DIE LINKE und das Regieren

Foto: https://www.flickr.com/photos/die_linke/ CC BY 2.0
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Koalieren oder opponieren?

Einige Monate nach den Regierungsbildungen im Bund und in Hessen, hat die Debatte über die Frage, ob bzw. unter welchen Bedingungen DIE LINKE Regierungskoalitionen mit SPD und Bündnis 90/Die Grünen bilden soll, wieder etwas nachgelassen. Sie wird wieder aufkommen, wenn die nächsten Wahlen anstehen: im Spätsommer 2014 in mehreren ostdeutschen Bundesländern. Und sie schwebte über den Diskussionen zum Europaprogramm der LINKEN. Der Ursprungstext des Programmentwurfs wurde von Gregor Gysi und der Parteirechten als zu EU-kritisch in Frage gestellt und eine Änderung durchgesetzt, um SPD und Grünen zu signalisieren, dass DIE LINKE in Sachen EU „verlässlich“ ist.

Von Sascha Stanicic

Während und nach dem Bundestagswahlkampf haben sich auch verstärkt VertreterInnen der Parteilinken und die Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger in der einen oder anderen Art und Weise positiv zu Regierungskoalitionen mit SPD und Grünen geäußert. Sahra Wagenknecht hat im März 2014 ein gemeinsames Positionspapier mit Dietmar Bartsch veröffentlicht, in dem es unter anderem heißt: „In Ländern und Kommunen, in Ost und West, müssen nun politische (rot-rote oder rot-rot-grüne) Bündnisse entstehen.“

Alle Erfahrungen mit Regierungsbeteiligungen von PDS und LINKE in so genannten rot-roten Koalitionen zeigen: PDS und LINKE haben immer Wählerstimmen, Unterstützung und gesellschaftlichen Einfluss verloren. Vor allem aber wurde ihre Verbindung zu gewerkschaftlichen AktivistInnen und sozialen Bewegungen geschwächt. Warum? Weil sie in den Regierungskoalitionen eine Politik mitgetragen haben, gegen die sie sich vorher ausgesprochen hatten. Weil sie in Konflikt mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen gerieten und Glaubwürdigkeit einbüßten. Das wiederum war und ist nicht das Ergebnis einer ungeschickten oder fehlerhaften Politik in diesen Koalitionen, sondern ergibt sich direkt aus der Natur der Sache.

In der Partei und gerade auch auf dem linken Flügel wird viel darüber debattiert, wie man das Verhältnis zu SPD und Grünen und die Frage der Regierungsbeteiligung bzw. deren Ablehnung präsentieren soll. Doch bevor man über die Präsentation einer Sache sprechen kann, muss man sich Klarheit über die Sache selber verschaffen.

Regierung und Opposition gleichzeitig?

Im Kapitalismus sind Regierungen die Sachverwalter der Banken und Konzerne. Sie dienen der Aufrechterhaltung des bestehenden Systems und sollen die Profitbedingungen für das Kapital möglichst günstig gestalten. Die Regierung hat die Aufgabe – wie auch Polizei, Justiz und Militär – das System zu stützen und die Interessen der nationalen Wirtschaft (sprich: des deutschen Kapitals) zu verteidigen.

Beteiligungen an einer Regierung im Rahmen des Kapitalismus und mit Koalitionspartnern, die den Kapitalismus verteidigen, bedeuten zwangsläufig, dass man zum Sachverwalter der herrschenden Zustände wird. Es sind die so genannten „Sachzwänge“, die dann die Politik bestimmen, nicht die politischen Programme. Banken und Konzerne haben tausend Möglichkeiten Regierungen unter Druck zu setzen und zu erpressen, falls diese nicht nach ihrer Pfeife tanzen. In Zeiten der kapitalistischen Krise gilt umso mehr, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eine Politik gegen die Interessen der Lohnabhängigen verlangen, ganz einfach weil die Krise nach besseren Profitbedingungen für die Konzerne verlangt und dies gleichbedeutend mit niedrigeren Löhnen, schlechteren Arbeitsbedingungen etc. ist.

Wie Rosa Luxemburg schon erklärte, übernimmt eine sozialistische Partei in einer kapitalistischen Regierungskoalition die Verantwortung für die gesamte Regierungspolitik – inkl. Sozialabbau, Verschlechterung von Arbeitnehmerrechten, Privatisierungen, Polizeieinsätzen gegen Demonstrationen und Abschiebungen. Es ist nicht möglich, gleichzeitig Regierungspartner von pro-kapitalistischen Parteien und antikapitalistische Opposition zu sein.

DIE LINKE hat den Anspruch die Lebensverhältnisse der arbeitenden Bevölkerung nachhaltig zu verbessern, sicher und dauerhafte Arbeitsplätze zu schaffen, Armut zu beseitigen, den Zugang zu Bildung für alle zu ermöglichen, Kriege zu verhindern und Diskriminierung zu bekämpfen. Eine solche Politik kann nur auf Kosten der Reichen und Superreichen und im Konflikt mit diesen durchgesetzt werden.

 SPD und Grüne für Sozialabbau

Das ist mit SPD und Grünen unmöglich, denn beide Parteien verteidigen die Marktwirtschaft und stellen die Macht und das Eigentum der Banken und Konzerne nicht in Frage. Sie haben in den letzten Jahren tausendfach bewiesen, dass sie Statthalter des Kapitals sind und keine Politik im Interesse der einfachen Leute betreiben wollen.

DIE LINKE sollte deshalb grundsätzlich an keiner Regierung zur Verwaltung der kapitalistischen Zustände teilnehmen. Das bedeutet auch, dass sie prinzipiell Regierungsbeteiligungen mit pro-kapitalistischen Parteien, wie es SPD und Grüne sind, ablehnen sollte.

Stattdessen sollte die Partei darauf setzen, gewerkschaftlichen und sozialen Widerstand aufzubauen, die Selbstorganisation der Arbeiterklasse und der Jugend in Gewerkschaften und anderen Organisationen voran zu treiben und vor allem eine sozialistische Massenpartei aufzubauen, die das Ziel der Überwindung des Kapitalismus vertritt. Der Kapitalismus steckt weltweit in der tiefsten Krise seit über achtzig Jahren. Diese Krise wird auch die Bundesrepublik wieder erreichen, zu Klassenkämpfen führen und den Wunsch nach politischen Alternativen in der Bevölkerung wachsen lassen. So wie in Griechenland SYRIZA die Möglichkeit hat, eine Regierung der Linken zu bilden, so wird es solche Möglichkeiten auch in Deutschland geben können. Linke Regierungen können aber nur dann eine linke Politik umsetzen, wenn sie sich auf Massenbewegungen und -organisationen stützen und bereit sind mit den kapitalistischen Macht- und Eigentumsverhältnissen zu brechen, um ein sozialistisches Programm umzusetzen. Das wird unter anderem die Überführung der Banken und Konzerne in öffentliches Eigentum bei demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung bedeuten.

 Einzelfallentscheidung im Parlament

„Schön und gut“, mögen manche in der LINKEN sagen, „in der Bevölkerung gibt es aber kein massenhaftes sozialistisches Bewusstsein und viele Menschen, auch aus Gewerkschaften und sozialen Bewegungen, sehen in einer rot-rot-grünen Koalition die einzige realistische Möglichkeit, einen Politikwechsel zu erreichen.“ Das mag sein. Viele Menschen würden eine Koalition von SPD, Grünen und LINKE auch als kleineres Übel unterstützen. So wurden auch Regierungsbeteiligungen von PDS und LINKE in der Vergangenheit oft rechtfertigt: „Ohne eine Beteiligung der LINKEN wäre eine Regierung unsozialer.“ Doch alle Erfahrungen zeigen, dass erstens auch kleine Übel nichts anderes sind als Übel und zweitens deshalb die linken Parteien und mit ihnen die Möglichkeiten für erfolgreichen gesellschaftlichen Widerstand geschädigt werden. Deshalb darf dieses Argument und auch der Druck, der möglicherweise auf DIE LINKE ausgeübt wird, wenn sich Möglichkeiten für eine Regierungsbeteiligung mit SPD und Grünen bieten, nicht dazu führen, dass solche Koalitionen eingegangen werden.

DIE LINKE muss dann geduldig erklären, für welche Politik sie steht und warum, diese Politik nicht mit SPD und Grünen umgesetzt werden kann. Sie sollte gleichzeitig erklären, dass ein Politikwechsel nicht an ihr scheitert, weil sie bereit ist parlamentarische Mehrheiten zu nutzen, um CDU/CSU-geführte Regierungen zu verhindern (und rot-grünen Minderheitsregierungen ins Amt zu verhelfen) und jeder fortschrittlichen Gesetzgebung im Interesse der Bevölkerungsmehrheit und der sozial Benachteiligten zuzustimmen.

 Rote Haltelinien?

Auch von VertreterInnen des linken Parteiflügels wird oft argumentiert, man müsse SPD und Grüne dadurch entlarven, dass man ihnen eine Regierungskoalition unter bestimmten Bedingungen anbietet, um einen Politikwechsel umzusetzen. Das Parteiprogramm der LINKEN hat so genannte Mindestbedingungen (auch „rote Haltelinien“ genannt) formuliert, die im Falle einer Regierungsbeteiligung eingehalten werden müssen. In dieser Logik haben vor und nach den Wahlen zum Bundestag und zum hessischen Landtag auch der LINKE-Vorsitzende Bernd Riexinger und die hessische LINKEN-Fraktionsvorsitzende Janine Wissler ihre grundsätzliche Bereitschaft zu rot-rot-grünen Koalitionen immer wieder betont und in Hessen lange Sondierungsgespräche mit der SPD geführt. Auch die innerparteiliche Strömung „Sozialistische Linke“ hat sich in einer Erklärung vom Oktober für einen Politikwechsel durch rot-rot-grüne Regierungen ausgesprochen und dazu „Feldversuche“ auf Länderebene gefordert.

Solche Aussagen schüren, genauso wie das Gerede von einem angeblich „linken Lager“, Illusionen in SPD und Grüne und in die Möglichkeit mit diesen Parteien eine tatsächlich linke Politik umzusetzen. Sie orientieren die Partei in die falsche Richtung – weg vom Widerstand gegen die Politik ALLER etablierten und pro-kapitalistischen Parteien, hin zur Konsenssuche mit Sozialdemokratie und Bündnisgrünen. Ob gewollt oder nicht, verstärken solche Aussagen im Zweifelsfall auch den Druck darauf, weitergehende Kompromisse einzugehen und die Mindestbedingungen für eine Regierungsbeteiligung aufzugeben – frei nach dem Motto: „Besser den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach.“ Sie spielen so denjenigen Kräften in der Partei in die Hände, die daran arbeiten, die Mindestbedingungen zu schleifen.

Während SAV-Mitglieder die Mindestbedingungen bzw. „roten Haltelinien“ gegen jede Aufweichung verteidigen, halten wir diese nicht für das geeignete Mittel um Regierungsbeteiligungen der LINKEN zu verhindern. Das nicht zuletzt, weil diese Bedingungen nur negativ formulieren, was mit der LINKEN an einer Regierung nicht zu machen ist. Mit Ausnahme des nötigen Rückzugs deutscher SoldatInnen aus Afghanistan, beschreiben die „roten Haltelinien“ den status quo (ausgehend von dem Bundestagswahlprogramm, in dem nur Kampfeinsätze der Bundeswehr und nicht Auslandseinsätze abgelehnt werden). Wenn der Abzug der Kampftruppen aus Afghanistan abgeschlossen sein wird, fällt auch dies erst einmal weg. Eine Regierungsbeteiligung, die nur weiteren Sozial- und Stellenabbau und weitere Privatisierungen ausschließt, käme aber einer Akzeptanz der Kürzungen der Vergangenheit gleich und würde darauf verzichten, eine drastische Verbesserung der Lebensverhältnisse der Massen zum Ziel zu formulieren.

Eine solche Verbesserung kann nur durch Massenbewegungen erkämpft werden und bedarf eines Bruchs mit dem Kapitalismus. Der Kampf für solche Verbesserungen muss also verbunden werden mit der Perspektive, den Kapitalismus durch eine sozialistische Demokratie zu ersetzen. Dazu bedarf es der Entwicklung von sozialistischem Bewusstsein und des Aufbaus einer starken sozialistischen Massenpartei mit Millionen von Mitgliedern. DIE LINKE wird aber weder einen Beitrag zur Entwicklung von sozialistischem Bewusstsein leisten noch wird sie eine Massenpartei werden, wenn sie sich an der Verwaltung der kapitalistischen Missstände beteiligt, statt sie konsequent zu bekämpfen. Beides gleichzeitig ist nicht möglich.

 

Argumente gegen Rot-Rot-Grün

Oftmals wird unter Linken in der LINKEN darüber gestritten, wie man eine Position gegen Regierungskoalitionen mit SPD und/oder Grünen argumentieren könne, ohne sich zu isolieren. Hier ein Vorschlag für eine Musterargumentation:

DIE LINKE ist die einzige Partei, die die Interessen von abhängig Beschäftigten und sozial Benachteiligten vertritt. Wir kämpfen für höhere Löhne, Renten und Sozialleistungen, sichere Arbeitsbedingungen, qualitativ hochwertige und für alle Menschen zugängliche Bildungs- und Gesundheitssysteme, gleiche demokratische Rechte für Alle, ein ökologisch nachhaltiges Wirtschaften, gegen Krieg, Rassismus und Ausbeutung.

Wir können nur eine Politik mittragen, die nachhaltig die Lebenssituation von ArbeitnehmerInnen, Erwerbslosen, Jugendlichen und RentnerInnen gleich welcher Nationalität, Geschlecht, sexueller Orientierung oder Religionszugehörigkeit – verbessert. Eine solche nachhaltige Verbesserung ist nur möglich, wenn man sich mit den Profitinteressen der mächtigen Banken und Konzerne anlegt. Ohne eine Veränderung der Verteilungs-, Macht- und Eigentumsverhältnisse ist es unmöglich, dauerhaft diese Ziele zu erreichen.

Zur Zeit gibt es für eine solche Politik keinen Koalitionspartner und DIE LINKE ist noch zu schwach, um alleine eine Regierung bilden zu können. Auch mit SPD und Grünen ist eine solche Politik nicht umsetzbar. Das gilt, auch wenn beide Parteien vor Wahlen gerne „links blinken“ und soziale Forderungen aufstellen. Wir messen PolitikerInnen und Parteien lieber an dem, was sie tun, statt an dem, was sie sagen. SPD und Grüne sind nicht nur verantwortlich für Hartz IV und Agenda 2010 – und damit für die schlimmsten Verschlechterungen an den sozialen Sicherungssystemen in Deutschland. Diese Maßnahmen haben auch das Lohnniveau drastisch abgesenkt und der so genannten Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen Vorschub geleistet, ebenso wie die Ausweitung der Leiharbeit. SPD und Grüne zeichnen auch für die ersten Kriegseinsätze der Bundeswehr verantwortlich – auf dem Balkan und in Afghanistan. Seit dem Ende der Schröder-Fischer-Regierung gibt es zwar ab und zu andere Töne aus diesen Parteien, aber keine wirklich andere Politik. In der ersten Großen Koalition hat die SPD der Rente ab 67 zugestimmt, beide Parteien haben die Europa-Politik von Merkel mit ihrer Zustimmung zu den Bankenrettungsprogrammen mitgetragen. Sie sind Verteidiger der Schuldenbremse und des europäischen Fiskalpakts. Auf Kommunal- und Landesebene tragen beide Parteien Kürzungspolitik auf dem Rücken der Mehrheit der Bevölkerung mit. Nach den Bundestagswahlen 2013 hat die SPD einen großen Teil ihrer Wahlversprechen ganz schnell „vergessen“ und hat die Große Koalition gebildet, die Grünen bilden in Hessen eine Regierung mit der CDU, die u.a. zu Stellenabbau im öffentlichen Dienst führen wird.

 Erfahrungen mit Rot-Rot

Auch die Erfahrungen der PDS und der LINKEN in Regierungskoalitionen mit der SPD zeigen, dass dort immer linke Inhalte über Bord geworfen werden mussten, um diese Koalitionen aufrechtzuerhalten und PDS und LINKE eine Politik mitgetragen haben, die gegen die eigenen Grundsätze verstößt. So wurden in Berlin die Tarifverträge im öffentlichen Dienst gebrochen, Wohnungen privatisiert, die Lehrmittelfreiheit abgeschafft und vieles mehr. Die Folge solcher Regierungsbeteiligungen war auch immer die Schwächung von PDS bzw. LINKE, weil sie als unglaubwürdig erschienen und viele Menschen zurecht der Meinung sind, dass man für Sozialabbau keine linke Partei braucht.

Dass SPD und Grüne eine solche Politik betreiben hat nichts damit zu tun, wie gerade die innerparteilichen Kräfteverhältnisse aussehen oder welche Spitzenleute gerade zu sagen haben. Diese Politik ist Ausdruck des Charakters beider Parteien und der Interessen, denen sie sich verpflichtet fühlen. SPD und Grüne verteidigen die Marktwirtschaft, sie nennen es „soziale Marktwirtschaft“, aber es ist letztlich nichts anderes als eine auf Privateigentum an Banken und Konzernen, Marktkonkurrenz und Profitlogik basierende kapitalistische Gesellschaft.

 DIE LINKE kämpft

DIE LINKE ist der Überzeugung, dass nur im Kampf gegen diese Marktinteressen und die dahinter stehenden Personengruppen von Kapitaleigentümern und Großunternehmern, tatsächliche Verbesserungen für die arbeitende Bevölkerung erzielt werden können. Dazu bedarf es sozialer und gewerkschaftlicher Kämpfe und Bewegungen und des Aufbaus von Massenorganisationen der abhängig Beschäftigten, Erwerbslosen und Jugendlichen – es bedarf gesellschaftlicher Opposition gegen die herrschenden Verhältnisse und die herrschende Politik. Durch den Druck solcher Bewegungen – von Streiks und Demonstrationen – können auch bürgerliche Regierungen zu zeitweiligen Zugeständnissen gezwungen werden. Die Ökologie-Bewegung hat mehr erreicht, als die Grünen an der Regierung. Auch die Rücknahme der Studiengebühren in Hessen und anderen Bundesländern war Folge der massenhaften Protestbewegung. Für DIE LINKE ist der Aufbau solcher Proteste und Widerstandsbewegungen die Hauptaufgabe ihrer Politik – und auf Basis solcher Bewegungen wollen wir eine starke Massenpartei, wie es die SPD vor 150 Jahren war, aufbauen, die die Interessen der einfachen Leute vertritt. Unsere Positionen in Parlamenten stellen wir in den Dienst dieser Aufgabe. Gleichzeitig sind wir davon überzeugt, dass jede Verbesserung durch Regierung und Kapital bei nächster Gelegenheit wieder in Frage gestellt werden wird und nachhaltige Verbesserungen nur möglich sind, wenn die ausbeuterische, umweltzerstörende und krisenhafte kapitalistische Wirtschaftsweise überwunden und durch eine sozialistische Demokratie ersetzt wird.

Solange für eine solche Politik keine Regierungsmehrheit möglich ist, sehen wir unseren Platz in der parlamentarischen Opposition und unsere KoalitionspartnerInnen in der sozialen Bewegungen und den Gewerkschaften.

Das bedeutet nicht, dass wir eine Politik des Nein-Sagens und der Fundamentalopposition vertreten oder nicht bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.

Wir verstehen, dass viele Menschen sich von einem rot-rot-grünen Regierungswechsel eine sozialere Politik erhoffen. An der LINKEN wird eine sozialere Politik nicht scheitern, wenn SPD und Grüne sie tatsächlich umsetzen wollen. Wir sind bereit, unseren Beitrag zu leisten CDU/CSU-geführte Regierungen abzuwählen und rot-grünen Regierungen so ins Amt zu verhelfen. Wir garantieren außerdem Zustimmung zu jedem Gesetzesentwurf, der die Lebenssituation der abhängig Beschäftigten, Erwerbslosen, sozial Benachteiligten, RentnerInnen oder Jugendlichen verbessert. Zustimmung zu Sozialabbau, Streichung von Stellen im öffentlichen Dienst, Privatisierungen, Aufrüstung, Diskriminierung von MigrantInnen und anderen Menschen, einer militaristischen Außenpolitik etc. wird es von uns jedoch nicht geben. Deshalb können wir keiner SPD-Grünen-Regierung einen Blankoscheck ausfüllen, indem wir ihr als Koalitionspartner beitreten oder sie per Tolerierungsvertrag unterstützen. Wir werden im Parlament eine Politik der Einzelfallentscheidung umsetzen und je nach Inhalt der Gesetzesinitiativen entscheiden. Soziale und fortschrittliche Gesetze sind mit uns durchzusetzen, für arbeitnehmerfeindliche Gesetze, Krieg und Sozialabbau müssten SPD und Grüne sich dann die Mehrheiten bei CDU/CSU suchen.

Vor allem aber rufen wir alle Menschen auf, für die eigenen Interessen einzutreten, sich zu engagieren und zu organisieren. Gegen die Macht der Banken und Konzerne, gegen eine Politik der Sozialkürzungen und des Lohndumpings, für die Rechte von ArbeitnehmerInnen und sozial Benachteiligten, für eine demokratisch-sozialistische Alternative zur Diktatur der Märkte. Auf der Basis solcher Bewegungen und Kämpfe wird in der Zukunft eine linke, sozialistische Regierung gebildet werden können, die sich nicht den Interessen der Minderheit von Kapitalbesitzern, sondern der Mehrheit der Bevölkerung verpflichtet fühlt.

 

Sascha Stanicic ist verantwortlicher Redakteur von sozialismus.info und Bundessprecher der SAV. Er ist aktiv in der LINKEN Berlin-Neukölln, der Antikapitalistischen Linken (AKL) und gewerkschaftlichen Solidaritätskampagnen.