Die EU – militaristisch, neoliberal, undemokratisch

Foto: http://www.flickr.com/photos/linkeimep/ CC BY-NC 2.0
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DIE LINKE vor dem Europa-Parteitag

Beim Europa-Parteitag der LINKEN am 15./16. Februar sollen Programm und Kandidatenliste für den Europa-Wahlkampf beschlossen werden. Im Vorfeld des Parteitags beschäftigt die Partei die von Fraktionschef Gregor Gysi aufgeworfene Frage, ob die im Programmentwurf des Parteivorstands getroffene Feststellung, die EU sei militaristisch, weithin undemokratisch und neoliberal, aufrechterhalten werden soll. Hinter der Auseinandersetzung steht der Versuch der „Reformer“ um Gregor Gysi und Stefan Liebich, die Partei fit für Regierungsbündnisse mit SPD und Grünen zu machen.

von Lucy Redler, Berlin

Bei dem SPD-Parteitag in Leipzig im November vergangenen Jahres wurden Bedingungen für ein mögliches Bündnis mit der LINKEN in Zukunft beschlossen. Aufgezählt wurde unter anderem eine „verantwortungsvolle Europa- und Außenpolitik“ durch DIE LINKE. DIE LINKE, so die SPD, müsse zudem Abschied nehmen von ihren massiven Vorbehalten gegen die NATO.

Die Reaktion von Gysi kam prompt: Die EU-kritischen Positionen müssten geschliffen und die bisherige Forderung der LINKEN nach einem Austritt Deutschlands aus den militärischen Strukturen der NATO gestrichen werden. Ähnliche Angriffe gibt es derzeit von denselben Kräften auf die klare Antikriegsposition der Partei. So ließ Liebich vor Kurzem verlautbaren, er könne sich Militäreinsätze nach Kapitel VII der UN-Charta vorstellen.

Die EU und ihr Charakter

Vor diesem Hintergrund ist die Diskussion zu betrachten, ob die EU neoliberal, undemokratisch und militaristisch sei. Dass die Politik der EU, die gerade in Südeuropa Lohndumping, Privatisierung und Sparpakete vorantreibt, neoliberal ist, kann niemand bezweifeln. Und selbst wenn aufgrund einer drohenden Deflation die Wirtschaftspolitik in Zukunft leicht geändert werden sollte, wird auch diese Politik primär im Interesse des Kapitals sein.

Dass sie undemokratisch ist, wird allein dadurch deutlich, dass das Europäische Parlament weder eigene Gesetzesentwürfe beschließen darf noch wirklichen Einfluss auf die Politik der nicht gewählten EU-Kommission hat. Nicht vergessen werden sollte die Auseinandersetzung um den Versuch des damaligen griechischen Präsidenten Georgios Papandreou im Jahr 2011, ein Referendum über das Euro-“Rettungspaket“ abzuhalten. Er wurde von den EU-Chefs genötigt, die Abstimmung des griechischen Volks wieder abzusagen. So dreht sich die fast akademische anmutende Debatte in der LINKEN vor allem um die Charakterisierung der EU als „militaristisch“. Die Parteilinke sollte den Inhalt der Aussage verteidigen.

An alle, die es vergessen haben oder es vergessen wollen: Der Lissabon-Vertrag enthält ein Aufrüstungsgebot. Bei einem der letzten EU-Gipfel wurde über eine bessere Rüstungskooperation und höhere Rüstungsausgaben verhandelt. Ende Januar beschlossen die EU-Außenminister einen militärischen Einsatz in Zentralafrika. Im Programmentwurf wird zu Recht ausgeführt: „Mit ‚zivil-militärischer Kooperation‘ und ‚vernetzter Sicherheit‘ wird die Militarisierung der Außenpolitik nur verschleiert.“ Die für viele Menschen unverständlichen Abkürzungen GASP, GSVP und Frontex stehen für Militarisierung und Abschottung der EU durch polizeiliche Maßnahmen. Nach dem grausamen Tod von mehr als 300 Flüchtlingen vor der Küste Lampedusas im Oktober 2013 war die Reaktion der EU nicht etwa, die Kriterien zur Aufnahme von Flüchtlingen zu lockern, sondern diese zu verschärfen! Mit dem Beschluss des Eurosur-Programms wurde die Abschottung der Grenzen Europas durch Hightech-Überwachung optimiert.

Die Parteivorsitzenden Bernd Riexinger und Katja Kipping haben nun verlauten lassen, dass der Parteitag die Passagen aus der Präambel streichen sollte. Das sollte von der Parteilinken deutlich zurück gewiesen werden.

Geschichte der EU

Aber warum betreiben die Regierenden innerhalb der EU heute eine neoliberale, undemokratische, militaristische Politik? Sind sie einfach schlechte Politiker? Oder hat es etwas mit dem Charakter der EU zu tun?

Oftmals wird in deutschen Schulen und Universitäten das Märchen verbreitet, die EU sei gegründet worden, um Frieden nach Europa zu bringen. Die Realität sieht anders aus: Die Gründung der Vorläufer der EU trugen nicht etwa den Namen „Europäische Friedensgemeinschaft“, sondern „Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl“ (EGKS), „Europäische Atomgemeinschaft“ (EURATOM) und „Europäische Wirtschaftsgemeinschaft“ (EWG).

Und dies war und ist Programm. Seit der Gründung der EWG im Jahr 1957 steht diese Art der „europäischen Einigung“ im Interesse der Erhöhung der Profite der europäischen Kapitalistenklassen. Einerseits sollten durch die Schaffung eines europäischen Binnenmarkts die europäischen Staaten gegenüber den Konkurrenten in USA und Asien gestärkt, andererseits die dominante Stellung der deutschen und französischen Herrschenden innerhalb Europas gesichert und ausgebaut werden (und gleichzeitig versuchte Frankreich die Rolle Deutschlands zu beschränken). In diesem Interesse kam es zur EU-Osterweiterung, zur Einführung des Euro, zur Bildung einer EU-Interventionsarmee und der EU-Verfassung. Diese „europäische Einigung“ führte auch dazu, dass sich Regierungen einzelner Länder bei der Einführung von Sozialkürzungen unter dem Deckmantel der EU verstecken konnten. Aus all diesen Gründen ist die Abgabe von Souveränität von nationalen Parlamenten an die EU kein demokratischer Fortschritt im Interesse der europäischen Arbeiterklasse, sondern ein Rückfall. Wie soll die griechische Arbeitslose oder der französische Kleinbauer sich gegen EU-Richtlinien wehren? Die EU-Bürokratie: kaum erreichbar. Das EU-Parlament: noch nicht mal ein zahnloser Tiger, eher eine zahnlose Katze.

Rosa Luxemburg führte vor 100 Jahren aus, dass sich zwei Kapitalisten freiwillig nur zusammentun, um einem Dritten das Fell über die Ohren zu ziehen. Genau das geschah: Die EU ist ein Projekt europäischer Kapitalistenklassen unter Führung des deutschen und französischen Imperialismus.

Reform der EU?

Die Position der LINKEN muss sein, die EU abzulehnen und deutlich zu machen, dass ein Europa der arbeitenden und erwerbslosen Bevölkerung nicht gleich EU ist. Bernd Riexinger versucht einen Kompromiss zu finden und argumentiert dafür, die EU-Politik zu kritisieren und die EU zugleich als „positiven Gestaltungsspielraum“ zu betrachten. Dadurch werden Illusionen geschürt, die EU könne zu einer sozialen und friedlichen Institution im Interesse der Menschheit reformiert werden. Doch es ist kein Zufall, dass die EU undemokratisch und neoliberal und militaristisch ist. Es ist ihr Wesen.

Eine Ablehnung der EU von links hat nichts gemein mit der Position von Rechtspopulisten, die den Nationalstaat gegenüber der EU stärken wollen. Die Alternative zur EU ist nicht der bürgerliche Nationalstaat, sondern die Vereinigung von arbeitenden und erwerbslosen Menschen europaweit und die Bildung einer sozialistischen Staatengemeinschaft in Europa. DIE LINKE steht an der Seite der Beschäftigten, Erwerbslosen und RentnerInnen: in Deutschland, in Europa und weltweit. DIE LINKE sollte offensiv vertreten: Wir wollen ein Europa der Lohnabhängigen statt einer EU der Banken und Konzerne. Wir wollen ein Europa, in dem die Bedürfnisse von Millionen von Menschen und der Natur Gewicht haben und nicht eine EU im Interesse von Angela Merkel, Francois Hollande, Siemens und der Deutschen Bank.

Wir wollen ein Europa, in der Bevölkerungen nicht im Namen des Schuldenabbaus unterjocht werden. Ein demokratisches, friedliches, sozialistisches Europa kann nur von unten erwachsen und erkämpft werden durch gemeinsamen europaweiten Widerstand. Es kann nicht mit den EU-Verantwortlichen ausgehandelt, sondern nur gegen diese, ihre Verfassungen, ihre Interventionsarmee, ihre Lobbyorganisationen, ihre nationalen Armeen und ihr kapitalistisches System durchgesetzt werden.

Wenn Banken und Großkonzerne verstaatlicht, Schulden gestrichen, die EU-Verträge aufgelöst, gute Löhne für alle ermöglicht werden, die Wirtschaft auf demokratischer Planung statt kapitalistischen Chaos beruht, dann kann Europa zu einem Gestaltungsspielraum für Millionen Menschen werden. Nur durch einen positiven Bezug auf ein solches Europa und gegen diese EU kann DIE LINKE sich von dem neoliberalen Kartell von SPD, CDU/CSU und Grünen abheben und zugleich einem Erstarken von rechtspopulistischen Positionen wie der „Alternative für Deutschland“ (AfD) den Boden entziehen. Es ist zudem die beste Antwort darauf, den Regierungsambitionen mit SPD und Grünen von Mitgliedern der eigenen Partei in die Schranken zu verweisen.