Europäischer Kapitalismus: Keine Erholung

sommerschulung_EuropaDie Arbeiterklasse muss sich für zuküntige Kämpfe organisieren – Bericht der CWI-Sommerschulung

von Sarah Sachs-Eldridge, Socialist Party (CWI England & Wales)

Vor zwei Wochen hielt das CWI in Leuven in Belgien eine erfolgreiche Europäische Sommerschulung ab. Über 300 GenossInnen aus 26 Ländern nahmen an der Veranstaltung teil, die von ernsthaften Diskussionen über die gegenwärtige Lage, die Perspektiven kommender Klassenkämpfe und den Aufbau des CWI geprägt war. Im Plenum wurde über die weltweite Situation, Europa und den Aufbau des CWI diskutiert. Mehr als ein Dutzend Arbeitsgruppen beschäftigten sich mit verschiedenen Themen und Regionen, darunter Lateinamerika, Südafrika, den Nahen Osten, die Übergangsmethode, die nationale Frage und vieles mehr. Hier veröffentlichen wir einen Bericht von der Plenumsdiskussion zu Europa.

Sechs Jahre nach dem Ausbruch der verheerendsten Krise seit dem zweiten Weltkrieg bot die Diskussion zu Europa den Mitgliedern des CWI Gelegenheit zu einem Rückblick auf die Ereignisse dieser Jahre und einem Ausblick auf wahrscheinliche Entwicklungen.

Die Krise hat die herrschende Klasse Europas in Panik versetzt. Sie fürchteten, dass die wirtschaftliche Verheerung zu einem Auseinanderbrechen der EU führen und so ihr Lieblingsprojekt zur Koordination der Ausbeutung der europäischen Arbeiterklasse zerschlagen würde. Milliarden wurden in die Banken gepumpt. Gleichzeitig kam es zu den härtesten Kürzungsmaßnahmen seit Jahrzehnten.

Tony Saunois leitete die Diskussion ein
Tony Saunois leitete die Diskussion ein

In einem europäischen Land nach dem Anderen ging die Arbeiterklasse auf die Straße und reagierte mit heroischen Kämpfen, um ihre Arbeits- und Lebensbedingungen zu verteidigen. Aber auf dem ganzen Kontinent versagten ihre Führungen und es fehlten demokratische Strukturen und Massenorganisationen der Arbeiterklasse, also Gewerkschaften und Arbeiterparteien, um sie unter Druck zu setzen oder abzuwählen.

Dennoch blieben die Bewegungen nicht ohne Folgen. Seit Beginn der Eurokrise mussten zwölf Regierungen in Folge der Wut und Ablehnung gegen ihre Kürzungsmaßnahmen gehen.

In unseren Diskussionen beginnen CWI-Mitglieder immer mit einer klaren und nüchternen Einschätzung der Situation, die weder geschönt noch von Selbstmitleid geprägt ist, sondern die aktuellen Verhältnisse und wahrscheinliche Entwicklungen in dem Vertrauen analysiert, dass die Arbeiterklasse den Angriffen auf sie etwas entgegensetzen wird.
Die Diskussionsbeiträge zeigten, dass den Behauptungen der herrschenden Klasse, sie hätten die Situation nach der Krise stabilisiert, jede reale Grundlage fehlt. Wie Tony Saunois, Sekretär des CWI, in seiner Einleitung sagte: „ihre Propaganda behauptet, sie hätten Frieden und Ruhe erreicht, aber in Wirklichkeit haben sie die Probleme nur vor sich hergeschoben.“

Am Schluss der Diskussion, an der sich mehr als 20 RednerInnen aus ganz Europa beteiligten, stand eine Zusammenfassung von Niall Mulholland vom Internationalen Sekretariat des CWI, der darauf hinwies, dass SozialistInnen eine wirtschaftliche Erholung, die Verbesserungen der Lebensbedingungen von ArbeiterInnen bringt, begrüßen würden – nicht zuletzt weil sie der Arbeiterklasse das nötige Selbstvertrauen für den Kampf zurückgeben könnte. Aber keine der zugrundeliegenden Ursachen der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krise wurde beseitigt. Diese Tatsache ist die Grundlage unserer Perspektiven für die nächste Zeitperiode.

Niall Mulholland bei seinem Schlussbeitrag
Niall Mulholland bei seinem Schlussbeitrag

Armutsstatistiken

Die Zahlen belegen es. Niall wies darauf hin, dass 120 Millionen EuropäerInnen in Armut leben oder von Armut bedroht sind. Frankreich, die zweitgrößte Volkswirtschaft des Kontinents, hatte in diesem Jahr 0% Wachstum. In Portugal, einst als „Musterland“ der Kürzungspolitik bejubelt, ist das BIP um 0,7% gefallen, und zum Zeitpunkt der Schulung erschien die Entwicklung einer neuen Bankenkrise dort möglich. Bulgarien ist ein weiteres Land, in dem nach den Worten eines britischen konservativen Politikers eine „Serie nicht explodierter Bomben“ im Finanzsektor hochgehen könnte.

In der Diskussion zeigte Paul Newbury wie die Realität in Polen, das als große Erfolgsstory kapitalistischer Transformation präsentiert wird, aussieht. Die Schiffswerften von Gdansk, die Wiege der Solidarnosc-Bewegung, wurden faktisch zerstört. Die Zahl der Werftarbeiterinnen ist von 17000 auf eintausend gefallen. Er erklärte, dass der „Erfolg“ Polens auf Outsourcing und Subunternehmer-Verträgen basierte.

Natürlich ist die soziale Krise tiefgreifend und hat in vielen Ländern Leben verwüstet. Eine Tatsache belegt das eindrucksvoll: In Griechenland erhalten geschätzt eine Million ArbeiterInnen keine Löhne. Die Hälfte der Krankenhausbetten in Griechenland ist während der Krise verschwunden. In Italien, vor der Krise das EU-Land mit der nach Deutschland zweitgrößten Industrieproduktion, sind 32000 Unternehmen einfach verschwunden.

Kein Wunder, dass es eine wachsende Skepsis gegenüber der EU und allen ihren Institutionen sowie den daran beteiligten Regierungen gibt. Bei den Europawahlen im Mai war die Beteiligung gering, besonders in Osteuropa. Der Zusammenbruch des Euro steht nicht unbedingt bevor, ist aber in der Situation angelegt. Wie Niall sagte, ist er für viele europäische Volkswirtschaften eine große Deflationsfalle.
Auch auf anderen Gebieten zeigen sich Risse. Die europäischen Regierungen, die versuchen ihre eigenen Kapitalistenklassen zu verteidigen, waren zur Frage von Sanktionen gegen Russland wegen seines Verhaltens in der Ukraine gespalten.

Andros Payiatsos von Xekinima (CWI in Griechenland)
Andros Payiatsos von Xekinima (CWI in Griechenland)

Parteien

Die Unterstützung für traditionelle Parteien ist dramatisch zurückgegangen, davon sind ehemals sozialdemokratische Parteien die Kürzungspolitik unterstützen und umsetzen besonders betroffen. Die Pasok in Griechenland ist kaum noch vorhanden, die irische Labour-Party ist bei den Wahlen im Mai aus dem Europaparlament geflogen und der französische Präsident Hollande hat in Umfragen die schlechtesten Beliebtheitswerte seiner Amtszeit.

Die Legitimitätskrise, in der die kapitalistischen Parteien Europas stecken, wird durch moralischen Verfall und das beispiellose Niveau der Korruption noch verstärkt, wie Niall betonte. Die Skandale um sexuellen Missbrauch durch britische Parlamentsabgeordnete gehen bis ins Herz des verrotteten Establishments. Das trägt zu den Spaltungen bei, die sich innerhalb der herrschenden Klasse entwickeln.
Für ArbeiterInnen und Arme wurden die Lebensbedingungen katastrophal verschlechtert und erinnern jetzt an Lateinamerika. In Spanien und Griechenland können jetzt mehr als die Hälfte der Jugendlichen keine Arbeit finden. Die wachsende Kluft zwischen Reichen und Armen kann nur noch als grotesk bezeichnet werden. Aber diese Krise betrifft nicht nur die am schlechtesten Bezahlten. Auch die Mittelklassen bekommen durch das steigende Wasser bereits nasse Füße.

Kevin McLoughlin, von der Socialist Party (irische Sektion des CWI)
Kevin McLoughlin, von der Socialist Party (irische Sektion des CWI)

Tony zitierte einen Analysten, der vorhersagte „Wer 2014 geboren wird, ist 2060 entweder ein 45-jähriger Anwalt oder ein 45-jähriger Kellner. Dazwischen wird es nicht viel geben. Der Kapitalismus wird im vierten Jahrzehnt seiner Stagnation sein.”

Aber man kann Europa nicht als einen homogenen Block betrachten, in dem sich die Folgen von Kürzungen und Krise im gleichen Tempo auswirken. Bei den letzten Europawahlen haben Regierungsparteien, die Kürzungen durchsetzen im allgemeinen verloren, aber einige konnten diesem Trend entgehen. In Deutschland hat Kanzlerin Merkel hohe Umfragewerte.

Auf der Grundlage der Wirtschaft Deutschlands, die obwohl sie ihre Höhepunkte von vor der Krise noch nicht wieder erreicht hat, relativ gesund ist, hat Merkel einige begrenzte Zugeständnisse gemacht, darunter die Senkung des Renteneintrittsalters für manche ArbeiterInnen und die Einführung eines Mindestlohns ab dem nächsten Jahr, allerdings mit vielen Ausnahmen.

Die PD des erst seit kurzem amtierenden italienischen Ministerpräsidenten Renzi hat Stimmen hinzugewonnen. ArbeiterInnen hoffen auf einen Ausweg aus der beispiellosen Krise, aber Renzi dient den Interessen der Kapitalistenklasse. Er hat 80€ als „Zuckerstück“ verteilt, aber plant brutale Kürzungen. Kann er sich darauf verlassen, dass es weiter keine Arbeiterbewegung geben wird? Einzelne Kämpfe zeigen das Durchhaltevermögen der italienischen Arbeiterklasse, wenn sie effektiv geführt werden – etwa in Genua, wo ein wilder Streik im öffentlichen Dienst Privatisierungspläne aufhalten konnte. Durch Widerstand gegen Renzi könnten solche Kämpfe landesweit verbunden werden.

Die 5-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo hat kämpfenden ArbeiterInnen in keiner Weise unterstützt. Sie steckst selbst in einer Krise. Ihr wahrer Charakter wurde enthüllt, als sie sich entschieden hat im Europaparlament eine gemeinsame Fraktion mit der rechtspopulistischen britischen UKIP zu bilden, die von Proteststimmen profitiert.

Alternativen?

Mit der Krise 2008/9 hat sich ein Hass auf Parteien entwickelt. Bis jetzt ist daraus noch keine massenhafte Beteiligung am Aufbau von politischen Alternativen der Arbeiterklasse hervorgegangen. Tony erklärte, dass dies zu großen Teilen mit früheren Erfahrungen zusammenhängt, insbesondere mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der aus den 1990ern stammenden Vorstellung, dass der Kapitalismus über die Planwirtschaft gesiegt habe. Zudem trägt die verräterische Rolle der Gewerkschaftsbürokratien in den meisten Ländern dazu bei.

Das bedeutet aber nicht, dass es keine signifikanten Entwicklungen in diese Richtung gegeben hätte. Aber bis jetzt sind die neuen Formationen, die während der Krise gegründet wurden oder gewachsen sind, von ihren Führungen enttäuscht worden, die sich vor dem Ansturms der Kürzungen zurückgezogen und nach rechts bewegt haben. Das trifft in unterschiedlichem Maße auf Syriza in Griechenland, den Linksblock in Portugal und die Vereinigte Linke (IU) in Spanien zu. Es hat zu einer gewissen Blockade für den Widerstand geführt – die Arbeiterklasse wurde auf Betriebs- und Wahlebene zu einem gewissen Grad geschlagen. Trotzdem hat es bei den letzten Europawahlen einen Aufschwung des Widerstands gegeben.

Hannah Sell, Socialist Party (CWI-Sektion in England & Wales)
Hannah Sell, Socialist Party (CWI-Sektion in England & Wales)

Aber mit den Zugewinnen rechtspopulistischer und extrem rechter Parteien haben sie auch eine andere Entwicklung gezeigt. Mit der Blockade der Kämpfe geht eine gewisse, milde Reaktion einher. Wie Tony erklärte, sollten wir das nicht übertreiben, es ist keine blutige Reaktion und bedeutet mit Sicherheit keine Zerschlagung der Arbeiterklasse. Aber wenn die Arbeiterbewegung zurückgehalten wird, können andere Kräfte profitieren, auch die populistische Rechte.

Aber ihre Lebensbedingungen und die Perspektiven im Kapitalismus werden die Arbeiterklasse in Kämpfe zwingen, und damit wird sich die Situation erneut verändern, wahrscheinlich auf dramatische Weise durch die Bildung starker Bewegungen, die von den Ereignissen und ihren Erfahrungen gestählt gegen das Elend des Kapitalismus kämpfen werden.

Manche Formen der Reaktion sind extrem gefährlich und müssen bekämpft werden, z.B. die 10% Stimmenanteil der offen neonazistischen Partei Goldene Morgenröte in Griechenland.

In Griechenland und vielen anderen Ländern führen CWI-Mitglieder wichtige Initiativen gegen Rassismus, die klar machen dass gemeinsamer Widerstand der Arbeiterklasse notwendig ist um Rassismus und Kürzungen zu bekämpfen. Raymond berichtete aus Schweden, wo die extrem rechen Schwedendemokraten bei Wahlen kleine Zugewinne erreichen konnten. CWI-Mitglieder haben lokale Proteste organisiert, aus denen die größten antirassistischen Demonstrationen in der Geschichte Schwedens hervorgegangen sind.

Rechtspopulismus

In vielen Ländern haben rechtspopulistische Parteien von dem politischen Vakuum profitiert, das die Arbeiterbewegung hinterlassen hat, das gilt z.B. für die britische UKIP. Paula Mitchell beschrieb einige der scheinbar bestehenden Widersprüche der Entwicklung. So streikten eine Woche vor der Schulung mehr als eine Million Beschäftigte im öffentlichen Dienst, aber UKIP hat die Europawahl gewonnen, obwohl sie gegen Streik und für noch härtere Kürzungen sind.

In wirklichkeit stehen UKIP-WählerInnen links von der Politik von UKIP und auch der Politik der größten kapitalistischen Parteien, indem sie etwa für die Wiederverstaatlichung privatisierter Dienstleistungen sind. Paula erklärte, dass die Entwicklungen in der Trade Unionist and Socialist Coalition, die die Transportgewerkschaft RMT mit einschließt, für den Kampf gegen Rassismus und Kürzungen von zentraler Bedeutung sind.

In Frankreich ist das Ergebnis der Front National Grund zur Besorgnis, muss aber vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs der Unterstützung für Präsident Hollande, aber auch der Schwäche von Melenchons Front de Gauche gesehen werden, die nicht schaffte klarzustellen dass sie für ernsthaften Widerstand der Arbeiterklasse und Ablehnung der Kürzungen steht.

Aber es gab auch positive Ergebnisse für die Linke. In Spanien lag der Stimmenanteil der regierenden rechten PP und der oppositionellen sozialdemokratischen PSOE zusammen seit dem Ende der Francodiktatur nie unter 80%, aber in diesem Jahr ist er auf unter 50% gefallen! Das plötzliche Auftauchen von Podemos hat viele geschockt. Aus dem Stand hat die Partei 8% bekommen. Mit der IU und den LinksnationalistInnen zusammen erreicht die Linke Umfragewerte bis zu 25%.

Aus der Entwicklung von Podemos lassen sich viele Lehren ziehen. Wie Rob McDonald aus Spanien beschrieb, ist sie ein Ergebnis der Diskurse unter ArbeiterInnen und Jugendlichen, die aus ihren Erfahrungen Schlüsse ziehen. Die Indignados-Bewegung war von den Revolutionen inspiriert, die Mubarak und Ben Ali in Ägypten und Tunesien gestürzt haben. In ihr herrschte eine starke Parteienfeindlichkeit, bis hin zu genereller Ablehnung von Politik und Wahlen.

Aber durch das Nichtwählen wurde der Wahlsieg der fürchterlichen PP begünstigt. Einige in der Bewegung haben daraus Schlüsse gezogen – aber es gibt noch kein klares Programm und keine demokratischen und rechenschaftspflichtigen Strukturen. Trotzdem ist es eine laufende Entwicklung, und SozialistInnen haben die Aufgabe, dem Fortschreiten der Geschichte zu helfen, indem sie sich beteiligen und für Einheitsfronten der Linken argumentieren, auf der Grundlage eines Programms das für GewerkschafterInnen an der Basis, die entstehenden sozialen Bewegungen – wie die Kampagnen gegen Wohnungsräumungen – sowie die Arbeiterklasse insgesamt und alle, die unter der Kürzungspolitik leiden attraktiv ist.

Sonja Grusch aus Österreich zeigte, wie die tiefgehende Krise in Osteuropa neue Entwicklungen der Linken gebracht hat. In Bosnien-Herzegowina und Slowenien wurden wichtige Schritte gemacht, in anderen von der Krise betroffenen Ländern gibt es entsprechendes Potential.

Einwanderung

Andererseits gab Cecile Rimboud aus Frankreich eine plastische Beschreibung davon, wie der Wahlsieg der FN das Selbstbewusstsein gewalttätiger rechter Gruppen gestärkt hat, die in der Metro junge MigrantInnen und AntifaschistInnen zusammenschlugen. Sie erklärte, wie das Fehlen eines Programms und einer Erklärung der Situation von Links zur Stärkung der FN beigetragen hat.

Die Linke muss eine prinzipientreue Position zu Migration und Rassismus beziehen. Zweifellos sind die Probleme Folge einer wachsenden humanitären Krise. Geschätzt 600.000 verzweifelte Menschen warten an der nordafrikanischen Küste darauf, mit Booten dem Horror in Afrika entkommen zu können. NATO-Draht und sogar scharf schießende Grenzpolizei halten sie nicht davon ab, weil die Bedingungen aus denen sie fliehen so furchtbar sind. Und so muss die Arbeiterbewegung die Rechte von ImmigrantInnen verteidigen, während sie gleichzeitig auch die Rechte der schon in Europa lebenden ArbeiterInnen und Jugendlichen verteidigt.

Hannah Sell aus England und Wales erklärte, dass die Kapitalisten in Zeiten der Krise nach einer Möglichkeit suchen, ihre geschwächte Basis zu vergrößern und dabei oft auf Rassismus, Nationalismus und Hetze gegen MigrantInnen zurückgreifen.In Britannien haben alle großen Parteien ihre Rhetorik gegen MigrantInnen verschärft – aber die KapitalistInnen verlangen nach ArbeitsmigrantInnen, die sie massiv ausbeuten können.

Zugewinne der SP in Irland

Der Weg zum Aufbau einer fertigen Massenpartei der ArbeiterInnen ist weder kurz noch gradlinig, aber das bedeutet nicht, dass die herrschenden Klassen in Europa nichts zu befürchten haben. Zum Beispiel fand in Irland parallel zur Europawahl eine Nachwahl zum irischen Parlament im Wahlkreis Dublin West statt, bei der Ruth Coppinger von der Socialist Party zur Abgeordneten gewählt wurde.

Es gibt wachsende Konkurrenz darum, wer als die Anti-Kürzungs-Partei wahrgenommen wird. Nicht nur RechtspopulistInnen streben nach diesem Titel, um mehr Stimmen zu bekommen. In Irland stellt sich Sinn Fein als die größte Anti-Kürzungs-Partei dar. Aber wie Fiona O’Loughlin erklärte, hat SF im Gegensatz zur Socialist Party kein Vertrauen auf die Kampfkraft der Arbeiterklasse und schlägt deshalb keine klaren Strategien für Massenwiderstand gegen die immer neuen Kürzungen vor.

Kevin McLoughlin zeigte das Wachstumspotential der AAA (Anti-Kürzungs-Bündnis, ein Wahlbündnis das zu Kommunalwahlen antritt und an dem sich die SP beteiligt). Hunderte ArbeiterInnen, die noch nicht in einer Partei organisiert sind arbeiten aktiv im Bündnis mit. Ca. 8-900 Menschen verteilten im Wahlkampf dessen Flyer.

In der Diskussion wurde klar, dass die Herangehensweise an neue politische Formationen von den konkreten Bedingungen abhängt, die zum jeweiligen Zeitpunkt in dem jeweiligen Land bestehen. In dieser Periode rascher politischer Veränderungen brauchen wir flexible Taktiken, während wir an den Ideen und Organisationen des CWI festhalten. Andros Payiatsos zeigte, dass wir uns in sehr schwierigen Situationen, wie aktuell in Griechenland, nur auf politische Klarheit stützen können. Das CWI hat bei den letzten Wahlen in Griechenland drei Stadtratsmandate gewonnen – durch Kandidaturen auf drei verschiedenen Wahllisten.
Aus dem Verrat der griechischen GewerkschaftsführerInnen an der mächtigen Bewegung, die das Epizentrum des Widerstands in Europa war, folgt eine soziale Katastrophe. Es gab 30 und mehr mächtige Generalstreiks. Aber jetzt ist die verallgemeinerte Bewegung auf dem Rückzug, und obwohl Syriza bei den Europawahlen im Mai stärkste Partei wurde, haben 50% der Wahlberechtigten nicht gewählt. Die Hälfte der griechischen Massen findet, dass keine Partei ihren Problemen und Forderungen richtig Ausdruck verleiht!

Das CWI ist sehr stolz auf unsere Partei in Griechenland. Einer der wichtigsten Faktoren, der ihr ermöglicht ihre Kräfte zu erhalten während der Rest der Linken unter Krisen, Spaltungen und Depression leidet ist die Fähigkeit, ein Programm aufzustellen dass eine ehrliche und offene Analyse der Situation in jeder Lage liefert. Das bedeutet, Erklärungen zu liefern wenn es Niederlagen gibt, aber auch ein Programm zum Wiederaufbau und zur Entwicklung der Bewegung anzubieten.

Katerina von Xekinima (CWI-Sektion in Griechenland)
Katerina von Xekinima (CWI-Sektion in Griechenland)

Griechenland könnte bei größeren Auseinandersetzungen in Europa immer noch eine Schlüsselrolle spielen. Wenn Syriza die nächsten Wahlen gewinnt, könnte die Frage des Kampfes neu gestellt werden, obwohl die Partei ein begrenztes Programm hat und mit Kräften außerhalb der Arbeiterbewegung zusammenarbeiten will. Während der Syriza-Vorsitzende Tsipras vielleicht nicht mit dem Plan in den Wahlkampf geht, die Kürzungen zu stoppen, werden die Massen ihm möglicherweise nicht erlauben, seinen Kurs durchzusetzen.

Nationale Frage

Eine der Spaltungslinien, an denen sich die Krise zeigt ist die nationale Frage, besonders in Schottland und Spanien, aber auch anderswo. Das Ergebnis des Unabhängigkeitsreferendums in Schottland wird große Bedeutung für die Arbeiterbewegung und die britische herrschende Klasse haben. Aber es ist klar, dass die Abstimmung nicht das Ende des Prozesses sein wird.

Daniel Waldron aus Nordirland
Daniel Waldron aus Nordirland

Luke Ivory beschrieb den fantastischen Zuspruch zur Idee des Kampfes für ein unabhängiges sozialistisches Schottland. Auf großen öffentlichen Versammlungen haben CWI-Mitglieder der Socialist Party Scotland erklärt, dass ein unabhängiges Schottland die wichtigsten Betriebe verstaatlichen muss, um sicherzustellen dass die Bedürfnisse und Wünsche der Mehrheit der in Schottland lebenden Menschen erfüllt werden. Bei einer Rundreise mit 60 Versammlungen haben im Durchschnitt 200 Menschen an diesen teilgenommen und auf jeder Veranstaltung haben 20-40 Menschen die Zeitung „The Socialist“ gekauft, ein Zeichen für ihren Durst nach Ideen.

Das Referendum könnte Auswirkungen auf Nordirland haben. Daniel Waldron berichtete von den Belegen für das Scheitern des „Friedensprozesses“, laut Umfragen rechnen 20% der Jugendlichen für die nächsten zehn Jahre mit einer Rückkehr zum sektiererischen Bürgerkrieg. Er erklärte, dass die Analyse der Socialist Party sich bestätigt und dass der Friedensprozess wirklich sektiererische Spaltungen institutionalisiert hat. Aber es gibt auch Anzeichen für eine Bereitschaft, für Veränderungen zu kämpfen – die Demonstration von 4000 Menschen gegen Rassismus und die Abscheu, die junge Menschen gegenüber der Homophobie und den sexistischen Gesetzen der Regierungsparteien empfinden. Die organisierte Arbeiterklasse wird in der weiteren Entwicklung eine entscheidende Rolle spielen.

Tony bemerkte, dass das nur ein Tropfen des metaphorischen Öls ist, das über Europa ausgegossen wird. Angesichts der unter der Oberfläche gärenden Wut könnte ein kleiner Funke massive Explosionen auslösen – wie es in Brasilien passiert ist, wo aus den Protesten gegen Fahrpreiserhöhungen im ÖPNV eine Massenbewegung entstanden ist, oder bei den Massenprotesten in der Türkei im letzten Jahr.
In ganz Europa bereitet sich die herrschende Klasse auf Widerstand vor. Sie bewaffnet sich mit härteren Anti-Gewerkschafts-Gesetzen, weiteren repressiven Gesetzesänderungen und sogar mit echten Waffen wie dem Wasserwerfer, den der Bürgermeister von London kürzlich gekauft hat.

Die Aufgabe des CWI ist auch, sich auf plötzliche Veränderungen der Situation vorzubereiten. Wir müssen unsere Kräfte quantitativ und qualitativ stärken, Möglichkeiten nutzen, selbst Möglichkeiten schaffen und uns darum kümmern, unsere Organisationen mit einem umfassenden Verständnis der laufenden Entwicklungen zu bewaffnen.

Das wird dem CWI ermöglichen, sich besser aufzustellen um den kämpfenden Massen die Ideen zu liefern, die sie braucht um sich endgültig vom ausbeuterischen, spalterischen, elenden kapitalistischen System zu befreien und es mit einer Gesellschaftsform zu ersetzen, in der durch Kooperation auf der Grundlage einer demokratisch geplanten Wirtschaft ein wirklich vereintes Europa entstehen kann.