„Wär“ ich nicht arm – wärst du nicht reich“
Der Mensch gewöhnt sich an alles … Wird so gesagt. Doch ich gewöhne mich nicht daran, dass der ältere Herr in seiner adretten grauen Stoffhose und dem etwas abgenutzten Jackett in jeden Mülleimer schaut und nach Flaschen sucht, ab und an eine findet und diese dann in seine Plastiktüte verschwinden lässt mit dem Wissen, 25 Cent Pfandgeld zu haben und damit schon fast eine Packung Nudeln oder ein Brötchen. Da kann ich mich nicht dran gewöhnen, da krieg‘ ich Wut im Bauch.
von Christine Lehnert, SAV-Bürgerschaftsabgeordnete in Rostock und Mitglied der Partei DIE LINKE
Und wie die meisten anderen Menschen wohl auch, finde ich es einfach unglaublich, wenn in diesem reichen Land Menschen nicht satt werden, Bildungschancen nach Reichtum verteilt werden und Alleinerziehende sich fragen, wie das nächste paar Schuhe bezahlt werden soll. Während es immer mehr Arme – erwerbslose oder arbeitende, alte oder junge – gibt, zeigt das Privatfernsehen die dekadente „schrecklich glamouröse Familie“, die Geissens. „Wo soll das enden?“ – fragen viele und resignieren.
Doch jetzt macht sich ein Bündnis auf, diese Zustände in Frage zu stellen: „Fehlende Kita-Plätze, geschlossene Bibliotheken, mangelhafter Nahverkehr – der öffentlichen Hand fehlt das Geld für wichtige Investitionen. Dem stehen gigantische private Vermögen entgegen. Sie müssen wieder an der Finanzierung unseres Gemeinwesens beteiligt werden – mit einer einmaligen Vermögensabgabe und einer dauerhaften Vermögenssteuer“, so schreibt das Bündnis „UmFAIRteilen – Reichtum besteuern!“. Getragen wird diese Kampagne unter anderem von attac, GEW, der Linkspartei und einigen Sozialverbänden. ver.di-
Chef Frank Bsirske bekräftigt: „Die Zeit ist reif für Umverteilung“ und ruft mit zum Aktionstag am 29. September auf.
Recht haben sie …
… damit, dass endlich die bisherige Praxis der Umverteilung von unten nach oben beendet werden muss.
Egal ob Steuergeschenke für die Reichen wie die Abschaffung der Vermögenssteuer unter der Kohl-Regierung in den Neunzigern, die Senkung der Körperschaftssteuer für die Konzerne oder die Begleichung der Verluste für die Pleitebank Hypo Real Estate mit über 100 Milliarden Euro durch den Staat … In diesem System werden Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert und die Folgen davon sind leere Kassen in den Kommunen und Ländern, Sozial- und Bildungskürzungen sowie eine Zunahme von Billiglöhnen und Leiharbeit. Allein die privaten Vermögen der reichsten ein Prozent sind höher als alle öffentlichen Schulden in Deutschland zusammen.
Und noch deutlicher wird die Schere zwischen Arm und Reich, wenn wir uns ansehen, dass 0,1 Prozent der Bevölkerung 22,5 Prozent des Vermögens in Deutschland besitzen, während die Hälfte der Bevölkerung knapp 1,4 Prozent – also fast gar nichts – besitzt. Skandalös! All das ist Kapitalismus, wie er leibt und lebt, kein Zufall – sondern im System begründet und somit ein harter Brocken, dies zu ändern.
Profite auf unsere Kosten
Mit dem Ende des Nachkriegsaufschwungs Ende der siebziger Jahre wurde es für private Geldanleger immer schwieriger, profitable Anlagemöglichkeiten zu finden. In der Folge änderten sie ihre Politik mit dem Ziel, nunmehr das staatliche Eigentum zu plündern und daraus Profit zu generieren. Ehemals öffentlich organisierte Bereiche wie Bildung, Gesundheit und Soziales wurden durch Gesetzesänderungen und Privatisierungen dem Markt zur Verfügung gestellt.
Gleichzeitig wurde massiv an der Steuerschraube gedreht. Unter Rot-Grün wurde nach 1998 zum Beispiel der Spitzensteuersatz bei den Einkommen auf 42 Prozent gesenkt. Zu den Zeiten von Helmut Kohl (CDU) waren es noch 53 Prozent – am Beginn der Adenauer-Ära 1949 sogar 95 Prozent.
Diese neoliberale Offensive führte zu massiven Extraprofiten für die Reichen – und Mehrbelastungen für die Gesellschaft als Ganzes, da die Privatisierungen eine Reihe von negativen Effekten (Arbeitsplatzabbau, niedrigere Löhne, höhere Gebühren et cetera) mit sich brachten. Zusätzlich wurden Investitionen in die „Realwirtschaft“ zunehmend geringer – statt dessen ging der Trend hin zu den Finanzmärkten und Finanzspekulation. Während „Sparpakete“ und Agenda 2010/Hartz IV die Armen ärmer machten, verdienten sich die Kapitalisten eine goldene Nase. Die Folge: eine künstliche Aufblähung des Kredit-sektors, ein Rückgang an Investitionen im produktiven Bereich und eine schrumpfende Kaufkraft – was ab 2007 zur schwersten Wirtschaftskrise seit den dreißiger Jahren führte.
Die Entwicklung der letzten drei Jahrzehnte zeigt: Die ungleiche Vermögensverteilung ist erst mal nicht die Ursache, sondern die Folge der Widersprüche des Kapitalismus gewesen. Die Herrschenden wussten sich keinen anderen Ausweg, als ihre Profite durch neoliberale Politik zu erwirtschaften. Darum können wir auch nicht bei der Forderung nach etwas mehr Gerechtigkeit stehen bleiben.
Statt Kitas, Schulen, Wohnungen und Pflegeheime zu bauen, horten Großkonzerne heute riesige Kapitalmengen. Für den Euro-Raum belaufen sich die Schätzungen auf zwei Billionen Euro, die für die Gesellschaft nutzlos auf Konten lagern, während die öffentliche Hand unter der Staatsschuldenlast zerquetscht wird und kleine und mittlere Unternehmen Schwierigkeiten haben, Kredite zu bekommen.
99 % gegen 1%
Seit den „Occupy“-Protesten 2011 prangert der Slogan „We are the 99 %“ die obszöne Konzentration von riesigen Vermögen in den Händen einer absoluten Minderheit an.
Das Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung (isw) veröffentlichte eine Studie, nach der in Deutschland mittlerweile jeder Fünfte – 19,7 Prozent – von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht ist. „Während Arbeitslose und Arme durch die Krise ärmer geworden sind, haben diese Superreichen an der Krise offenbar verdient und sind reicher geworden. Das globale Millionärsvermögen lag 2010 um knapp fünf Prozent (4,9 Prozent) höher als im Vorkrisenjahr 2007, dem bisherigen Rekordjahr.“
Würde man diese Millionärsvermögen nur mit zehn Prozent besteuern, hätte man eine Billion Dollar, über 750 Milliarden Euro – für ein Programm, das man zur Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit einsetzen könnte.
Können SPD und Grüne Bündnispartner sein?
Im Frühjahr initiierte die DGB-Jugend die Kampagne „UmFAIRteilen“, an der inzwischen über 35 Organisationen beteiligt sind. Dies lockt andere politische Akteure hervor, die ihr Süppchen über diesem Feuer erwärmen möchten. Neben einigen Unternehmern, die sich aus Angst, sonst würde unsere „Gesellschaft auseinander brechen“ für höhere Vermögenssteuern einsetzen (wie der Mittelständler Ernst Prost) sind es zum Beispiel die Grünen, die diese Kampagne unterstützen. Damit wollen sie – genau wie die SPD, die sich derzeit auch wieder scheinbar etwas sozialer gebärdet – vergessen machen, dass sie Sozialräuber sind.
Die rot-grüne Agenda-Politik war einer der größten Angriffe auf die sozialen Errungenschaften und ein Geschenk für die Kapitalisten, die sich zum Beispiel mit Hartz IV einen Niedriglohnsektor aufbauen konnten und die Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Raum erneut steigerten – zu Lasten von Ländern wie Griechenland und Spanien mit den heute bekannten Folgen.
Statt Solidarität mit den von Krisenfolgen betroffenen Beschäftigten, Erwerbslosen, Jugendlichen in Südeuropa predigt SPD-Chef Sigmar Gabriel heute „sozialen Patriotismus“, sowohl SPD als auch Grüne befürworten den brutalen Sozialkahlschlag in Griechenland. Mit ihrer Zustimmung zu Fiskalpakt und Bankenrettungspaketen demonstrieren sie erneut, dass sie sich den Kapitalinteressen verpflichtet fühlen.
Um so wichtiger, dass das Bündnis „UmFAIRteilen“ keine Wischiwaschi-Formulierungen benutzt. Erstens haben solche allgemeinen Forderungen keine große Wirkung, zweitens können sich dann SPD- und Grüne-Politiker – die in Ländern und Kommunen weiter den Rotstift zücken – leichter dahinter verstecken.
Neben einer Reichensteuer fordert „UmFAIRteilen“ auch eine Finanztransaktionssteuer. Das ist gut, aber nicht genug. Denn zum Beispiel auch der neue Staatspräsident Frankreichs, Francois Hollande, besteuert inzwischen den Kauf vieler französischer Aktien mit 0,2 Prozent. Aber der gleiche Hollande behält gleichzeitig die Politik von Sozialabbau bei (wenn derzeit auch nicht ganz so heftig wie sein Vorgänger Nicolas Sarkozy). Darum sollten wir beim Aktionstag am 29. September auch ganz klar machen, dass wir jede einzelne Kürzung ablehnen. Damit würden wir die Latte auch so hoch hängen, dass sie von verlogenen SPD- oder Grünen-Politikern nicht so leicht übersprungen werden kann.
Auf welche Bündnispartner es ankommt
Schlecker ist pleite. Da jammert auch der Schlecker-Clan. Aber trotz Pleite ist die Schlecker-Familie alles andere als arm dran – im Gegensatz zu den gekündigten Beschäftigten. In einer Erklärung lassen die Schlecker-Kinder verlauten: „Unsere Mutter hat mit unserem Vater Gütertrennung vereinbart und auch wir (…) verfügen über ein eigenes Vermögen.“ Weiter heißt es, ihr Vater habe vom Sportwagen bis zur Uhr alles abgeben müssen. „Wir unterstützen ihn mit unseren eigenen Mitteln, die wir rechtmäßig besitzen, denn Sippenhaft gibt es im deutschen Recht nicht.“ Nun, scheinbar gelten hier wieder andere Gesetze für Reiche, denn bei den Schlecker-Frauen, die bald Hartz IV beantragen müssen, wird die ganze „Sippe“ herangezogen – im Amtsdeutsch „Bedarfsgemeinschaft“.
Diesem ekelhaften Treiben muss ein Ende bereitet werden. Die richtigen Bündnispartner dafür sind all die Betroffenen und jene, die jahrelang gegen Armut per Gesetz und Bankenrettungspakete eingetreten sind – darunter auch die Partei DIE LINKE. Korrekterweise forderten Mitglieder der Partei wie der Bundestagsabgeordnete Michael Schlecht schon nach der Lehman-Brothers-Pleite eine zehnprozentige Vermögenssteuer, die bei einem Freibetrag von einer Million 200 Milliarden Euro jährlich in die Staatskasse spülen würde.
Wie den Kampf führen?
„Wenn nicht nur DIE LINKE, sondern auch SPD und Grüne, aber auch der Arbeitnehmerflügel der CDU im Bundestag dazu bereit sind, muss es doch gelingen, die Gesetze entsprechend zu ändern.“ Dieser Wunsch von Gesine Lötzsch, der Ex-Vorsitzenden der Linkspartei, ist fernab der Realität. An diejenigen zu appellieren, die bislang die Reichen reicher und die Armen ärmer machten, ist eher nicht so schlau. Vielmehr ist eine breite Mobilisierung der Betroffenen nötig. Nach „Blockupy“ im Mai in Frankfurt am Main kann der 29. September ein weiteres Signal für Gegenwehr sein. Der Parteivorstand der LINKEN will unter dem Motto „Reichtum ist teilbar – Millionärssteuer jetzt!“ für den 29. September aufrufen. Mit GEW und ver.di sind zwei Einzelgewerkschaften mit von der Partie. In den nächsten Wochen gilt es, in der Öffentlichkeit, auf der Straße, in Stadtteilen, aber auch Betrieben Werbung zu machen für die vielerorts geplanten Demos und Aktionen am letzten September-Samstag.
Dieser Aktionstag sollte aber nur der Startschuss für eine längerfristige Kampagne sein. Erstmal brauchen wir eine inhaltliche Gegenoffensive zur Sparpropaganda. In dieser Phase wären auch Treffen von betrieblichen und gewerkschaftlichen Aktiven wichtig, um sich auszutauschen und Pläne zu schmieden. Wenn sich neben ver.di auch weitere Gewerkschaften, vor allem die IG Metall, an der von ver.di geplanten Aktionswoche für den 5. bis 9. November beteiligen sollten, dann könnte dies ein wichtiger Schritt sein auf dem Weg zu einem gemeinsamen Kampf von Beschäftigten, Erwerbslosen, Jugendlichen und RentnerInnen. Der Kampf für eine Umverteilung von oben nach unten kann ebenso mit konkreten Konflikten in den Betrieben als auch mit Aktionen gegen Haushaltskürzungen in der Kommune verbunden werden. Die Kampagne sollte auch den Bundestagswahlkampf 2013 im Blick haben – ein erster Höhepunkt könnte eine bundesweite Demonstration im nächsten Frühjahr sein!
Materialien, die den Zusammenhang zwischen Rüstungsexporten und Profiten deutscher Konzerne einerseits und hungernden Schulkindern oder der steigenden Zahl von Obdachlosen in Griechenland andererseits erklären, sind ein wichtiges Mittel, um die Forderung nach „UmFAIRteilen“ nicht nur im nationalen Rahmen zu betrachten, sondern ebenso europäisch wie international gegen die ungleiche Verteilung zu kämpfen. Die Linkspartei, ebenso wie Gewerkschaften und betriebliche AktivistInnen, sollten dies mit konkreter Solidarität mit den Menschen in Südeuropa verbinden und dafür Solidaritätskomitees mitaufbauen.
Reichensteuer: Ende gut – alles gut?
Doch trotz aller Chancen, die sich offenbaren, ist es sinnvoll, auch die Risiken und Nebenwirkungen zu betrachten. Was passiert, wenn deutsche Unternehmer ins Ausland gehen, um eine mögliche Reichensteuer zu umgehen? Schon heute – obwohl die Steuergesetze für Vermögende ziemlich harmlos sind – bunkern die Kapitalisten ihre Moneten in Liechtenstein oder auf den Cayman-Inseln. Auch Steuersünder-CDs änderten bisher nichts Relevantes daran, dass weltweit bis zu 32 Billionen Dollar (so das „Tax Justice Network“) in Steueroasen gehortet werden.
Außerdem bleibt die Frage: Sind 200 Milliarden ausreichend, um die ganzen Probleme zu lösen? Wie können Verlagerungen unterbunden oder Steuerflucht verhindert werden?
1981 gewannen die SozialdemokratInnen und die an Moskau orientierten „KommunistInnen“ in Frankreich die Wahlen mit einem linksreformistischen Programm. Dieses sah unter anderem vor, dass jedes Jahr die Arbeitszeit verkürzt wird. Viele Banken und Konzerne sollten verstaatlicht und die Reichen deutlich höher besteuert werden. Binnen einen Jahres änderte die Linksregierung ihre Politik nahezu komplett. Dies war die Folge von massivem Druck der französischen Reichen, die nicht nur mit Kapitalabzug drohten, sondern diesen auch praktisch umsetzten.
Eigentum verpflichtet – wen, zu was und wessen Eigentum überhaupt?!
Dieses Beispiel verdeutlicht, dass sehr schnell aus „einfacher“ Umverteilung eine prinzipielle Frage wird, nämlich: Wer hat das Sagen in der Gesellschaft? Die Frage von Eigentum ist hier zentral. Immer wieder rufen Großkonzerne und Unternehmer in der Krise nach staatlicher Hilfe und Unterstützung – bei Banken, Werften oder Autoindustrie. Wenn die Profite wieder sprudeln, soll sich der Staat allerdings dezent zurückziehen und nicht die Hand aufhalten. Mit der Drohung von Arbeitsplatzabbau oder Schließung wird Stimmung gemacht und den Betroffenen Angst.
Die Antwort auf diese perversen Erpressungsversuche ist die Forderung nach Verstaatlichung unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung. Egal, ob Bankenpleite oder Massenentlassungen bei den Werften – dort wo die Gesellschaft als Ganzes zahlt in Form von Staatshilfen durch Steuergelder, dort hat die Gesellschaft als Ganzes auch das Recht, zu bestimmen. Auch der Drohung mit Kapitalflucht kann letztlich nur wirksam etwas entgegengesetzt werden, wenn die Banken verstaatlicht werden. Bei demokratischer Kontrolle und Verwaltung wird das „Wegtransferieren“ der Millionen nicht mehr möglich sein.
Warum sich Gerechtigkeit und Kapitalismus ausschließen
Die Vorstellung, dass ausreichend gute Gesetze genügen, um die Verteilungsfrage zu beantworten und den Menschen das Leben in einer gerechten Welt zu ermöglichen, beweist sich immer wieder als Illusion. Gesetze werden umgangen, geändert oder gebrochen. Wer besitzt, der hat die Macht, mit eben diesem Besitz zu tun, was er oder sie möchte. Damit dies zum Wohle der Gesellschaft passieren kann, muss der Großbesitz an Industrie, Banken, Versicherungen und Unternehmen der Daseinsvorsorge in staatliches Eigentum überführt werden. Natürlich darf dies nicht zu neuer Armut führen, weswegen bei erwiesener Bedürftigkeit auch entschädigt werden muss. Mit den Eigentumsverhältnissen müssen wir aber auch generell die Verhältnisse in Wirtschaft und Gesellschaft ändern. Denn der Kapitalismus ist und bleibt ein chaotisches, krisenhaftes System …
Im Zuge der Zuspitzung der europäischen Krise wird es in der kommenden Zeit mit großer Wahrscheinlichkeit auch in Deutschland erneut zu einem Wirtschaftseinbruch mit Stellenabbau und Betriebsschließungen kommen. Dann wird weder eine „einmalige Vermögensabgabe“ noch eine „dauerhafte Vermögenssteuer“ genügen. Und jede pro-kapitalistische Regierung wird weitere asoziale Maßnahmen ergreifen. Erneut werden Beschäftigte, Erwerbslose, Jugendliche und RentnerInnen für die Krise zahlen müssen. Eine wirkliche Alternative zum „same procedure as every year“ ist der Bruch mit dem Kapitalismus. Es gibt keinen erfolgversprechenden Plan B im Rahmen dieses Systems. Wir brauchen einen Plan S – die sozialistische Demokratie. n
Wer zahlt überhaupt Steuern?
„Lasst die ‚Reichen‘ in Ruhe. Die oberen zehn Prozent bezahlen schon die Hälfte der Steuern“ (ZEIT-Herausgeber Josef Joffe am 1. September 2011).
Die Gegner einer wie auch immer gearteten höheren Besteuerung von Vermögenden betonen, dass die einkommensstarken Teile der Gesellschaft auch den größten Anteil an Steuerzahlungen schultern müssten. Was ist da dran?
Zum einen verwechseln diese Vertreter der Unternehmerklasse gern das Gesamtsteueraufkommen mit dem Einkommenssteueraufkommen. Bei Letzterem gibt es ein Ungleichgewicht zu Lasten der Reichen, stimmt – aber die Lohn- und Einkommensteuer macht nur 36,3 Prozent am gesamten Steueraufkommen aus. Die „indirekten“ Steuern hingegen – die Geringverdiener ungleich mehr belasten – belaufen sich auf fast 50 Prozent des Gesamtsteueraufkommens.
Zum anderen muss darauf hingewiesen werden, dass der „normale“ Steuerzahler neben eben diesen Steuern auch noch andere Zahlungen an den Staat leistet. Und relativ betrachtet ist die Steuerlast für die Reichen lange nicht so schmerzhaft wie für einen Elektriker oder die Bankkauffrau – wenn ein Reicher von seinen Millionen 47 Prozent abgibt, bleiben trotzdem noch Unmengen Geld für Leben, Liebe und Luxus. Wenn ein Normalverdiener von seinen 2.000 Euro brutto Steuern zahlt, dann muss mit dem Rest genau kalkuliert werden, damit Leben und Liebe finanziert werden können. Luxus ist nicht drin.
Und letztlich ist die Höhe der Einkommenssteuer abhängig von der Höhe des Einkommens. Wer wenig verdient, kann auch nicht viel zahlen. Die ungleiche Verteilung von Einkommen und Reichtum führt also auch dazu, dass (manchmal) „ungleiche“ Steuerbeträge bezahlt werden (die da oben tun alles, um ihre Belastungen ständig zu reduzieren). Dazu kommt: Für Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Kapitalanlagen werden im Schnitt lediglich 22 Prozent an Fiskus und Sozialkasse abgeführt, bei den Lohneinkommen sind es 45 Prozent.
Hier gibt es eine ganz einfache Lösung für die Sorgen der Reichen, den Großteil der Steuerlast zu schultern: Verteilung des Reichtums auf alle!
Die SAV fordert:
l eine Millionärssteuer von zehn Prozent, gleichzeitig eine drastische Erhöhung der Steuern auf Unternehmensgewinne
l Weg mit der Mehrwertsteuer
l Einführung eines einfachen Steuersystems von direkten Steuern auf Einkommen, Gewinne, Erbschaften und Vermögen bei starker Progression (steigendem Prozentsatz) – wer viel verdient und besitzt, soll viel bezahlen!
l Vollständige Offenlegung aller Finanztransaktionen und Betriebsinterna gegenüber der Belegschaft
l Bei Steuer- und Kapitalflucht: Konfiszierung des Vermögens beziehungsweise Enteignung des Betriebs und Überführung in öffentliches Eigentum
l Staatliche Investitionsprogramme in Bildung, Gesundheit, Umwelt und Soziales finanziert durch die Gewinne der Banken und Konzerne
l Einführung eines Mindestlohns von zehn Euro pro Stunde als erster Schritt zu zwölf Euro
l Nein zu Leiharbeit und Missbrauch von Werkverträgen
l Drastische Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich
l Für die Verstaatlichung aller privaten Banken und ihre Überführung in eine öffentliche, demokratisch kontrollierte Bank
l Überführung der Konzerne in Gemeineigentum
l Demokratische Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung
l Durchschnittlicher Tariflohn und jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit aller Personen in Leitungsfunktionen
l Statt Produktion für den Profit – Planung der Produktion nach den Bedürfnissen von Mensch und Natur