Flüchtlingscamp nach Großdemonstration in Dresden

Dresden„Solidarität mit Geflüchteten – für ein besseres gemeinsames Leben!“

Nach einer Demonstration für Flüchtlingsrechte errichteten sächsische Flüchtlinge ein Camp auf dem Theaterplatz. Nach der Pegida-Demonstration am Montag Abend wurden sie angegriffen. Während des Schreibens dieses Artikels läuft eine Räumung des Camps.

von Steve Hollasky und Michael Koschitzki

Die Stimmung war gut und auch das Wetter ließ die etwa 5.000 TeilnehmerInnen der Demonstration unter dem Motto „Refugees welcome – for a better life together“ nicht im Stich. Sie waren aus dem ganzen Bundesgebiet angereist, um auf die desaströse Situation von Flüchtlingen in Deutschland aufmerksam zu machen. Die gestellten Forderungen werfen ein Licht auf die Bedingungen unter denen Menschen, die nach Deutschland fliehen, hier zu leiden haben: So forderte die Demonstration das Recht sich eine Arbeit zu suchen; in Wohnungen, statt in überfüllten Heimen zu leben und Zugang zu Deutschkursen.

Der von „Asylum Seekers Movement“ verfasste Aufruf war bei genauem Lesen alles andere als ein Ritterschlag für die Politik der Sozialabbauparteien CDU/CSU, FDP, SPD und Bündnisgrüne – auch wenn die beiden letztgenannten auf der Demonstration vertreten warn. So nannte der Aufruf explizit Rüstungsexporte und Kriege als Ursachen von Flüchtlingsbewegungen. Allesamt Auswüchse kapitalistischer Politik für die alle vier Parteien verantwortlich sind.

Insofern ist es auch lächerlich, wenn die beiden anwesenden SPD-Ministerinnen der sächsischen Landesregierung in der Presse einräumten, die Bearbeitungszeiträume für Asylanträge seien zu lang. Das mag sein, nur wird das unmenschliche Asylprozedere in Deutschland nicht dadurch besser, dass es einfach beschleunigt wird. Das unproblematischste Asylverfahren bleibt das Bleiberecht für alle.

Antwort auf PEGIDA

Dresden war nicht einfach so als Ort der Demonstration gewählt worden. Die rassistisch motivierten Aufmärsche von PEGIDA seit Oktober 2014 haben in der sächsischen Landeshauptstadt lebende MigrantInnen eingeschüchtert und durch die aus ihnen folgende Ermutigung rechts-militanter Kreise zu einer Zunahme von rassistischen Übergriffen geführt. Für die Opfer dieser Übergriffe, ebenso wie für die jene, die sich gegen Rassismus einsetzen war diese Demonstration eine Ermutigung. Und vor diesem Hintergrund war sie eine fällige Reaktion auf die PEGIDA-Aufmärsche.

Dennoch hätte man sich manches Mal eine verallgemeinertere Antwort auf PEGIDA gewünscht. Rassismus entspringt den Gesetzen der kapitalistischen Gesellschaft, ihren Spaltungslinien und Konkurrenzgedanken. Das hätte man sicher deutlicher erklären sollen. Außerdem hätte eine Demonstration mit dieser Ausrichtung, die Rassismus und Sozialabbau thematisiert und erklärt, dass alle hier lebenden Menschen – ob nun zugewandert, hier her geflohen oder hier geboren – unter verschiedenen Auswüchsen derselben Ursache zu leiden haben, sicherlich eine noch mobilisierendere Wirkung gehabt. Denn der Kapitalismus hat zahlreiche Elemente um Menschen zu spalten. Solange der Rentner, der unter einer Mieterhöhung eines privaten Vermieters zu leiden hat oder die Schülerin, die für bessere Bildung kämpft beide dem Flüchtling misstrauen, der vor Kriegen flieht, die mit deutschen Waffen geführt werden, kämpfen sie nicht alle gemeinsam für ihre Interessen. Aber genau darauf käme es an.

Und DIE LINKE?

Leider stand einer breiten Mobilisierung aber lange nicht nur dieses Problem im Weg. Gerade große Organisationen wie die Gewerkschaften, aber auch DIE LINKE waren alles andere als fleißig. Die Lehrer- und Erziehergewerkschaft GEW schickte den Aufruf an der Demo teilzunehmen an ihre Mitglieder, einem Beispiel, dem lange nicht alle Gewerkschaften folgten. Trotz des Eintretens von SAV-GenossInnen für Information der Gewerkschaftsmitglieder bestachen viele Dresdner Gewerkschaftsgliederungen mit weitgehendem Nichtstun. Geschweige denn, dass wirklich offensiv mobilisiert worden wäre (Flugblattaktionen, Plakatierungen, Mittagspausenaktionen in Betrieben usw.). Zwar mobilisierte der Studierendenverband der LINKEN und ein paar wenige Gruppen zur Demonstration, aber die restliche Bundespartei blieb in Bezug auf die Demonstration weitgehend tatenlos. DIE LINKE Dresden lehnte übrigens einen entsprechenden Antrag von SAV-Mitgliedern auf ihrem Stadtparteitag ab, mit der lapidaren Formulierung, man unterstütze ja generell all Aktivitäten gegen Rassismus und Sozialabbau.

Weil sich AktivistInnen von Großorganisationen im Stich gelassen fühlten, konnte auch der Vorschlag, dass Fahnen und Organisationssymbole nicht gezeigt werden dürfen, einige Unterstützung bekommen. Richtig wurde er dadurch nicht. Teile der Refugee-Initiativen fürchteten die Vereinnahmung der Refugees-Demo durch politische Organisationen, dabei war das Problem nicht das Zuviel, sondern das Zuwenig an Unterstützung durch Gewerkschaftsgliederungen und DIE LINKE. Natürlich müssen auf Demonstrationen Absprachen getroffen werden, wer wo läuft, wie das Fronttransparent gestaltet ist und die Forderungen nach außen präsentiert werden. Ein Verbot von Fahnen und Transparenten lehnt die SAV jedoch grundsätzlich ab. Das ist ein Einschnitt in das Recht seine Meinung, Programm und Inhalte in einer Demonstration vertreten zu dürfen und wird vor allem von Strömungen vertreten, die Organisationen und Parteien ablehnen. Diese Meinung können sie vertreten, aber nicht auf Demonstrationen anderen aufzwingen.

Besetzung des Theaterplatzes

Im Anschluss an die Demonstration besetzten einige MigrantInnen gemeinsam mit Unterstützern den Dresdner Theaterplatz. Zwar gelang es vorerst die Aktion anzumelden, dennoch ließen staatliche Restriktionen – man versucht ihnen Zelte und Übernachtungen zu untersagen und der Semperoper zu verbieten, ihnen Strom zu geben – ebenso wenig auf sich warten wie die ersten Übergriffe von Nazis und Rassisten.

Diese mündeten nach ersten Provokationen in einen gezielten Angriff nach der Pegida-Demonstration. Laut Polizeiangaben marschierten 6200 Anhänger bei ihnen mit. Im Anschluss gingen über 150 Rechte auf das Camp los. Von zwei Seiten sollte das Camp und die Gegendemonstranten, die sich schützend darum versammelt hatten, angegriffen werden. Böller wurden gezündet und Parolen wie „Abfackeln“ skandiert. Sie wurden zwar nach einiger Zeit von der Polizei aufgehalten – generell war und ist aber auf sie kein Verlass, da sie über weite Strecken keinen ausreichenden Schutz des Camps gewährleisten wollten.

Die Stadt scheint nun vor den Angriffen der Nazis zu kapitulieren und räumte das Camp, während dieser Artikel verfasst wurde. Ob ein Eilantrag dagegen Erfolg hat, war noch nicht klar.

Es muss diskutiert werden, wie zukünftig die Mobilisierung zu Demonstrationen und Aktionen verbessert werden kann und große Organisationen wie die Gewerkschaften und DIE LINKE in die Pflicht genommen werden können, nach ihren Möglichkeiten zu antirassistischen Protesten zu mobilisieren. Mit den Flüchtlingsinitiativen muss diskutiert werden, wie ihre Forderungen in die Öffentlichkeit getragen und über ihre Situation aufgeklärt werden kann. Das Wochenende zeigt auch, dass absolut keine Entwarnung bei den rassistischen Mobilisierungen von Pegida & Co gegeben werden kann, sondern Gegenmobilisierungen absolut notwendig bleiben.