„Troika“ diktiert neue Kürzungen in Griechenland

Foto vom Generalstreik am 26. September 2012. Quelle: http://www.flickr.com/photos/laoulaou/ CC BY-ND 2.0

Heute und morgen findet in Griechenland ein 48stündiger Generalstreik statt. Wir veröffentlichen hier den Artikel zu den Hintergründen der Troika-Kürzungen, der Ende Oktober für die Solidarität geschrieben wurde.

Sozialistisches Programm für den Kampf notwendig

Im November wird die griechische Regierung neue Kürzungspakete in Milliardenhöhe sowie weitere Arbeitsmarkt-„Reformen“ und Privatisierungen verabschieden. Diese Kürzungen werden die Voraussetzung für neue Kredite der Europäischen Union (EU) sein, um die Schulden bei den Banken zu bezahlen. In den Plänen der „Troika“ steckt vor allem die Angst vor dem Dominoeffekt, den ein Ausschluss Griechenlands aus dem Euro für die Währungsunion auslösen könnte. Den hilflosen Plänen der Bürgerlichen muss die Linke Griechenlands und Europas ein Programm entgegenstellen, das den Kampf gegen die kapitalistische Krisenpolitik ernsthaft aufnehmen kann.

von Steffen Strandt, Berlin

Mitte Oktober veröffentlichte die Bertelsmann-Stiftung eine Studie, die die Folgen eines griechischen Staatsbankrotts prognostiziert. Darin schreiben sie, es sei „nicht auszuschließen, dass die Kapitalmärkte dann auch Portugal, Spanien und Italien das Vertrauen entziehen und es dort ebenfalls zum Staatsbankrott kommt. Die Weltwirtschaft würde dadurch in eine tiefe Rezession fallen.“ Neben der Furcht vor einer Verschärfung der ökonomischen Krise schauen die Herrschenden voller Sorge auf den erstarkten Klassenkampf in Spanien und Portugal und den länderübergreifenden Generalstreik am 14. November.

„Wer ist unser Finanzminister?“

Als die Kontrolleure der „Troika“ Mitte Oktober Griechenland verließen, bestand weitgehend Einigkeit mit der Regierung über das neue Kürzungspaket von 13,5 Milliarden Euro. Die größte Differenz bestand in der Frage, bis wann Griechenland eine maximale Neuverschuldung von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreichen müsse. Am 24. Oktober verkündete der griechische Finanzminister im Parlament, dass es einen Aufschub um zwei Jahre gegeben habe und die Neuverschuldung erst 2016 anstatt 2014 auf unter drei Prozent gesenkt werden muss. Nach dem Statement aus Athen dementierte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) umgehend, dass es eine solche Einigung gegeben habe.

Doch die Frage, welche Jahreszahl in dem „Troika“-Vertrag steht, ist nur eine Schattendiskussion und soll von der wirklichen Frage des Ausschlusses Griechenlands aus dem Euro ablenken. Denn von den drei Prozent Neuverschuldung ist Griechenland mit zuletzt 9,6 Prozent noch weit entfernt. Die Kürzungspolitik wird die ökonomische und soziale Krise Griechenlands nur weiter verschärfen. So sind im Zuge der Krise die Investitionen der griechischen Wirtschaft von 10,8 Milliarden Euro im zweiten Quartal 2007 auf 4,6 Milliarden im zweiten Quartal 2012 eingebrochen. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 25 Prozent, unter Jugendlichen bei 55 Prozent. Geschätzte 68 Prozent der GriechInnen leben unterhalb der Armutsgrenze. Die Krise in Griechenland kann nicht innerhalb des Kapitalismus gelöst werden.

Schäuble machte klar, dass die Bundesregierung „aus eigenem Interesse, nicht aus falsch verstandener Großzügigkeit alles tun“ müsse, damit Griechenland im Euro bleibe. Unter den Funktionären der „Troika“ gibt es Diskussionen, ob Griechenland nur durch einen weiteren Teil-Schuldenschnitt im Euro bleiben könne. Schäuble lehnt diese Überlegungen ab. Sein Rezept ist es, den Druck auf Griechenland weiter zu erhöhen. Er will eine direkte Kontrolle über den griechischen Haushalt, indem alle Gelder der „Troika“ auf ein Sperrkonto eingezahlt werden, um dann direkt an die Banken zu gehen. Die Kontrolleure der „Troika“ reichen für Schäuble nicht aus, um über den Haushalt Griechenlands zu bestimmen, und so fordert er – wie auch Peer Steinbrück (SPD) – einen EU-Finanzminister mit Vetorecht über die nationalen Haushalte. Solche Maßnahmen würden den Ausschluss Griechenlands aus dem Euro nur hinauszögern und die katastrophale Lage im Land verschärfen.

Welches Programm gegen die Krise?

Um auf die kapitalistische Krise zu reagieren, benötigen die griechische Linke und die Gewerkschaften ein Programm, das den Kampf zum Erfolg bringen kann. Außerdem müssen sie aufzeigen, wie eine Regierung im Interesse der Arbeiterklasse und der Jugend gegen die soziale und ökonomische Krise vorgehen würde und mit dem Kapitalismus brechen müsste. Das Linksbündnis SYRIZA (das in Umfragen aktuell bei 30 Prozent liegt) hat als stärkste linke Kraft in Griechenland die Verantwortung, ein solches Programm aufzustellen und Unterstützung dafür in der Arbeiterbewegung zu gewinnen. Ihr Vorsitzender Alexis Tsipras hat zum Besuch von Angela Merkel in Athen einen Gastbeitrag im englischen „Guardian“ geschrieben. In diesem Beitrag erteilt er der herrschenden Kürzungspolitik eine Absage. Was er als Alternative vorschlägt, ist jedoch recht unkonkret. Er spricht von einem europäischen Plan für Wachstum. Priorität dieses Plans sollen die Bedürfnisse von ArbeiterInnen, RentnerInnen und Arbeitslosen und nicht die der Banken und Konzerne sein. Welche konkreten Schritte im Kampf gegen die Schuldenkrise ergriffen werden müssen und mit welcher Taktik ein solcher Kampf geführt werden soll, ist hier leider nicht klar.

Die zentrale programmatische Frage, auf die SYRIZA eine Antwort geben muss, ist die, die auch den Herrschenden in Berlin, Brüssel und Athen Kopfzerbrechen bereitet: Was setzt man dem drohendem Staatsban-krott entgegen? Xekinima (Schwesterorganisation der SAV in Griechenland und Mitglied im CWI) schlägt vor, dass die Schulden vollständig gestrichen werden. Die griechischen Banken und Konzerne müssen verstaatlicht und unter demokratische Kontrolle und Verwaltung durch die Arbeiterklasse in Griechenland gestellt werden. Kontrollen über den Kapitalverkehr und über Im- und Exporte müssen eingeführt werden. Auf dieser Basis könnten auch die drängendsten Probleme in Griechenland angegangen werden: Auszahlung der Löhne, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Versorgung mit Nahrungsmitteln und die Gesundheitsversorgung. SYRIZA stellt die Forderung nach vollständiger Schuldenstreichung bisher nicht auf, und trat stattdessen zu der Wahl im Juni für eine Neuverhandlung von Schulden und eine zeitlich begrenzte Aussetzung von Schuldenzahlungen ein. Die Führung von SYRIZA hat derzeit bedauerlicherweise kein Programm, um mit dem Kapitalismus zu brechen. Dabei könnte sie die enorme Unterstützung, die SYRIZA auf der Wahlebene gewonnen hat, schnell verlieren. Andros Payiatsos von Xekinima sagte am 9. Oktober im Interview mit der englischen Wochenzeitung „The Socialist“: „Wenn wir eine linke Regierung hätten, die nicht versuchen würde, sozialistische Maßnahmen durchzusetzen, sondern einfach nur die Krise des kapitalistischen Systems zu gestalten, dann wäre das ein Desaster für die Linke und für die Bewegung der Arbeiterklasse.“

Wie weiter für die Bewegung?

Die Frage nach dem Programm für die Arbeiterbewegung in Griechenland ist sehr eng verknüpft mit der Frage nach der Strategie für die Bewegung. Im Vorfeld der Wahlen im Mai hat SYRIZA offensiv eine Regierung der linken Einheit gefordert. Auch jetzt muss die Losung in Griechenland eine sozialistische Arbeiterregierung sein. Der Kampf muss für einen Sturz der jetzigen Regierung und für einen Rausschmiss der „Troika“ geführt werden. Die 24- und 48-stündigen Generalstreiks haben es bisher nicht geschafft, die Regierung zu stürzen. Xekinima fordert daher eine Reihe von mehrtägigen Generalstreiks, die schließlich in einen unbegrenzten Generalstreik münden und mit Betriebsbesetzungen und Versammlungen in den Stadtteilen den Sturz der Regierung erzwingen könnten. So können die griechischen ArbeiterInnen, Jugendlichen und RentnerInnen die Kontrolle über die Gesellschaft und über ihr Leben gewinnen und die kapitalistische Alternativlosigkeit der „Troika“ und der Regierenden überwinden.