Die spanische Linke und der Aufstieg von Podemos

podemosInterview mit Roberto Perez, Mitglied von Socialismo Revolucionario (CWI). Das Gespräch führte Sebastian Förster

Scheinbar wie aus dem Nichts gründete sich im Januar 2014 in Spanien die neue linke Partei Podemos, die bei den Europawahlen im Mai mit 7,97 Prozent überraschend viel Zuspruch bekam.

Was sind die Hintergründe für dieses neue Phänomen?

Viele Menschen suchen nach politischen Antworten. In der Vergangenheit gab es bereits verschiedene ähnliche Anläufe, neue linke Formationen zu gründen und den Raum einzunehmen, der durch die Wirtschaftskrise und die Politik der etablierten Parteien wie der PSOE geschaffen wurde. Die Izquierda Unida (Vereinigte Linke – IU) hat sehr hierarchische Parteistrukturen, ein fehlendes radikales Programm und sitzt in Andalusien gemeinsam mit der PSOE in einer Regierung. Im Gegensatz dazu propagiert Podemos eine durchweg offene und demokratische interne Struktur und wird als eine neue und frische Partei wahrgenommen.

Welchen Effekt hat die Entstehung von Podemos auf den Rest der spanischen Linken?

Die Auswirkungen auf die Vereinigte Linke waren enorm: So sah sich die Parteiführung jüngst gezwungen, ihre Kandidatenlisten von Delegierten bestimmen zu lassen. Die Existenz von Podemos hat die politischen Debatten innerhalb der IU weiter polarisiert und den linken Flügel gestärkt. Zwar hat die Vereinigte Linke die Anzahl der bei der Wahl für sie abgegebenen Stimmen auf anderthalb Million steigern können, was zehn Prozent entspricht. Das ist jedoch weit von dem entfernt, was eigentlich möglich gewesen wäre. Würden die IU, Podemos und die Linksnationalisten Spaniens ihre Stimmen vereinigen, wären sogar Wahlsiege in einigen Regionen möglich. Jetzt wird diskutiert, wie man sich in Bezug auf die kommenden Kommunal- und Bürgermeisterwahlen verhält.

Könnte Podemos nicht genauso schnell wieder verschwinden, wie sie entstanden ist?

Podemos ist hauptsächlich um einzelne Führungspersönlichkeiten herum aufgebaut und es gibt auch hier einen Mangel an demokratischen Strukturen. Möglich ist, dass beim weiteren Parteiaufbau vor Ort politische Streitigkeiten entstehen, die den Zusammenhalt innerhalb von Podemos gefährden. Im Moment ist das Parteiprogramm nicht radikaler als das der IU. Es ist gut möglich, dass Podemos die Chance verpasst, sich zu einer wirklichen alternativen Kraft zu entwickeln, sollte sie sich kein radikales sozialistisches Programm geben.

Welche Auswirkungen wird der „Podemos-Effekt“ auf die Frage von der Schaffung einer linken Einheitsfront haben?

Fast jeder würde verbal der Idee einer gemeinsamen linken Front zustimmen. Socialismo Revolucionario kämpft in beiden Parteien für ein Programm, das die Nichtzahlung der Schulden fordert, die Verstaatlichung der Banken unter Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung und ein sozialistisches Europa. Dazu sollte aber auch das Recht auf Selbstbestimmung nationaler Minderheiten gehören, die Ablehnung von Regierungsbeteiligungen mit pro-kapitalistischen Parteien und die Forderung nach wirklich demokratischen Strukturen – inklusive offener Mitgliederversammlungen, um über Programm und Kandidatenlisten zu entscheiden.

Wie ist der Stand der sozialen Kämpfe in Spanien?

Immer noch gibt es sehr heftige Klassenkämpfe, wenn auch eher auf lokaler Ebene. Dies liegt hauptsächlich daran, dass die Führung der größeren Gewerkschaften nach dem Generalstreik vor zwei Jahren weiteren verallgemeinerten Widerstand blockiert. Unter der Oberfläche brodeln noch tiefere Konflikte. Momentan befinden wir uns in einer Periode, in der politische Zusammenhänge klarer werden. Die Regierung behauptet, die Wirtschaft würde sich nicht weiter im freien Fall befinden. Aber weiterhin werden Betriebe dichtgemacht. Genauso schnell, wie Podemos als neue Linkspartei entstanden ist, können auch verallgemeinerte Kämpfe hochkochen. Die Entwicklungen auf der politischen Ebene können zukünftige Auseinandersetzungen befeuern. Wenn es jedoch weiterhin keinen klaren revolutionären Anziehungspunkt für die Bewegungen gibt, können neu entstehende Chancen auch wieder verstreichen. Wir von Socialismo Revolucionario meinen, dass es deswegen eine dringende Notwendigkeit für die Linke in Spanien ist, einen solchen Bezugspunkt für die arbeitende Bevölkerung zu schaffen.