Syrien: Krieg geht trotz Abkommen weiter

Foto: http://www.flickr.com/photos/azrainman/ CC BY 2.0
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Dieser Artikel erschien zuerst am 21. September in englischer Sprache auf socialistworld.net

Regionale und globale Mächte im Kampf um Einfluss und Öl

von Per-Åke Westerlund; zuerst veröffentlicht in: „Offensiv“, Wochenzeitung der „Rättvisepartiet Socialisterna“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Schweden)

Die Vereinbarung zwischen den USA und Russland über Syriens chemische Waffen bedeutet nicht, dass damit auch der Krieg zu Ende wäre. Während John Kerry seinen russischen Amtskollegen Lawrow in Genf umarmte, gingen die Kämpfe unvermindert weiter.

Für den Imperialismus der USA bedeutet dieses Abkommen eine schwere Niederlage. Präsident Obama und sein Außenminister Kerry hatten seit Wochen versucht, sowohl die Verbündeten der USA als auch die öffentliche Meinung von der Notwendigkeit eines Militärschlags gegen Syrien zu überzeugen.

Nach einer Intervention, die das Ansehen des autoritär herrschenden russischen Präsidenten Putin gestärkt hat, ist ein solcher militärischer Angriff damit erst einmal vom Tisch. Es war das eigene Prestige, das Putin aufbessern wollte, der deshalb auf diese Art agierte, um sowohl im eigenen Land als auch auf internationaler Ebene zu zeigen, dass Russland ein „global player“ ist. Für Russland ist Syrien ein Verbündeter in einer bedeutenden Region, ein lukrativer Markt für Waffen und eine Militärbasis zugleich.

Die in der vergangenen Woche getroffene Vereinbarung sieht vor, dass im November alle Einrichtungen für chemische Waffen inspiziert werden und dass die Produktion bis dahin eingestellt wird. In der ersten Hälfte 2014 werden die Waffen zerstört. Schätzungen gehen von der Existenz von rund 1.000 Tonnen chemischer chemischer Kampfstoffe an 45 verschiedenen Standorten aus. Allein dieses Ausmaß zeigt, wie utopisch es ist, im Kontext eines Landes, das sich im Bürgerkrieg befindet, dieser Vereinbarung nachzukommen.

Andererseits stärkt das Abkommen zur Zeit exakt das Regime, das Obama eigentlich bombardieren lassen wollte. Die herrschende Elite in Damaskus bezeichnete die Übereinkunft als „Sieg“. Assads Regime hat seine militärische Position in den letzten sechs Monaten konsolidiert und glaubt nun, die Bedrohung von Seiten der Vereinigten Staaten abgewendet zu haben.

Aber auch Obama war voll des Lobes für dieses Abkommen. Er sagte, dass damit die Grundlage für ein Friedensabkommen in Syrien geschaffen sei. Außerdem behauptete er, dass dieses ohne die militärischen Drohgebärden der USA gegen Assad nicht zu Stande gekommen wäre. Sämtliche KriegsbefürworterInnen in Frankreich und Großbritannien unterstützen dieses Abkommen.

Weit weniger positiv war die Stimmung unter den PressesprecherInnen der offiziellen Opposition namens „Syrische Nationale Koalition“ (SNC), die ihren Sitz in Türkei hat. Sie hatten auf einen US-Schlag gehofft und fürchten nun, dass Assad an der Macht bleibt.

„Die Vereinigten Staaten scheren sich nicht um das Wohlergehen des syrischen Volkes“, so der Militärexperte der SNC, General Idriss.

Konfrontation mit Djihadisten

Vor kurzem hat die SNC einen neuen Premierminister gewählt, der umgehend eine Eskalation ihres Konflikts mit den Djihadisten forderte. Letztere sind unter den Rebellen zu einer zunehmend dominierenden Kraft geworden.

„IHS Jane’s“ , ein britisches Verlags- und Nachrichtenunternehmen, das auf militärische Themen spezialisiert ist, ging in einem jüngsten Bericht von 100.000 KämpferInnen auf Seiten der Rebellen in Syrien aus, die sich auf mehr als 1.000 verschiedene Gruppen aufteilen. Demnach würden 10.000 von ihnen zu den beiden Gruppen gehören, die zu al Kaida zuzurechnen sind: al- Nusra und „Islamischer Staat im Irak und der Levante“. Rund 30.000 bis 35.000 KämpferInnen sollen ähnliche Ansichten vertreten, aber ohne formelle Verbindung zur al-Kaida stehen. Demzufolge handele es sich bei weiteren 30.000 um eher moderate IslamistInnen.

Der Bericht bestätigt andere Berichte, nach denen es sich bei den DjihadistInnen um die aktivsten KämpferInnen auf Seiten der Rebellen handelt, die vor allem gegen KurdInnen und AlewitInnen fortdauernde Angriffe fahren.

Die Kämpfe zwischen der Armee und den Rebellen-Einheiten wurden auch am vergangenen Wochenende fortgesetzt. Mehr als 150.000 Menschen sind im Bürgerkrieg, der seit zweieinhalb Jahren andauert, ums Leben gekommen. Und mehr als fünf Millionen sind zu Flüchtlingen im eigenen Land geworden bzw. bereits in andere Staaten geflohen. Allein am letzten Wochenende haben 500 syrische Flüchtlinge in einem Boot die italienische Küste erreicht.

Angesichts der öffentlichen Meinung in den USA, den absehbaren hohen Kosten und natürlich nach der Erfahrung im Irak und Afghanistan sind Obama und Außenminister Kerry möglicher Weise erleichtert, dass der Militärschlag verschoben wurde. Der Schlag wurde geplant, obwohl man gar kein echtes Ziel hatte. Auf der einen Seite ging Obama geschwächt aus der Situation hervor, auf der anderen Seite wird er öffentliche Unterstützung erhalten, weil er eben nicht den Militärschlag befohlen hat.

Die Gefahr eines Angriff durch den US-Imperialismus ist damit allerdings noch nicht gebannt. Das Abkommen könnte brechen und Obama doch noch einen Angriff beschließen.

Unterdessen gehen der Krieg und das Leiden gehen. Die Mächte, die beide Seiten unterstützen, der Iran und Russland, die hinter Assad stehen, sowie Saudi Arabien, die Türkei, Katar und die Vereinigten Staaten hinter den verschiedenen Rebellengruppen, werden ihre Kriegsanstrengungen nicht unterbrechen. Der Bürgerkrieg in Syrien wird um Macht, Ansehen, Einfluss und Öl im ganzen Nahen Osten geführt und ist zudem eine Fortsetzung der US-amerikanischen Konfrontation mit dem Iran.

Wir sind gegen einen US-Militärschlag, und wir lehnen genauso sowohl die das brutale Regime von Assad als auch die bewaffneten Einheiten ab, bei denen es sich um DjihadistInnen und / oder solche handelt, die von den USA unterstützt werden. Wir rufen dazu auf, einen demokratischen Widerstands-Kampf für die gesamte Bevölkerung zu führen, der über ethnische und religiöse Grenzen hinweg geführt werden muss. Der einzige Ausweg besteht darin, einen Kampf gegen Diktatur, Kapitalismus und Imperialismus zu führen und einen Kampf für eine sozialistische Föderation des Nahen Ostens zu beginnen.