Im Dreisprung aus der Euro-Krise?

Foto: flickr.com/mehr-demokratie (CC BY-SA 2.0)

In der ersten Septemberhälfte jubelten die Herrschenden in Europa gleich dreifach. Am 6. verkündete Mario Draghi neue Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB). Am 12. genehmigte das Bundesverfassungsgericht ESM und Fiskalpakt. Am selben Tag wurden in den Niederlanden die Sozialkahlschlagsparteien wiedergewählt. An den Börsen gab es ein Kursfeuerwerk. Aber die beiden letzten Ereignisse lösten kein einziges Problem der Euro-Zone – sie schufen nur keine zusätzlichen …

von Wolfram Klein, Plochingen bei Stuttgart

Bleiben die EZB-Beschlüsse vom 6. September. Diese sind auch nicht der große Wurf, sondern ein Kompromiss. Zwar darf die EZB Staatsanleihen mit einer Laufzeit von bis zu drei Jahren unbegrenzt kaufen (auf dem „Sekundärmarkt“: das heißt solche Staatsanleihen, die bereits im Handel sind – direkt den Staaten darf sie die Anleihen nicht abkaufen). Aber das soll nur für Länder gelten, die sich unter den „Rettungsschirm“ begeben. Diese Länder müssen sich also ähnlich wie Griechenland zu einer zerstörerischen Kürzungspolitik verpflichten.

Die Abkommen müssen von den Geberländern genehmigt werden. Der Bundestag hat also in jedem einzelnen Fall ein Vetorecht. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der Bundestag bei künftigen Rettungsschirmen (als Kandidaten gelten gerade Zypern, Slowenien und Spanien, aber auch Italien könnte dazu kommen) durch seine Zustimmung nicht nur beschließt, dass die betreffenden Länder Milliarden (zur Weiterleitung an die Banken) bekommen, sondern dass von da an die EZB die Staatsanleihen dieser Länder aufkaufen darf (indem sie diese von den Banken und Co. abkauft).

Das wird die Opposition gegen solche „Rettungspakete“ innerhalb der Koalition sicher nicht verringern. Jedes einzelne droht zu einem Tauziehen zu werden. Die rechten Gegner der EZB-Beschlüsse warnen, dass die EZB ihre Staatsanleihenkäufe möglicherweise fortsetzt, auch wenn die betreffenden Länder ihre Kürzungsauflagen nicht einhalten.

Gift statt Medizin

Es wird beharrlich ignoriert, dass diese Maßnahmen keine Medizin, sondern Gift sind. Die südeuropäischen „Patienten“ werden mit Vorwürfen überschüttet, wenn sie das Gift nicht wie vom „Arzt“ verordnet einnehmen. Und wenn es den „Patienten“ immer schlechter geht, fordern sie eine immer höhere Dosis. Und mit dem Fiskalpakt wird diese giftige Medizin fast allen EU-Ländern verordnet.

Die Zahlen sprechen für sich. In Griechenland wird dieses Jahr ein Schrumpfen des Bruttoinlandsprodukts von sieben Prozent erwartet. In Portugal schrumpft die Wirtschaft laut der Hamburger Bank M. M. Warburg 2012 um 3,1 Prozent. Nachdem das Land lange als Kürzungsvorbild gepriesen wurde, werden jetzt wegen einbrechender Steuereinnahmen weitere Sparmaßnahmen verlangt. In Spanien stiegen die faulen Kredite von Juli 2011 bis Juli 2012 von 125 auf 170 Milliarden Euro. In Italien rechnet die Regierung mit einem Schrumpfen der Wirtschaft um 2,4 Prozent dieses Jahr.

Immer mehr Ökonomen befürchten, Frankreich könne auch in den Teufelskreis aus Sozialkahlschlag, geringerer Nachfrage, schrumpfender Wirtschaft, höheren Staatsausgaben und geringeren Steuereinnahmen, zusätzlichem Haushaltsdefizit, neuen staatlichen Kürzungsprogrammen, noch geringerer Nachfrage, weiter schrumpfender Wirtschaft und so weiter geraten.

Zwei kapitalistische Wege

Die EZB-Beschlüsse vom 6. September haben nur zu einer vorübergehenden Beruhigung geführt. Die EZB hat eine weitere Karte zur Euro-Rettung ausgespielt. Sie betreibt jetzt ähnliche Maßnahmen wie sie die britische und die US-Notenbank schon seit Jahren betreiben – ohne dass dies in den USA zu einem stabilen Aufschwung geführt hätte (von Großbritannien ganz zu schweigen).

Angela Merkel laviert. Sie will den Euro verteidigen und zugleich konservative und nationalistische WählerInnen für die Union erhalten.

SPD und Grüne präsentieren sich gerade als die konsequentesten Vertreter des deutschen Kapitals (oder zumindest der Kapitalfraktionen, die von Euro und EU profitieren). Wenn sie sich durchsetzen würden (zum Beispiel bei der nächsten Zuspitzung der Euro-Krise), könnte das dem Euro eine weitere Gnadenfrist verschaffen. Aber die Krise ist so tief, dass sie das deutsche Kapital überfordern würde.

DIE LINKE hat allen Grund, beide kapitalistische Wege abzulehnen.