPC-Regime findet sich selbst in unbekanntem Gelände wieder. Infolge der heftigen wirtschaftlichen Verlangsamung und wegen der zunehmenden regionalen wie globalen Konflikte sowie aufgrund der häufiger auftretenden Unruhen an der Basis der Gesellschaft nimmt der Druck zu. Die Zahl der Streiks von ArbeiterInnen und andere Formen des Massenprotests haben zugenommen. Dieser Druck ist die Ursache für den Machtkampf ganz oben an der Spitze von Partei und Staat. Und dieser Kampf erhielt dann „den Anstrich einer Anti-Korruptionskampagne“, die seit zwei bis drei Jahren tobt. Während kapitalistische Kommentatoren keine andere Lösung anzubieten haben als den Vorschlag, „politische Reformen“ von oben durchzuführen (was die KPC-Führer verabscheuen, weil sie meinen, dadurch würde der Revolution Tür und Tor geöffnet), ist das Szenario, das Shambaugh in groben Zügen umreißt, weit weniger realistisch. Wir sind ZeugInnen des Beginns einer schweren Krise in China, die nur von der Arbeiterklasse gelöst werden kann, wenn sie sich für eine sozialistische und demokratische Alternative entscheidet.