Lehrer-Streik: Wann, wenn nicht jetzt?!

Bild auf Grundlage von: http://www.flickr.com/photos/dunechaser/ CC BY-NC-SA 2.0
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Angestellte Lehrkräfte haben keine andere Wahl: Um einen Tarifvertrag muss bundesweit gekämpft werden.

Bei den Warnstreiks im Februar und März haben 150.000 Landesbeschäftigte unter anderem für kräftige Gehaltserhöhungen gestreikt. Das Ergebnis ist mager und macht in keinster Weise die Reallohnverluste der letzten Jahre wett. Besonders in die Röhre gucken dabei wieder mal die angestellten Lehrkräfte.

von Christoph Wälz (Berlin) und Max Höhe (Köln)

Zum dritten Mal in Folge weigerten sich die Arbeitgeber, tarifvertragliche Regelungen zu Entgelt und Arbeitszeit für angestellte LehrerInnen („Lehrkräfte-Entgeltordnung“ / L-EGO) zu akzeptieren. Sie pfeifen weiterhin auf die Mitbestimmungsrechte der ArbeitnehmerInnen. Mit zum Teil drastischen Konsequenzen für das Gehalt: in NRW verdienen angestellte Lehrkräfte zum Beispiel laut GEW-Berechnungen im Vergleich zu ihren verbeamteten KollegInnen netto rund 570,- € weniger – Monat für Monat.

Dabei waren Lehrkräfte besonders zahlreich an den Warnstreiks beteiligt. Von 200.000 Angestellten streikten 80.000, besonders dort, wo es entweder fast nur Angestellte an den Schulen gibt (Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt) oder relativ viele (NRW, Berlin). Jetzt wird in der Gewerkschaft GEW heiß diskutiert, wie nach der Tarifrunde der Kampf um die L-EGO weitergeführt werden kann.

Ist die GEW überhaupt in der Lage, sich bundesweit durchzusetzen?

Die Angestellten sind ungleich auf die Bundesländer verteilt. Und die GEW ist nicht überall gleich gut organisiert. Doch die Chancen für ein gemeinsames Vorgehen für einen Tarifvertrag sind so gut wie noch nie. Nach dem Druck, der durch die massive Beteiligung an der Tarifbewegung aufgebaut wurde, sollten Lehrkräfte jetzt weitergehende Schritte in Richtung eines bundesweit koordinierten Tarifkampfes gehen. Der Schwung darf auf keinen Fall durch eine Verzögerung ins nächste Schuljahr abreißen!

Auch ein Rückzug auf die Länderebene würde zu einer Schwächung führen. Eigens formulierte Tarifforderungen an die jeweiligen Bundesländer können zusätzlichen Druck erzeugen. So fordert die GEW zum Beispiel vom Berliner Senat einen Ausgleich der Gehaltslücke zwischen Angestellten und BeamtInnen. Auch die Frage der Altersteilzeit und anderer Arbeitsbedingungen sollte entsprechend aufgegriffen werden. Doch der Kampf um die L-EGO steht oder fällt auf der Bundesebene. Ein gleichzeitiger zweitägiger Warnstreik in allen Bundesländern – auch wenn dort zum Teil nur wenige Angestellte beschäftigt sind – würde ein erstes klares Signal senden. Gegenüber den KollegInnen würde die GEW damit zeigen, dass sie nicht auf „Nadelstiche“ setzt, die keiner Ernst nimmt, sondern dass sie den Kampf wirklich vorantreibt. So würde weiteres Selbstvertrauen entstehen. Eine Kampagne für Neueintritte und neue Betriebsgruppen kann dann am besten im Prozess des weiteren Arbeitskampfes umgesetzt werden. Diese zur Voraussetzung für weitere Streiks zu erklären, wäre hingegen ein Verhinderungsargument.

Was ist mit den verbeamteten LehrerInnen?

Die GEW in Rheinland-Pfalz hat es durch ihren Streikaufruf, dem bis zu 900 verbeamtete KollegInnen gefolgt sind, ja bereits bewiesen: Die Bedingungen sind günstig, jetzt auch BeamtInnen in die Auseinandersetzung einzubeziehen, denn auch sie sind betroffen. Das Tarifergebnis soll in einigen Ländern nicht auf die BeamtInnen übertragen werden. NRW hat eine zweijährige Nullrunde ab der Besoldungsstufe A13 angekündigt. Außerdem soll der Beamtensold durch die anstehende Dienstrechtsreform hier generell deutlich abgesenkt werden. Der tariflose Zustand bei den Angestellten zieht also auch BeamtInnen mit runter.

Sollten Lehrkräfte auch Abschlussprüfungen bestreiken?

Streiks an Schulen verursachen keinen wirtschaftlichen Schaden. Sie machen politischen Druck. Dafür ist die Unterstützung durch Öffentlichkeit, Eltern und SchülerInnen wesentlich. Schriftliche Prüfungen lassen sich oftmals bestreiken, ohne dass dies negative Konsequenzen für die SchülerInnen hat. Bei mündlichen Prüfungen ergibt sich hingegen eher die Gefahr, dass sich die Stimmung gegen die Streikenden wendet. Im Einzelfall kann von den KollegInnen der jeweiligen Schule am besten eingeschätzt werden, was Druck macht und was nicht. Durch gemeinsame Pressekonferenzen mit ElternvertreterInnen kann der Propaganda der bürgerlichen Medien der Wind aus den Segeln genommen werden.

In jedem Fall ist die Prüfungsphase ab Mitte April kein Hindernis für eine Eskalation des Kampfes noch vor den Sommerferien. Es muss jetzt in der GEW möglichst breit diskutiert werden, wie wenige Monate vor der Bundestagswahl der Druck maximal gesteigert werden kann.

Was muss jetzt passieren?

Deshalb muss die Bundestarifkonferenz der GEW, die vom 8. bis 10. April stattfinden wird, genutzt werden, um die Diskussionsprozesse aus den Untergliederungen zu reflektieren. Es darf auf keinen Fall dazu kommen, dass wieder einmal die BedenkenträgerInnen die Oberhand gewinnen. Natürlich geht es um das realistische Abwägen der Möglichkeiten und die Entscheidung für die beste Taktik. Die erste Feststellung muss dabei aber lauten: Wir haben nicht einmal die Hälfte der geforderten Gehaltserhöhung durchgesetzt (und die Bundesländer übertragen diese nur bruchstückhaft auf die verbeamteten KollegInnen!) und seit nunmehr sieben Jahren wird den angestellten KollegInnen eine Eingruppierung in den Tarifvertrag der Länder und somit die Auszahlung von bis zu 30 Prozent gegenüber den BeamtInnen vorenthalten. Auf diese Provokationen gibt es nur eine Antwort: Koordinierte Streikmaßnahmen, bis diese Ungerechtigkeit behoben ist! Alles andere wäre verheerend und würde den Ausverkauf der KollegInnen bedeuten.

 

Christoph Wälz und Max Höhe sind aktiv in der GEW.