„Alle gewerkschaftlichen Kampfmittel nutzen“

Stephan GummertInterview mit Stephan Gummert, Mitglied der ver.di-Betriebsgruppe an der Charité, zum Stand der Tarifverhandlungen

Stephan, die Verhandlungen für mehr Personal im Berliner Universitätsklinikum Charité gingen nach dem Scheitern des Kurzzeittarifvertrags, der letztes Jahr die Einstellung von 80 Vollkräften vorsah, im Februar und März in eine neue Runde. Was ist der Stand?

Es galt noch einiges aus der Zeit des Kurzeittarifvertrags aufzuarbeiten. Aber man gewinnt den Eindruck, dass die Arbeitgeberseite sich in einem Verhandlungsrahmen des Kurzeittarifvertrags bewegen will, also nur eine Fortschreibung eines aus ver.di-Sicht gescheiterten Versuchs anstrebt. ver.di beharrt auf ein Angebot zu konkreten Entlastungen und erwartet insbesondere für den Pflege- und Funktionsdienst ein verhandlungsfähiges Angebot zu Quoten und Nachtdienstverbesserungen und vor allem Regelungen für den Fall, dass eine Entlastung über mehr Personal nicht erreicht werden kann. Im Betrieb artikulieren immer mehr Bereiche ihren Unmut zu den herrschenden Arbeitsbedingungen und signalisieren auch vermehrt Bereitschaft, eine Kampagne über den Betrieb hinaus zu unterstützen und die Probleme dort zu platzieren, wo sie hingehören – also in die Medien und in die Politik.

Am 5. März fand eine Teilpersonalversammlung der Intensivpflegekräfte statt. Wie war die Stimmung und was fordern sie?

Die Versammlung war ein vorläufiger Höhepunkt einer Dramaturgie, die von den Betroffenen selbst geschrieben wird. Im November letzten Jahres gelang es ver.di, Delegierte von fast allen Stationen – darunter viele Leitungskräfte – zu versammeln, die über widrige Arbeitsbedingungen berichteten und sich vornahmen, nicht weiter tatenlos zu zusehen.

Es wurde eine Resolution formuliert, in der die Problemlagen konkret benannt wurden, und die Politik wurde zum Handeln aufgefordert. Parallel artikulierten die Kolleginnen und Kollegen eine Streikdrohung für eine Quote von 1:2 (eine Pflegekraft versorgt maximal zwei Patientinnen beziehungsweise Patienten) und stärken damit die Tarifverhandlungen. Mittlerweile liegen 600 Unterschriften für die Resolution vor und wir sprechen mittlerweile von einem Aufstand der Intensivbeschäftigten der Charité.

Wie können Verbesserungen für alle und nachweisbare Verbesserungen im Intensiv- und Normalpflegebereich erreicht werden?

Nur durch direkte Veränderungen der Mindestschichtstärken und verbindliche Regelungen zur Leistungseinschränkung bei Personalmangel. Einen schlechten Zustand fortzuführen muss der Charité wehtun, ansonsten wird sich nichts ändern und man verkämpft sich im Alltag.

Steht nun der nächste Arbeitskampf bevor? Und wie kann die Berliner Bevölkerung für euer Anliegen gewonnen werden?

Kommen Verhandlungen nicht zu einem Ergebnis, dann sind die Beschäftigten sicher bereit, für die existenziellen Themenstellungen alle gewerkschaftlichen Kampfmittel zu nutzen. Die Arbeit des Bündnisses „Berlinerinnen und Berliner für mehr Personal im Krankenhaus“ wird hier den Aspekt der Patientensicherheit bedienen, denn unsere Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige müssen nicht für eine Auseinandersetzung gewonnen werden, sondern sind längst bei uns. Ich denke jede und jeder wird über die Erfahrungen in den Berliner Krankenhäusern mit Freunden, Bekannten und Familie sprechen. Wenn der Ruf nach Unterstützung erst einmal platziert ist, wird er sicher einen großen Widerhall in der Stadt finden.

Das Interview führte Lucy Redler, aktiv im „Bündnis Berlinerinnen und Berliner für mehr Personal im Krankenhaus“

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