Weltperspektiven: Bericht von der CWI-Sommerschulung

CWI SommerschulungWas die arbeitenden Menschen angeht, versagt der Weltkapitalismus

Dieser Artikel erschien zuerst am 7. August auf der englischsprachigen Webseite socialistworld.net

Wirtschaftskrisen, Unsicherheit, Armut und Krieg – das ist alles, was das System zu bieten hat!

Kevin Parslow, „Socialist Party“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in England und Wales)

„Der Kapitalismus hat keine Lösung für die Krise des Systems parat. Das ist offiziell. Die OECD, eine der wichtigsten Wirtschaftsagenturen des Kapitalismus, bestätigt dies in ihrem jüngsten Bericht über die Perspektiven für die nächsten 45 Jahre“.

In seiner Einleitung zur Veranstaltung über die Weltperspektiven bei der diesjährigen Sommerschule des CWI („Committee for a Workers´ International“ // „Komitee für eine Arbeiterinternationale“, dessen Sektion in Deutschland die SAV ist), die in Belgien stattfand, hob Peter Taaffe die Zweifel und Sorgen hervor, die die Kapitalisten bezüglich ihres eigenen Systems haben. Für einige gilt weiterhin, dass kurzfristiges Denken reicht. Sie versuchen lediglich, aus der derzeitigen Krise wieder herauszukommen oder die noch kommende zu verhindern.

Zwar verfolgen die wichtigsten Vertreter des Weltkapitalismus – vor allem die USA – noch den Ansatz der langfristigen Betrachtung. Doch die OECD kommt zu dem Schluss, dass das weltweite Wirtschaftswachstum von jetzt an bis 2060 bei zwei Drittel der momentanen mageren Rate liegen wird.

Das CWI stimmt mit kapitalistischen Wirtschaftsexperten darin überein, dass ihr System gescheitert ist. Selbst in den entwickelten kapitalistischen Ländern herrschen Massenarbeitslosigkeit, beispiellose Ungleichheit und Armut.

Glücklicherweise wird es in den nächsten 50 Jahren nicht dazu kommen, dass die Aufrechterhaltung des Kapitalismus akzeptiert wird, so Peter. Wie lange das System weiterbesteht, hängt davon ab, wie gut die Arbeiterklasse vorbereitet ist zu mobilisieren, sich zu organisieren, die sich bietenden Gelegenheiten zu nutzen und die Macht zu übernehmen. Das bedeutet den Aufbau einer Organisation, einer Partei, die in der Lage ist, für und durch die Arbeiterklasse die Macht zu erringen sowie diese Macht auf nationaler wie internationaler Ebene zu konsolidieren.

Vor Kurzem ist es zwischen Thomas Piketty, dem Autor des Buchs „Capital in the Twentieth Century“ (dt.: „Das Kapital im 21. Jahrhundert“) und der Zeitung „Financial Times“ zur Frage der Ungleichheit zu einem Disput gekommen. Beide haben dabei das jeweils von der anderen Seite angeführte Zahlenmaterial angezweifelt. Für die meisten Menschen steht jedoch außer Frage, dass die Ungleichheit weltweit zugenommen hat. Der US-amerikanische Schriftsteller Upton Sinclair sagte einmal: „Es ist nicht einfach, einem Menschen etwas erklären zu wollen, der Geld dafür bekommt, dass er nichts versteht“.

Extremes Flüchtlingsproblem

Die neokoloniale Welt lebt in einem Albtraum. Verzweifelte Menschen klettern über Zäune, die in Nordafrika und den USA aufgebaut sind, oder riskieren ihr Leben, indem sie Ozeane überqueren, um so zu einem „besseren Leben“ zu kommen. Allzu oft stellt sich diese Vorstellung später dann als Illusion heraus. Die OECD geht davon aus, dass die Flüchtlingswelle anhalten wird. Man erwartet, dass 50 Millionen Menschen sowohl in Richtung Europa als auch in Richtung USA auswandern werden wollen. Das sagt auch einiges über die Bedingungen aus, denen diese Menschen entkommen wollen, die im Keim auch in Europa schon angelegt sind und in den entwickelten Ländern mehr und mehr zur Normalität werden.

Peter skizzierte die Position des Weltkapitalismus hinsichtlich ökonomischer Fragen. Kapitalistische WirtschaftswissenschaftlerInnen akzeptieren, dass die „neue Normalität“ aus Stagnation besteht. Sie stimmen mit den Punkten überein, die das CWI gemacht hat, wonach das angebliche „Produktivitätswunder“ der Informationstechnologie-Branche überschätzt worden ist, und sämtlicher verbleibender finanzieller Nutzen aus diesem Sektor bereits herausgezogen worden ist. Automatisierung und der Einsatz von Robotern haben das Potential, die Menschheit zu entlasten. Im Kapitalismus sind sie zunächst allerdings nichts anderes als Job-Killer. 47 Prozent der Arbeitsplätze in den USA sind gefährdet durch den Einsatz neuer Technologien.

Eins ist sicher: Der Kapitalismus wird immer wieder von beispiellosen Massenbewegungen herausgefordert. Einen Geschmack davon haben wir in den letzten fünf Jahren bekommen.

Diese Kämpfe werden nicht nur von der Arbeiterklasse, sondern in zunehmendem Maße auch von den Mittelschichten begrüßt werden. Die „New York Times“ schrieb, dass die Mittelschicht in den USA hinter die in Kanada und Europa zurückfällt. Wenn nicht die heutigen Teile dieser Mittelschicht, dann werden es ihre Töchter und Söhne sein, die sich an Massenbewegungen beteiligen werden, die von uns, der Arbeiterklasse, organisiert werden, um einen Wandel herbeizuführen.

Das derzeitige Chaos und der Aufruhr im Kapitalismus ist zu einem großen Teil auf die Krise zurückzuführen, die 2007/-08 ihren Anfang nahm. Der Rhythmus und die Taktung ihrer Auswirkungen variiert zwar von Kontinent zu Kontinent, aber überall sind die Folgen spürbar. Das gilt auch für Kontinente und Länder, die bisher von den schwersten Auswirkungen verschont geblieben sind.

Australien verzeichnete einen 23 Jahre andauernden Aufschwung. Dem Land ergeht es nun aber wie dem Rest der Welt, weil es in China zu einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums kommt. Kat aus Australien ging näher auf diesen Punkt ein und erklärte, dass die Zukunft Australiens davon abhängt, was mit der Volkswirtschaft Chinas passiert. Vor 20 Jahren hatten die Volkswirtschaften Australiens und Chinas dasselbe Volumen. Heute steht China vier Mal besser da. Australien hält zudem eine äußerst schwierige Position, da das Land zwischen China und den USA die Balance zu halten versucht. Schließlich sind die USA der wichtigste Verbündete im asiatisch-pazifischen Raum. Damit steht Australien mitten im wahrscheinlich brisantesten Konflikt der Welt.

Peter meinte, dass Brasilien und der ganze lateinamerikanische Kontinent Massenbewegungen erleben wird, was nach der Fußballweltmeisterschaft mit aller Heftigkeit bereits seinen Anfang zu nehmen schien. 2010 lag das Wirtschaftswachstum Brasiliens bei 7,5 Prozent und ist nun auf nur noch ein Prozent zurückgefallen! Bei den Präsidentschaftswahlen wird die Amtsinhaberin Dilma Rousseff von der PT („Arbeiterpartei“) wahrscheinlich das Rennen machen, eine Wiederwahl mit geringerem Vorsprung. Es ist aber alles möglich.

Das Epizentrum der Welt-Bewegung gegen den Kapitalismus liegt zur Zeit in Nord- und Südamerika. Europa erlebt gerade eine „milde Reaktion“, was auf die Frustration der Beschäftigten und die damit verbundenen kolossalen Massenbewegungen zurückzuführen ist, die auf die Grundfesten des Kapitalismus eingehämmert haben. Momentan wird dies von den Kapitalisten noch kompensiert, was in erster Linie daran liegt, dass es der Arbeiterklasse an einer Führung mangelt, die mit einer Alternative aufwarten könnte. In einigen Fällen übt die vorhandene „Führung“ der Massenorganisationen sowohl auf politischer Ebene als auch bei den Gewerkschaften sogar offene Sabotage. In der kommenden Phase wird sich dies jedoch ändern.

Die viel zitierte wirtschaftliche „Erholung“ ist für Millionen von Menschen reiner Schwindel, im besten Fall eine seichte Konsolidierung. Die USA waren nicht in der Lage, den Rest der Welt wieder aus der Rezession zu holen. Für den Kapitalismus existieren keine Leuchtfeuer, aus denen man Hoffnung ziehen könnte. In Europa und andernorts wird es zwangsläufig zu neuem Widerstand kommen.

Stagnierender Kapitalismus

Mit den Erhebungen in Ägypten und im gesamten Nahen Osten konnten wir bereits die Entwicklung von Massenbewegungen erleben. Eine Revolution ist kein einmaliger Akt, sondern ein Prozess. Im Moment hat die Konterrevolution noch die Oberhand, doch neue Ausbrüche massenhaften Widerstands sind wahrscheinlich. Es wäre verfrüht, der Bewegung die letzte Salbung zukommen zu lassen.

„Die Erholung der Märkte in den USA will einfach nicht die Erwartungen erfüllen“, so der Kommentar des britischen Wirtschaftsmagazin „The Economist“ aus London. Das Wirtschaftswachstum ist nicht stark genug, um für eine größer werdende Bevölkerung ausreichend Arbeitsplätze zu schaffen. Die Tendenz geht dahin, dass Arbeitslosigkeit und damit einhergehend auch Armut zu einem permanenten Phänomen wird.

Das deutet auf den stagnierenden Charakter des Kapitalismus hin. Es brauchte eine sechs Jahre währende und alles in allem blutleere Erholungsphase, um die Wirtschaft zurück auf das Vorkrisen-Niveau zu bringen. Und immer noch ist kein „Wohlfühlfaktor“ in Sicht, der mit diesem „freudlosen Aufschwung“ einhergehen würde. Dort, wo die ökonomische Wiederbelebung und Wachstum erneut zu verzeichnen sind, wird die Stimmung der Beschäftigten in diese Richtung gehen: „Wir wollen unseren Anteil!“.

Dabei trauen die Kapitalisten dieser Art der Erholung nicht, was sich an der ebenfalls stagnierenden oder sogar zusammengebrochenen Investitionstätigkeit sowie der Akkumulation bzw. Anhäufung enormen Kapitalstöcke ablesen lässt. Dazu kommt, dass die Zinsen wie auch die Kosten für das Kapital sich auf einem historischen Tiefstand befinden. Im Falle Großbritanniens haben wir es mit den niedrigsten Werten seit mehr als drei Jahrhunderten zu tun!

Manch eineR rät dazu, die Zinsen anzuheben, um auf diese Weise die sich bedrohlich aufblähenden Finanzblasen aufzuhalten. Diese drohen zu einem Fiasko zu führen wie im Jahre 2008, was wiederum ein Beleg für den wackeligen Charakter des Kapitalismus ist.

Kapitalistische Wirtschaftstheoretiker wie Larry Summers und Robert Gordon meinen, es gäbe keine ausreichenden Investitionsmöglichkeiten, mit der man die „Sparwut“ kompensieren könnte. Damit drücken sie einen tiefsitzenden Pessimismus hinsichtlich ihres eigenen Systems aus.

Gleichzeitig versucht der Kapitalismus verzweifelt die Bedingungen zu schaffen, um massenhaft Privatisierungen durchführen zu können. Zu Beginn des Jahres beschäftigte sich das Magazin „The Economist“ mit der umfassenden Plünderung von Staatsanleihen, was weltweit ein Ausmaß von bis zu neun Billionen Dollar annahm, dem Wert des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von China!

Die „Große Rezession“ hat außerdem der kapitalistischen Globalisierung Schaden zugefügt. Damit einher ging der Zusammenbruch der grenzüberschreitenden Finanzgeschäfte, des Handels mit Waren und Dienstleistungen. Tanja aus Belgien machte die Gefahren deutlich, die die „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ (TTIP) mit sich bringt. Dahinter steht das Ziel der engeren Zusammenarbeit zwischen den USA und der EU als Gegengewicht zu Asien und Russland. Es handelt sich allerdings nicht um ein herkömmliches Handelsabkommen zur Senkung von Zollbarrieren. Vielmehr geht es dabei um die Einführung von Privatisierungen und des „freien Marktes“ im Bereich der Dienstleistungen. Es sollen damit jegliche Regulierungsmechanismen abgebaut werden, die das Profitmachen bisher noch beschränkt haben.

In den entwickelten Ländern liegen die Schuldenstände höher als vor 2008, so Peter. Allerdings wird das Anhäufen von Schulden im Kapitalismus als einziges Mittel zur Beförderung von Wachstum gesehen. Der Genosse Per-Åke aus Schweden betonte, dass Schulden der wichtigste Motor für Wachstum sind. Er fügte hinzu, dass es in den vergangenen fünf Jahren weltweit zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit von 32 Millionen auf 48 Millionen Erwerbslose gekommen ist und die Arbeiterklasse zehn Prozent bis 15 Prozent ihrer Einkommen eingebüßt hat. Er meinte, dass die derzeitige Periode als „Ruhe vor dem Sturm“ bezeichnet werden kann.

Peter ging auch auf die Rückkehr des „Schatten-Bankensystems“, die sogenannten „dunklen Kanäle“ und auf anhaltende Krise bei den europäischen Banken ein. So sei es vor kurzem erst zum Zusammenbruch der portugiesischen Bank „Espírito Santo“ gekommen, was eine Bedrohung für das weltweite Finanzsystem darstellt.

Der Prozess der Schulden-Akkumulation hat auch China erfasst, wo die Schuldenstände von 130 Prozent des BIP im Jahr 2008 auf 220 Prozent in 2013 angestiegen sind. Wenn die Schuldenbremsen greifen, so wird es zu einem Nachlassen der Wirtschaftstätigkeit mit massiven Folgen kommen.

Demonstrationen in Hong Kong

In diesem Zusammenhang sind auch die Massendemonstrationen, die in Hong Kong stattgefunden haben und an denen sich das CWI beteiligt hat, von großer Bedeutung. In vortrefflicher Weise bringen sich dabei die jungen Leute ein, die eifrig und ganz entgegen zu den Wünschen ihrer Eltern vorgehen. Trotz der Zusagen der Arbeitgeber haben zum Entsetzen des Regimes in Peking auch ArbeiterInnen daran teilgenommen. Die Zentralregierung hat mit harten Bandagen reagiert, was vor allem die Gruppe „Occupy Central“ zu spüren bekam. Der Grund dafür ist, dass Peking kolossale politische Effekte fürchtet, die die Vorgänge in Hong Kong für Festland-China haben könnten. Schon eine kleine Gruppe, die mit einem korrekten politischen Ansatz an die Dinge geht, kann in dieser Situation zu einem bedeutenden Faktor auch in China werden. Das sprichwörtliche, zufällig fallengelassene, brennende Streichholz kann eine ganze Revolution auslösen, welche Bestandteil der momentanen Situation ist. Eine Stadt in der vor allem von MoslemInnen bewohnten chinesischen Provinz Xinjiang hat tatsächlich vor kurzem Streichhölzer verbieten lassen!

Sally aus Hong Kong brachte die Punkte in die Diskussion ein, die den Einfluss Chinas auf die Weltwirtschaft ausmachen: Was die Kaufkraft angeht, könnte das Land bereits stärker sein als die USA. Allerdings sind die Schuldenstände schneller angehäuft worden als im Japan der 1980er Jahre, was eine umfassende Bankenkrise zur Folge haben könnte. Die Zukunft Chinas ähnelt dem japanischen Beispiel immer mehr. Der Immobilienmarkt stellt dabei die größte Bedrohung für die chinesische Volkswirtschaft dar. Es wird zu einem deflationären Prozess kommen, sobald die Immobilienblase zu platzen beginnt.

Auch wenn die Zahl der Streiks eher noch gering ist, so leisten die abhängig Beschäftigten Widerstand. Gegenüber vergangenem Jahr hat es 49 Prozent mehr Arbeitskämpfe gegeben. Das CWI ist auf künftige Massenbewegungen der Arbeiterklasse in China vorbereitet, die im Fokus unserer Arbeit stehen.

Der Erfolg von Seattle

Peter erwähnte, dass die Ereignisse von Seattle gezeigt haben, wie arbeitende Menschen in den USA, wo sich die Möglichkeiten dazu ergeben, unheimlichen Einfluss nehmen können. Eine Faktor dabei ist die Offenheit der US-amerikanischen ArbeiterInnen und jungen Leute gegenüber den Ideen des Sozialismus und Marxismus, wenn diese denn auf sensible, aber gleichzeitig auch entschiedene Art und Weise eingebracht und vorgestellt werden.

Teilweise liegt dies daran, dass die fortschrittlicheren ArbeiterInnen und Jugendlichen in den USA nicht mit den Bürden der Vergangenheit belastet sind. Sie kennen keine in Misskredit geratenen sozialdemokratischen oder „kommunistischen“ Parteien und deren üble Politik. Hinzu kommt, dass die bescheiden ausgefallene wirtschaftliche Erholung dazu beigetragen hat, dass die Beschäftigten der Fast-Food-Branche an Zuversicht gewinnen konnten und bereit waren zu streiken.

Die Gewerkschaften sind diesem Umstand zwar nicht ausreichend gerecht geworden. Mit der Wahl unserer Genossin Kshama Sawant hat die Wählerschaft von Seattle dies jedoch getan. Das gleiche gilt für die Bewegung „15 Now!“ (dt. sinng.: „Jetzt für einen Mindestlohn von 15 Dollar!“), die sehr erfolgreich ist. Das bietet der Organisation „Socialist Alternative“ in den ganzen USA große Möglichkeiten an Einfluss und Ansehen zu gewinnen. Umgekehrt kann diese Entwicklung auch diejenigen radikaleren Kräfte zum Umdenken bewegen, die immer noch versuchen, in der Partei der „Demokraten“ zu arbeiten. Die geschwächte Position der US-amerikanischen herrschenden Klasse und ihre Unfähigkeit, Lösungen hervorzubringen, hat zur Intensivierung der Klassenkämpfe geführt.

Die kapitalistischen Institutionen weltweit leiden nicht nur unter der Wirtschaftskrise, sie verlieren auch an Legitimation. Das politische System der USA ist „disfunktional“. Ein Milliardär hat bei den letzten US-Präsidentschaftswahlen 90 Millionen Dollar für die Unterstützung von Kandidaten ausgegeben. Momentan sucht er nach „einem Kandidaten der Republikaner, der Überzeugungen hat, dabei aber nicht vollkommen verrückt ist“. Die „Financial Times“ kommentierte diesbezüglich, das sei „eine schwierigere Aufgabe, als man glaubt“.

Sowohl bei den „Demokraten“ als auch den „Republikanern“ kommt es zu Spaltungen. Die Verwirrung, die in diesen Parteien vorherrscht, bedeutet, dass die Ergebnisse bei den Zwischenwahlen in diesem Jahr wie auch den nächsten Präsidentschaftswahlen 2016 noch lange nicht feststehen. Das Zwei-Parteien-System steckt in der Krise, da Millionen (vor allem jugendliche) Menschen davon entfremdet sind und nach einer Alternative Ausschau halten. Zu gegebener Zeit wird die Idee von einer neuen, radikalen bzw. sozialistischen Massenpartei der ArbeiterInnen aufkommen. Es kann sein, dass der „sozialistische“ Senator Bernie Sanders bei den Präsidentschaftswahlen antreten wird. Das kann ein wichtiger Schritt in Richtung einer solchen Partei sein – auch wenn Sanders sein Ansehen selbst beschädigt hat, als er während des Krieges gegen den Gazastreifen im Senat für Finanzhilfen für Israel gestimmt hat.

Der Genosse Ty aus den USA vergegenwärtigte uns des Potential, das dort für SozialistInnen besteht. Beim „Left Forum“, das vor kurzem in New York stattgefunden hat, wurden 6.000 TeilnehmerInnen gezählt. Mit ihrer Rede, die Kshama Sawant bei dieser Großveranstaltung gehalten hat, zeigte sie auf, wie die Linke aufgebaut werden kann. Wir haben es mit der günstigsten Situation seit Jahrzehnten zu tun, um eine linke Alternative zum Zwei-Parteien-System aufbauen zu können.

Peter sagte, dass die verbleibende ökonomische und militärische Macht, die der US-Kapitalismus noch hat, der Grund dafür ist, weshalb sozialistische Erfolge wie die Wahl von Kshama weltweit Beachtung finden.

Die USA sind ernstlich geschwächt worden, nicht zuletzt wegen der groben Fehlleistungen eines George W. Bush und der „Neo-Cons“ nach dem 11. September 2001. Diese hatten damals behauptet, die USA wären die einzige übrig gebliebene dominierende Macht, das „Vietnam Syndrom“ sei überwunden. Das CWI warnte vor dem unabwendbaren Rückschlag für die USA selbst aber auch auf internationaler Ebene. Die US-Bevölkerung ist heute in größerem Umfang gegen Auslandseinsätze eingestellt als zur Zeit nach dem Vietnam-Krieg. Die Stimmung ist stark genug, um Obama von seinem ursprünglichen Plan abzubringen, Syrien zu bombardieren.

Naher Osten in Flammen

Mit seiner Theorie vom „Ende der Geschichte“ hatte Francis Fukuyama im Grunde dieselbe Haltung wie die Neo-Konservativen vertreten. Damit meinte er den dauerhaften Sieg der kapitalistischen Demokratie. Heute hat er Schwierigkeiten, sein Modell auf die Realität im Nahen Osten und Nordafrika anzuwenden, wo wir mächtige revolutionäre Ereignisse erleben durften. Wir werden nun jedoch ZeugInnen einer Phase der Konterrevolution, was sich in den neuen diktatorischen Regimes in der Region widerspiegelt.

Das CWI hatte festgestellt, dass der Sturz Saddam Husseins im Irak dazu führen würde, das mindestens drei „neue Saddams“ auftauchen würden. Diese Warnung hat sich bestätigt. Heute ist es wahrscheinlich, dass es zu einem schiitischen Staat im Süden, einem sunnitischen im Zentrum und einem kurdischen im Norden kommen wird.

Die Grenzen, die vor 90 Jahren gezogen worden sind, sind verschwunden. Der „Economist“ schrieb dazu: „Irak und Syrien sind keine anerkannten Staaten mehr“. MarxistInnen haben davor gewarnt, dass das Eingreifen von außen nur den Taliban, Al Kaida und jetzt dessen Sprössling, dem „Islamischen Staat im Irak und der Levante“ (ISIS) helfen würde.

ISIS hat die irakische Armee geschlagen, nicht wegen des vorhandenen Einflusses oder der Stärke, sondern weil ehemalige Anhänger der Baath-Partei von Saddam und andere vollkommen entfremdete Sunniten auf ihre Seite übergewechselt sind. Die in erster Linie schiitisch geprägte Armee des Irak war nicht bereit, für ein korruptes und in Misskredit gefallenes Regime unter Ministerpräsident Maliki zu sterben.

Unter dem Strich ist das Ergebnis der US-amerikanischen Intervention ein Reigen sektiererischer Kriege von Pakistan über den Nahen Osten und darüber hinaus. Verbunden sind sie mit unkalkulierbaren Folgen – nicht zuletzt, was die Einheit der Arbeiterklasse angeht. Die einzige Hoffnung, einen Ausweg aus dieser Sackgasse zu weisen, liegt aber in der gesellschaftlichen Klasse der abhängig Beschäftigten.

Unser Widerstand gegen die militärische Intervention in Libyen hat im Endeffekt dadurch seine Rechtfertigung gefunden, dass es nun zum Auseinanderbrechen des Landes kommt und zur Herrschaft verschiedener Warlords. Um ein Programm nach vorne zu bringen, das die Arbeiterklasse als Lösung präsentiert, um aus der Sackgasse des Sektierertums, in der man zur Zeit steckt, wieder herauszukommen, gibt es kein Patentrezept. Wir sollten immer darauf aus sein, vom Klassenstandpunkt aus zu denken: Außenpolitik ist nur die Fortsetzung von Innenpolitik.

Wir müssen uns daran erinnern, dass der ursprüngliche Impuls für den Beginn des „Arabischen Frühlings“ nicht religiöser, sondern viel mehr wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Natur war. Die Entfremdung der Jugend und der Arbeiterklasse, befördert durch die Unfähigkeit des Kapitalismus, die angehäuften Probleme zu lösen, war die Triebfeder für die ägyptische und die tunesische Revolution. Wir haben prophezeit, dass es dazu kommen wird – nicht zuletzt deshalb, weil die Arbeitslosigkeit dort dramatische Ausmaße angenommen hat.

Selbst in Syrien war es die Dürre von 2006 bis 2010, die vor allem die hungernden sunnitischen Bäuerinnen und Bauern in die entstehenden städtischen Slums trieb. Das heizte die Aufstände des Jahres 2011 an, die zwar durchaus legitim waren, aufgrund des Fehlens einer sozialistischen Führung aber zu sektiererischen Konflikten degenerierten.

Der derzeit herrschende sektiererische Krieg wird von den Golfstaaten (vor allem von Saudi Arabien) unterstützt und angeheizt.

Ein verzweifelter US-Imperialismus hat sogar gegenüber seinem größten Feind im Mittleren Osten, dem Iran, eine 180°-Wendung hingelegt und um Unterstützung gegen eine weitere Ausbreitung der ISIS gebeten! Diese Heuchelei wurde von Lindsey Graham, Senator der „Republikaner“, gerechtfertigt, der sagte: „Wir haben uns in der Vergangenheit auch mit Stalin verbündet“.

Allerdings kann die derzeitige Katastrophe nicht über die Beispiele an Klassenkämpfen im Irak, wo die „Kommunistische Partei“ einmal die stärkste Partei war, und im Iran, wo dasselbe für die „Tudeh-Partei“ galt, hinwegtäuschen. In beiden Fällen kollabierten die Bewegungen aufgrund der falschen Politik ihrer Führungen.

Die Bevölkerung und unter ihr vor allem der Teil, den wir Arbeiterklasse nennen, war vor dem Einmarsch der USA in den Dörfern und Städten bis zu einem gewissen Grad integriert. Aus diesem Grund kam es 2011 neben den anderen Aufständen im Mittleren Osten zu Massendemonstrationen, bei denen folgender Slogan tonangebend war: „Wir sind keine Schiiten oder Sunniten, sondern Iraker“. Diese Stimmung schlug um aufgrund der sektiererischen Politik von Leuten wie Malaki und wegen des Fehlens einer Alternative für die arbeitenden Massen.

Palästina

Zu diesem Horrorszenario kommt nun noch der neue Krieg zwischen Israel und den PalästinenserInnen hinzu. Die „Hamas“ war isoliert und die Tunnel sind vom Regime in Ägypten geschlossen worden, weil man in Kairo die „Muslimbrüder“, die auch Brüder im Geiste mit der „Hamas“ sind, hasst. Dasselbe gilt übrigens auch für das saudische Regime. Die Angst von Netanjahu, was eine langfristige „Besatzung“ des Gazastreifens angeht, besteht darin, dass die „Hamas“ zwar schlecht ist, es alternativ aber zum Erstarken von Organisationen wie der „ISIS“ kommen kann, was noch schlimmer wäre.

Shay aus Israel/Palästina erklärte, dass die Sackgasse, in die der Krieg führt, die palästinensische Frage nicht klären wird. 52 Prozent der Israelis glauben nicht, dass diese Militäroffensive den Raketenbeschuss auf Israel beenden wird. Die Partei der Siedler, die den Namen „Jüdisches Heim“ trägt, gewinnt an Unterstützung. Sie greift Premierminister Netanjahu von rechts an. „Weil etwas geschehen muss“, finden die Angriffe auf den Gazastreifen bereite Unterstützung. Auch SozialistInnen wollen sicher leben, sie erklären aber, dass der Haupt-Aggressor Israel ist und dieser erneute Krieg unterstreicht, wie isoliert die israelische Regierung auf internationaler Ebene dasteht. Die zunehmende Wut, die im Westjordanland zu verzeichnen ist, hat zu Zusammenstößen, einem Generalstreik und einer national ausgerichteten Demonstration geführt, die von Vertretern der israelischen AraberInnen organisiert wurde. Der palästinensische Premierminister Abbas hat versucht, als Mittler zu agieren, wird aber als Kollaborateur wahrgenommen, während die „Hamas“ mehr Unterstützung bekommt.

Abgesehen von dieser Thematik gibt es weiterhin viele Probleme, die die Klassengesellschaft betreffen. So ist der Lebensstandard der Arbeiterklasse immer wieder Ziel der Angriffe der Regierungen, und SozialistInnen führen Kampagnen dagegen.

Peter erklärte, dass Präsident Sisi in Ägypten als „neuer Napoleon“ bezeichnet wird, weil er in bonapartistischer Manier handelt. Er selbst sieht sich als der neue Nasser (die führende Figur der 1950er und -60er Jahre, die Ägypten populistisch regierte). Sisis prokapitalistische Politik wird dieser Sichtweise hingegen nicht gerecht. Eine neue Bewegung der Arbeiterklasse ist in der Zukunft unausweichlich.

Unser Programm sieht eine sozialistische Föderation des Nahen Osten vor, mit der das Sektierertum überwunden und zurück zum Klassenstandpunkt gefunden wird.

Ukraine

Beim Thema Weltperspektiven sind die Ukraine und Russland ein weiterer Brennpunkt. Das CWI nimmt auch in diesem Fall den Klassenstandpunkt ein und versucht – unabhängig von ihrer Nationalität – die Gemeinsamkeiten der ArbeiterInnen hervorzuheben. Wir sollten und können Putins Regime in Russland und dessen angeblich Ansatz, dass man gegen eine „faschistische“ Regierung in Kiew kämpft, nicht unterstützen – auch nicht kritisch unterstützen. Das heißt nicht, dass in der ukrainischen Regierung keine rechtsextremistischen und faschistischen Elemente vorhanden wären. Doch Moskau verfolgt eine vor allem von den Interessen des russischen Staates (und jenen, die er vertritt) geleitete Politik. Es geht dabei um die Oligarchen, die kapitalistischen Gangster.

Letztes Jahr ist es zu einer echten Bewegung gegen die Oligarchen in der Ukraine gekommen. Es war aber keine Kraft in der Lage, dieser Bewegung eine Richtung zu geben. Deshalb konnte die extreme Rechte, konnten Nationalisten und imperialistische Kräfte aus dem Ausland die Sache übernehmen. Hinzu kommt, dass man das Erbe des Stalinismus mit bedenken muss, durch das sich die Situation dort verkompliziert.

Anfangs gab es Elemente einer unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse. Es wurden Milizen und unabhängige Räte gebildet. Verdeckt wurde dies jedoch durch die Präsenz von „Swoboda“, dem „Rechten Sektor“ und Faschisten in der Ukraine. Doch der wahre Einfluss der extremen Rechten zeigte sich, als sie bei den Präsidentschaftswahlen nur drei Prozent der Stimmen erhielten.

Wir unterstützen zwar das Selbstbestimmungsrecht der Krim. Eine „Befreiung von außen“ kann dies aber am Ende nur unterminieren. Nur eine demokratische verfassunggebende Versammlung, die von einer vereinten Arbeiterbewegung einberufen wird oder z.B. aufgrund eines wirklich demokratischen Referendums zustande gekommen ist, kann dies auf der Krim und in der Südost-Ukraine garantieren.

Wir unterstützen auch nicht das Regime in Kiew. Der Genosse Robert Bechert erklärte in seinem Schlusswort, dass die Mächte Europas nur ihre eigenen Interessen in der Ukraine verteidigen.

Wir schlagen stets ein Programm vor, das den Klassenstandpunkt zugrunde legt und im Interesse der Arbeiterklasse ausgerichtet ist. Im Falle der „Nationalen Frage“ geht es nicht nur um die abstrakte Einheit der Arbeiterklasse, sondern um ein konkretes Programm und konkrete Forderungen. Betont wird der Internationalismus und dass die Arbeiterklasse die Lösung bringen kann.

Das CWI versucht, wie Peter es ausdrückte, eine unabhängige Achse der Arbeiterklasse aufzubauen, auch wenn sie zum jetzigen Zeitpunkt noch schwach sein mag.

Es ist eine neue Phase sich intensivierender Konflikte zwischen den USA und seinen Verbündeten auf der einen sowie Russland auf der anderen Seite angebrochen. Die USA haben sich auch in ihrer Haltung gegenüber Asien in zunehmendem Maße gegen Chinas Versuche gerichtet, die eigene Stellung mittels der neuen ökonomischen Stärke durchzusetzen.

Zwischen China und Vietnam bzw. Japan ist es zu territorialen Auseinandersetzungen gekommen. Ein bewaffneter Konflikt – sogar ein begrenzter „Krieg“ – liegt im Bereich des Möglichen.

Asien sieht sich außerdem mit einer wirtschaftlichen Verlangsamung und schweren Erhebungen konfrontiert. Eine Reihe von GenossInnen aus Asien (darunter Jaco aus Hong Kong, Isai aus Sri Lanka und Xu aus Malaysia) stellten dar, wie China auf wirtschaftlicher Ebene immer mehr Einfluss in der Region bekommt. Ähnliches gilt für das Feld der Politik, der Diplomatie und was militärische Auseinandersetzungen angeht, wenn China seine Macht weiter ausweitet. Die GenossInnen zeigten auch, welche Auswirkungen Chinas Einfluss auf die Regierungen in Asien hat. Dabei unterstützt China z.B. das verhasste Regime unter Präsident Rajapakse in Sri Lanka.

Obwohl Narendra Modi in Indien einen großen Wahlsieg errungen hat, verzeichnet die indische Volkswirtschaft eine zurückgehende Wachstumsrate, die bei nur fünf Prozent liegt. Das ist die Hälfte des ursprünglichen Wertes. Modis Programm, mit dem er Subventionen zurückfahren will, hat Massenbewegungen hervorgerufen, die sich gegen die steigenden Bahnpreise wehrten.

In Südafrika ist die große Idee von einer neuen Partei von der Metallarbeitergewerkschaft NUMSA aufgegriffen worden. Das wird auf dem Wege ihrer weiteren Entwicklung das Hauptthema der Arbeiterbewegung in Südafrika sein. Der Genosse Weizmann aus Südafrika sagte, dass die vor kurzem abgehaltenen Wahlen für die prokapitalistischen Parteien kein einziges Problem gelöst haben. Der ANC hat in den urbanen Zentren nur 34 Prozent der Stimmen bekommen und droht, in fünf von sechs wichtigen Metropolregionen bei den anstehenden Kommunalwahlen Niederlagen einzufahren.

In seiner Zusammenfassung betonte Peter, dass der Weltkapitalismus sich in Aufruhr befindet und unfähig ist, irgendeines der bestehenden Probleme zu lösen: ökonomisch, gesellschaftlich, was die Umwelt angeht und die Frage von Krieg und Frieden. Der Sozialismus klopft an die Tür der Geschichte. Es mag merkwürdig erscheinen, dies zu behaupten, da die aktiven Kräfte des Sozialismus so schwach erscheinen.

Allerdings werden aufgrund des Chaos, für das der Kapitalismus heute verantwortlich zeichnet, Massenbewegungen entstehen. Trotzki sah die sozialistische Zukunft aus den Schrecken des Ersten Weltkriegs und dem unausweichlichen Ausbruch der Revolution hervorgehen. Lenin tat zwar dasselbe, ging aber von einer langsameren Entwicklung aus.

Dennoch bereitete Lenin eifrig die Kräfte darauf vor, in dieser Revolution einzugreifen. Mit einer solchen Situation haben wir es auch heute zu tun. Dann wird es möglich sein, sich mit anderen sozialistischen Kräften zu verbinden, um eine demokratische Herrschaft der Arbeiterklasse in einer weltweiten sozialistischen Föderation zu errichten. Das CWI muss den Zugang zu den besten ArbeiterInnen und jungen Leuten finden.

Es gibt eine sozialistische Welt zu gewinnen, die nicht nur einer Minderheit eine Zukunft zu bieten hat sondern Möglichkeiten bietet, um alle Talente der Menschen dieser Welt weiter zu entwickeln. Dies ist eine Perspektive, für die es sich zu kämpfen lohnt.