Bradley Manning: Ein Held, kein Verräter

CC BY 2.0 http://www.flickr.com/photos/savebradley/
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Bradley Manning sollte gefeiert und nicht eingesperrt werden

2005 sind im irakischen Haditha 24 ZivilistInnen von US-Marines umgebracht worden. Welche Strafen hat das US-Militär seitdem gegen die Täter verhängt? – Ein Soldat wurde degradiert und erhielt eine Kürzung seiner Bezüge. Das ist aber auch alles. Verglichen mit dem Schicksal, das Bradley Manning erwartet, ist das ein Witz. Manning ist zu 136 Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil er eine ganze Reihe von weiteren Gräueltaten und kriminellen Machenschaften ans Licht gebracht hat.

von Manus Lenihan, „Socialist Party“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Irland)

Weil er, als er im Irak stationiert war, die wahren Hintergründe des Militäreinsatzes erkannte, spielte Bradley Manning (der auch als „Breanna“ bekannt ist) der Öffentlichkeit die Korrespondenz von DiplomatInnen, Kriegsberichte und als geheim klassifizierte Videos zu. Damit deckte er auf, dass es sich bei der Tötung von ZivilistInnen und der Folter von Gefangenen um quasi routinemäßige Vorgehensweisen gehandelt hat. Der Welt wurde somit bekannt, dass DiplomatInnen Spionage betreiben, Heuchelei an der Tagesordnung ist und dass die Todesumstände Tausender toter ZivilistInnen vertuscht worden sind.

2010 wurde Manning verraten und kam in Untersuchungshaft, von wo aus er drei Jahre in Einzelhaft absitzen musste, bevor ihm überhaupt der Prozess gemacht wurde. Er wurde in eine winzige Zelle eingesperrt, regelmäßig in Ketten gelegt und nackt ausgezogen. Das Urteil zeigt jedoch, dass das alles nur der Anfang von dem Leidensweg war, den der US-Imperialismus für ihn vorgesehen hat.

Neben einer Reihe anderer Anschuldigungen wollte die Anklage Manning wegen „Unterstützung des Feindes“ verurteilt wissen und zog dabei sogar seine mögliche Hinrichtung in Betracht. Das war aber selbst dieses linientreuen Staatsanwälten, die einen Menschen, der immensen Mut bewiesen hat, als Verräter behandelten, zu heftig.

Wenn Manning einfach abgenickt und – wie so viele andere SoldatInnen – die Befehle einfach ausgeführt hätte, dann hätte er sich in der Tat der „Unterstützung des Feindes“ schuldig gemacht. – Warum? -Weil das Unternehmen Armee, das im Irak hunderttausende unschuldiger Menschen ums Leben gebracht hat, der wahre Feind des amerikanischen Volkes – und der gesamten Menschheit – ist.

Es ist wie am Ende des ersten Weltkriegs. Damals erkannten Millionen von SoldatInnen, dass „der wahre Feind im eigenen Land steht“ und sich in den Machtzentralen aufhält, in denen die Konzerne und ihre Marionetten aus der Politik über das Schicksal ganzer Nationen entscheiden. Viele ehemalige US-SoldatInnen haben dieselbe Schlussfolgerung wie Manning gezogen und sich deshalb 2011 in der ersten Reihe an der „Occupy“-Bewegung beteiligt.

Obama hat die Beweiskette verlängert und abermals belegt, dass er kein Hoffnungsträger sein kann oder den „Wandel“ fördert, sondern dass es sich bei ihm auch nur um einen weiteren Handlanger des viel zitierten „einen Prozents der Bevölkerung“ handelt. Die US-Regierung hat erneut den Nachweis erbracht, dass Gräueltaten und Kriegsverbrechen nicht allein auf das Konto einzelner „schwarzer Schafe“ in der Armee gehen, sondern dass diese fest verwoben sind mit der Gesamtstruktur der US-amerikanischen Kriegsmaschinerie. Wie sonst als durch den Einsatz äußerster Brutalität, von Terror und Folter hätte der US-Imperialismus davon ausgehen können, ein ganzes Land erobern und ausplündern zu können? Und wie sonst als durch Terror (wie im Falle Mannings) kann man „einfache“ SoldatInnen dazu bringen, einen solchen Krieg zu führen.

Das Handbuch für US-SoldatInnen besagt, dass es die Pflicht der RekrutInnen ist, Kriegsverbrechen zu melden. Doch genau wie die Aussage von Obama, er verspräche, alle juristisch zu schützen, die als sogenannte Whistle-Bower in Erscheinung treten und Verbrechen aufdecken, zeigt sich wieder einmal: Papier ist geduldig. Worin der Unterschied zwischen Manning und den Mördern von Haditha besteht, ist klar, und die verschiedenen Gerichtsurteile folgen keinerlei juristischer oder gar moralischer Logik. Das einzige, was man darin erkennen kann, ist die Interessenlage des US-Imperialismus.

Der Urteilsspruch von 136 Jahren Gefängnis zeigt, dass die US-Regierung und das Militär darauf aus sind, all jene in einen Schockzustand zu versetzen, die vorhatten wie Manning zu handeln und die Wahrheit ans Licht zu bringen. Edward Snowden, der gerade erst aufdecken konnte, wie die US-Regierung das Internet überwacht, wusste, dass an Manning Rache geübt werden würde. Und dennoch tat er das einzig Richtige. Das zeigt, dass der US-Imperialismus nicht in der Lage ist, die Leute zum Schweigen zu bringen.

Manning selbst beschreibt es so: „Jeder glückseligen Fantasie ziehe ich dann doch lieber die schmerzliche Wahrheit vor.“ Das Urteil zeigt, dass alle glückseligen Fantasien, die man zu Obama, der US-Außenpolitik oder der US-amerikanischen „Demokratie“ haben konnte, einer schmerzlichen Wahrheit zum Opfer gefallen sind.

Von der großen Zahl an Menschen, die sowieso schon in den US-Gefängnissen einsitzt, über den „Patriot Act“ (Gesetz zur Einschränkung der bürgerlichen Rechte, das unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung nach dem 11. September 2001 eingeführt wurde; Anm. d. Übers.) und das militärische Eingreifen gegen die „Occupy“-Bewegung bis hin zum Freispruch des Rassisten George Zimmerman, der einen jungen Dunkelhäutigen erschossen hat und vor einigen Wochen auf freien Fuß gesetzt wurde, und dem Urteil gegen Manning werden die demokratischen Rechte in den USA permanent untergraben. In einem Land, das sich im wirtschaftlichen Niedergang befindet und Kriege führt, die keineR will und die kein Ende zu finden scheinen, macht das viel zitierte „eine Prozent der Bevölkerung“ zunehmend Gebrauch von repressiven Mitteln, um die eigene Macht abzusichern.

Demokratische Rechte werden nicht durch Gesetze gewahrt oder von Medien, die sich in privater Hand befinden. Letztendlich hängt die Wahrung demokratischer Rechte davon ab, wie entschlossen und wie gut organisiert die abhängig Beschäftigten und die jungen Leute sind und wie sehr sie in der Lage sind, für diese Rechte einzustehen. In einer Situation, in der die „unteren“ 80 Prozent der Bevölkerung nur elf Prozent des Reichtums besitzen, ist die Erosion der demokratischen Rechte geradezu zwangsläufig.

So lange sich die Ressourcen und die Unternehmen in den Händen von super-reichen Privatpersonen befinden, wird es weiterhin ungerechte Angriffskriege aber auch Unterdrückung im eigenen Land geben. Gleichzeitig wird es aber auch immer eine Arbeiterklasse geben, die – wenn sie wie im Falle des großen Streiks von Wisconsin im Jahre 2011 organisiert vorgeht und kämpferisch ist, das Potential hat, die Reichen in die Knie zu zwingen und unter Umständen sogar ihre Macht zu brechen. Es wird immer wieder mutige junge Menschen wie Bradley Manning geben, die alles aufs Spiel setzen, um für die Wahrheit und die Freiheit einzutreten. Wenn Manning eines Tages wieder als freier Mann durch die Straßen gehen kann, dann nur deshalb, weil sich eine Massenbewegung aus jungen US-AmerikanerInnen und Leuten aus der amerikanischen Arbeiterschaft dafür stark gemacht haben wird – gegen die Macht des US-Kapitalismus und -Imperialismus.