Sommerschulung: Eine stürmische Phase für Weltlage und Weltwirtschaft

Kapitalistische Krise und Massen-Kämpfe der ArbeiterInnen nehmen globale Dimension an – ein Bericht von der CWI-Sommerschulung

von Finghín Kelly, „Socialist Party“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Irland)

Diese Woche nehmen bis zu 400 Menschen aus Ländern wie Russland, Kasachstan, Brasilien, Kanada, Quebec, Australien, Sri Lanka, Nigeria, dem Libanon und anderen an der jährlich stattfindenden Sommerschulung des „Committee for a Workers International“ (CWI; dt.: „Komitee für eine Arbeiterinternationale“) in Belgien teil. Im ersten Bericht von der Sommerschulung fasst Finghín Kelly die vorzügliche Debatte über die Weltwirtschaft und die politischen Beziehungen zusammen, die am 8. Juli stattfand.

Die Redaktion von Socialistworld.net

Das vergangene Jahr war in Bezug auf die Weltbeziehungen ein äußert stürmisches. Die Weltwirtschaft befindet sich weiterhin in einer stagnativen Phase, der Prozess von Revolution und Konterrevolution in Nordafrika und dem Nahen Osten hat sich weiterentwickelt und zwischen sowie innerhalb der Staaten sind zunehmende Spannungen zu verzeichnen. Lynn Walsh vom „Internationalen Sekretariat“ des CWI eröffnete die Diskussion, indem er eine Frage voranstellte: „Gibt es irgendein Land auf der Welt, das stabil ist und in dem es keine Streiks, keine Demonstrationen und keine Krise gibt?“

Immer mehr kapitalistische Kommentatoren kommen zu der Erkenntnis, dass die Weltwirtschaft sich in einer Phase der Depression befindet, in der die Produktivkräfte sich in Stagnation befinden. Lynn Walsh umriss in seiner Einleitung, wie 2008 die auf Schulden aufgebaute „Blasen-Ökonomie“ platzte und die Weltwirtschaft in die Krise stürzte. Von den G7-Staaten produzieren nur drei mehr als vor 2007. Italien befindet sich immer noch fünf Prozent unterhalb des Höhepunkts und Griechenland verzeichnet 15,9 Prozent weniger Wirtschaftsleistung als auf dem Höhepunkt von 2007.

Die Periode, die nach dem Zusammenbruch der UdSSR und des Stalinismus einsetzte, war eine des kapitalistischen Triumphs. Kapitalistische Kommentatoren behaupteten, dass es sich bei der Marktwirtschaft um den einzigen Weg handele, wie die Gesellschaft zu organisieren sei. Diese würde ökonomische Krisen überwinden helfen und zu stabilen demokratischen Regierungen führen. Sie meinten, es würde zu einer neuen und stabilen Weltordnung unter der Hegemonie des US-Imperialismus kommen. Wenn wir uns heute aber die Welt ansehen, so ist diese Annahme weitab von der Wirklichkeit.

Spannungen zwischen verschiedenen rivalisierenden kapitalistischen Mächten haben in der Krise zugenommen. Illustriert wurde dies durch den Abbruch der Handelsgespräche von Doha und eine Zunahme dessen, was die Welthandelsorganisation (WTO) den „schleichenden Protektionismus“ nennt. Diese Spannungen waren auch beim jüngsten Umweltgipfel von Rio offenkundig, wo die wichtigsten kapitalistischen Blöcke nicht in der Lage waren, zu irgendeiner substantiellen Vereinbarung über Umweltziele zu gelangen.

Zunehmende militärische Spannungen

Diese zunehmenden allgemeinen Spannungen schlugen sich auch in vermehrten militärischen Spannungen nieder. In den Vereinigten Staaten kündigte Präsident Obama jüngst an, dass die USA verstärkt militärische Ressourcen in der Pazifik-Region konzentrieren werden. Dies gründet auf der Annahme, dass China zum strategischen Rivalen der USA wird. Robert Bechert, der einen Beitrag zur Debatte machte, wies darauf hin, dass es im letzten Jahr zur höchsten Zahl an Kriegen seit Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945 gekommen ist. Momentan finden 20 Kriege statt, und darüber hinaus sind 18 weitere „in hohem Maße gewalttätige Konflikte“ zu verzeichnen. Dies spiegelt sich auch in einer enormen Zunahme der Militärausgaben wider. In den letzten zehn Jahren sind die realen Ausgaben für Rüstung um 60 Prozent gestiegen.

Im vergangenen Jahr ist es überall auf der Welt zu massiven Kämpfen gekommen. Die kolossalen Kämpfe, die die Regime in Nordafrika und im Nahen Osten zu Fall gebracht haben, setzten sich im letzten Jahr fort. Diese Erschütterungen haben Regime gestürzt, die finanziell und militärisch vom Imperialismus unterstützt wurden. Und die Bewegungen waren ein wichtiger Faktor für die Instabilität hinsichtlich der politischen Beziehungen auf der Welt.

Während der Diskussion machten auch John Dale von der Sektion aus England und Wales sowie ein Genosse aus dem Libanon Beiträge. Letzterer sprach über die Entwicklungen in der Region des Nahen Ostens. Er berichtete, wie das Fehlen einer starken und unabhängigen Opposition aus der Arbeiterklasse gegen das Assad-Regime dazu geführt hat, dass die Bewegung gegen Assad zunehmend verfallen ist und man es heute mit einem sektiererischen Konflikt mit mehr als 16.000 getöteten Menschen seit März letzten Jahres, darunter allein 5.500 Tote in der Stadt Homs, zu tun hat. Die Situation in Syrien hat auch zu Instabilität in der Region und der Intervention regionaler und internationaler Mächte geführt. Russland und der Iran sind die wichtigsten Waffenlieferanten für das Assad-Regime und viele Golfstaaten, vor allem Katar und Saudi-Arabien, liefern der immer besser ausgerüsteten Opposition ihre Waffen.

Ägypten

Jon sprach über die Lage in Ägypten, wo vor kurzem Mohammad Mursi, der Kandidat der Muslimbruderschaft (MB), zum Präsidenten gewählt wurde. Von vielen Vertretern des Kapitalismus wurde Mursi gratuliert. Darunter war auch die US-Außenministerin Hillary Clinton, die sogar nach Kairo flog, nur um Mursi anlässlich seiner Wahl ihre Aufwartung zu machen. Diese Vertreter verstehen ganz richtig, dass – wäre der vom Militär gestützte Kandidat Ahmed Shafiq gewählt worden – es zu einem enormen Rückschritt gekommen wäre und dies möglicher Weise zum Wiederaufflammen der revolutionären Kämpfe geführt hätte. Mursi wird unter Druck von vielen Seiten geraten, so auch durch den Imperialismus. Auch wird er den Druck der Bewegungen von unten zu spüren bekommen. Das Wirtschaftsprogramm der MB ist neoliberal und pro-kapitalistisch, und es bietet der Arbeiterklasse und den Armen in Ägypten keine wirkliche Alternative. Der Haushaltsentwurf für dieses Jahr basiert auf einem Wachstum von vier Prozent. In Wirklichkeit aber wird sich dieses um die Marke von einem Prozent herum bewegen. Es ist wahrscheinlich, dass die gerade erst gewählte Regierung einen Kredit mit dem „Internationalen Währungsfonds“ (IWF) verhandeln muss und der Preis dafür wird ein Schnitt bei den Subventionen für Familien auf Lebensmitteln und Benzin sein. Sehr bald schon wird deutlich werden, dass Mursi für die Probleme der ArbeiterInnen keine Antworten parat hat. Dies gilt vor allem deshalb, weil die Macht sich weiterhin in den Händen der Militärführer konzentrieren wird. Und weil die ArbeiterInnen auf politischer Ebene blockiert werden, werden sie sich jetzt wieder verstärkt dem Mittel des Kampfes auf der Straße zuwenden. Eine der bedeutsamsten Entwicklungen in der Revolution war das Aufkommen von unabhängigen Gewerkschaften. Heute zählen die unabhängigen Gewerkschaften in Ägypten 2,5 Millionen Mitglieder. Vor der Revolution waren es nur 50.000. Klar ist, dass die Revolution immer noch weitergeht. Und wir sind sicher, dass es in Form von Streiks und Sit-ins erneut zu Kämpfen der Arbeiterklasse kommen wird, die weiteren Druck auf die Militärführer und die gerade erst gewählte Regierung unter Präsident Mursi ausüben werden.

Robert Bechert sprach über die Intervention des Militärs in Ägypten, die zum Ziel hatte, die Parlamentswahlen außer Kraft zu setzen. Hierbei habe es sich in der Tat um eine Art Putsch gehandelt. Er führte aus, dass in einem am Tag nach dem Rücktritt von Mubarak vom CWI in Ägypten verteilten Flugblatt davor gewarnt wurde, dass die obersten Generäle versuchen würden, ihre Macht zu erhalten und dass es nötig sei, eine unabhängige Arbeiterbewegung aufzubauen, um dies zu bekämpfen und die Revolution voranzutreiben.

Viele RednerInnen sprachen darüber, wie die wirtschaftliche Abkühlung in China enorme Auswirkungen auf Länder wie Brasilien und Australien haben würde. Das Wirtschaftswachstum dieser Länder sei abhängig vom Export von Handelswaren nach China. Tim aus Australien berichtete, wie der Boom in der Bergbaubranche, der sich auf den Export nach China gründet, dort eine entscheidende Rolle dabei spielt, die Wirtschaft des Landes zu stützen. Andere Wirtschaftsbereiche befinden sich in der Stagnation oder sogar in der Rezession. Ein Rückgang der chinesischen Wirtschaft wird deshalb in Australien schwerwiegende Folgen haben und die Möglichkeit eröffnen, dass es auch dort in der bevorstehenden Periode zu Kämpfen kommt.

Die Situation in China selbst war ebenfalls ein Schwerpunktthema der Debatte. Eine Reihe von RednerInnen berichteten darüber, wie das Regime ein weitreichendes Konjunkturprogramm aufgelegt hat, das einen Umfang in etwa der Höhe von 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) des Landes hat und in die chinesische Wirtschaft gepumpt wird. In erster Linie gehen die Gelder daraus in Infrastruktur-Maßnahmen und führen zur Inflation massiver Blasen in der chinesischen Volkswirtschaft. Für die Immobilienblase in China ist dies von besonderer Bedeutung, was Vincent aus Hong Kong darstellte, der berichtete, dass es zur Zeit 64 Millionen leer stehende Wohnungen in China gibt und eine enorme Zunahme an Schulden in den lokalen Haushalten zu verzeichnen ist. Grund dafür ist die Spekulationstätigkeit von Regionalregierungen im Immobiliensektor. Auch in China ist es in der vergangenen Zeit zu massiven Kämpfen gekommen. Jacko aus Hong Kong berichtete, dass es 2010 in China zu 180.000 „umfangreichen Zwischenfällen“ gekommen ist und letztes Jahr 100.000 Arbeitskämpfe stattgefunden haben. Am 1. Juli dieses Jahres ist es in Hong Kong außerdem zu einem Protestzug gekommen, an dem 400.000 Menschen teilnahmen, die demokratische Reformen für Hong Kong einforderten.

Abkühlung in China?

Die wirtschaftliche Abkühlung in China und der Druck der Massen von unten schlugen sich zum ersten Mal seit 1989 in offenen Rissen und Spaltungen auf der obersten Ebene der chinesischen herrschenden Elite nieder. Diese Spaltungen basieren nicht auf ideologischen Differenzen sondern resultieren vielmehr aus Differenzen darüber, wie die eigene Macht am besten abzusichern sei. In der Affäre um Bo Xilai wurde ein führender „Thronerbe“ der herrschenden KPC Opfer der Bürokratie und die Spannungen, die im Regime selbst existieren, wurden offenbar. Bo Xilai hatte sich einer populistischen Demagogie bedient, um für sich Unterstützung in der Opposition gegen andere Flügel der Parteibürokratie zu mobilisieren. Neben der Tatsache, dass darüber die korrupte Natur und der enorm personalaufwändige Apparat der chinesischen herrschenden Elite zu Tage traten, zeigte sich in dieser Affäre auch, dass es im Regime Risse gibt, die größer werden können, wenn in es in der kommenden Phase verstärkt zu Kämpfen der Arbeiterklasse kommt.

Auch die Situation in den USA wurde in diesem Arbeitskreis diskutiert. Katie aus den USA berichtete, wie 2011 die „Occupy-Bewegung“ beinahe über Nacht förmlich explodierte. Diese Explosion resultierte aus der Wut über die Lage auf dem Arbeitsmarkt und über den Niedergang der Lebensstandards. Die jüngsten Arbeitsmarktzahlen aus den USA weisen nur 80.000 neue Stellen auf, die im vergangenen Monat geschaffen wurden. Verglichen mit dem letzten Jahr bedeutet dies einen Rückgang. Präsident Obama hat gezeigt, dass er überhaupt nicht darauf vorbereitet ist, einen arbeitnehmerfreundlichen Politikansatz durchzuführen und sich selbst als Vertreter der Konzerne geoutet. Im vergangenen Jahr wurden wir ZeugInnen einer überwältigenden sozialen Bewegung im Bundesstaat Wisconsin, in der Studierende und ArbeiterInnen gegen Scott Walker, den Gouverneur der „Republikaner“ vorgingen, der die Rechte der Gewerkschaften attackierte. In dieser Bewegung ist es zu vielen Diskussionen über die Frage gekommen, ob ein Generalstreik Sinn machen würde. Allerdings versuchten Gewerkschaftsführer, den Kampf aufgrund wahltaktischer Fragestellungen umzulenken und ihn zu einer Kampagne für die Abwahl von Gouverneur Walker zu machen. Im Januar dieses Jahres fand dann diese Abstimmung statt, die Walker schadlos überstand. Die „Demokraten“ in Wisconsin wollten keine wirklichen Aktionen unterstützen, um diesen verhassten Gouverneur loszuwerden, was den wahren Charakter der „Democratic Party“ als Konzern-freundliche Partei offenbarte. ArbeiterInnen in den USA stehen nun vor der Situation, bei den Präsidentschaftswahlen im November keine Alternative zu haben. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass der Kandidat der „Republikaner“, Mitt Romney, die Wahl für sich entscheiden wird, weil die Enttäuschung über Obama so groß ist.

Nachdem der Stalinismus zusammengebrochen war und der US-Imperialismus die sogenannte „Schock- und Einschüchterungspolitik“ zur Leitlinie erklärt hatte, gingen viele, darunter auch einige VertreterInnen der Linken, davon aus, dass der militärischen Macht des US-Imperialismus nun nichts mehr im Wege stehen würde. Trotz der Tatsache, dass drei Billionen US-Dollar für Kriege ausgegeben wurden, scheiterten die USA jedoch darin, ihre Zielvorstellungen umzusetzen. Afghanistan wird weiterhin von Warlords beherrscht. Die Konferenz von Tokio, die weitere Finanzhilfen für Afghanistan bewilligen sollte, hob hervor, dass es in Afghanistan eine massive Korruption gibt. Darüber hinaus führt der Krieg in Afghanistan wegen der Aktivitäten der Taliban an der Grenze zwischen Pakistan und Afghanistan zur Krise in den Beziehungen zwischen den USA und Pakistan. Vor allem die Drohnen-Angriffe, die zu zahlreichen zivilen Opfern führen, spielen dabei eine Rolle. Präsident Obama hat versucht, von diesem Desaster abzulenken,indem er für sich in Anspruch nahm, Bin Laden getötet zu haben. Auch der Irak ist ein Land, das sich nach einer imperialistischen Intervention in der Krise befindet und jederzeit in einen Bürgerkrieg abzugleiten droht.

Als Obama zum ersten Mal gewählt wurde, sagte er, eines der wichtigsten Anliegen seiner Administration sei der Frieden im Nahen Osten zwischen Israel und den PalästinenserInnen. Es ist indes durchaus möglich zu sagen, dass es zu keinerlei Fortschritt in dieser Frage gekommen ist. Obwohl der Präsident der „Palästinensischen Autonomiebehörde“, Mahmoud Abbas, den Willen gezeigt hat, ein Zugeständnis nach dem anderen zu machen, hat sich das israelische Regime keinen Millimeter bewegt. Dies führt unter den palästinensischen Massen zu großem Unmut und rückt eine erneute Intifada in den Bereich des Möglichen, die sich auch durch irgendeine Form von Massenprotest auszeichnen kann. In Israel scheint Premierminister Netanjahu zwar Chef einer starken Koalition zu sein, doch dies verschleiert nur, dass seine Regierung sich hinter den Kulissen eher durch Schwäche auszeichnet. Im Mai ist es in Israel zu massiven sozialen Bewegungen gekommen, die die Regierung wahrlich unter Druck setzen.

Obwohl beinahe alle der wichtigsten kapitalistischen Kommentatoren und Strategen vor einem Schlag gegen die iranischen Nuklearanlagen warnen, ist es von Seiten des israelischen Regimes zu einer stärker werdenden Rhetorik gegen die iranische Regierung gekommen. Die Folgen eines Militärschlags in der Region wären schwerwiegend. Wegen der Instabilität innerhalb des israelischen Regimes ist nicht ausgeschlossen, dass es immer noch einen Schlag durchführen könnte.

Kapitalismus in Frage gestellt

Die Entwicklungen der letzten Jahre haben dazu geführt, dass die Legitimität des kapitalistischen Systems von Millionen von Menschen überall auf der Welt in Frage gestellt wurde. In der vergangenen Periode sind die Vertreter des Kapitalismus systematisch in Misskredit geraten. In Europa zeigt sich dies daran, dass es kaum eine amtierende Regierung gibt, die die jeweiligen letzten Wahlen überstanden hätte. Und auch deren Politik hat breite Bewegungen von ArbeiterInnen, der Mittelschicht und junger Leute hervorgebracht. Rund um den Globus sind Angriffe auf den Bildungsbereich fester Bestandteil der neoliberalen Attacken. Dominique aus Kanada sprach über die dort stattfindenden Angriffe auf den Bildungssektor. Er skizzierte auch die beeindruckende, von den Studierenden angeführte Bewegung gegen neoliberale Politik in Quebec. Jared aus Neuseeland erzählte von der Bewegung der Studierenden, die mit brutaler Polizeirepression konfrontiert ist.

Ein wesentlicher Aspekt, der während dieses Arbeitskreises behandelt wurde, war die Situation rund um die Weltwirtschaft. In vielen Teilen der Welt steht Massenarbeitslosigkeit an der Tagesordnung. Es gibt momentan 200 Millionen Arbeitslose auf der Welt, 75 Millionen davon sind junge Menschen. Diese Arbeitslosigkeit besteht zeitgleich, da die Großkonzerne dieser Welt riesige Summen an liquiden Mitteln horten, die sie in der bestehenden Phase nicht investieren wollen. Der Grund dafür ist, dass diese Unternehmen keine Investitionswege ausfindig machen können, die ihrer Gier nach Profiten gerecht werden. Das ist die verrückte Logik des kapitalistischen Systems, das das Privateigentum und die Gier höher ansetzt als die Bedürfnisse der Millionen Menschen dieser Welt. Lynn Walsh erklärte, dass es sich bei der Krise, die wir zur Zeit erleben, um eine grundlegende Krise der kapitalistischen Akkumulation handelt. Es geht um eine profunde Krise des kapitalistischen Systems und nicht um eine zyklische Krise, die in ein paar Jahres wieder zu Ende ist. Er zeichnete die Krise nach und und stellte heraus, dass ihre Ursprünge drei Jahrzehnte zurück liegen. Damals, in den frühen 1970er Jahren, ging der Nachkriegsaufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg zu Ende. Zu jenem Zeitpunkt wandten sich die Kapitalisten der Finanzspekulation zu, weil sie allein aus der Produktion nicht genug Profit erwirtschaften konnten. Mit der Einführung der neoliberalen Politik ist das Finanzkapital immer mehr zum vorherrschenden Moment in der Weltwirtschaft geworden. Seit den späten 1980er Jahren sind die Schulden zum wichtigsten Faktor des Wirtschaftswachstums geworden. Deshalb hat die Krise seit 2007 auch ein Ausmaß erreicht wie die Kreditblase, die im Weltmaßstab zum Platzen gekommen ist.

Per Åke aus Schweden erklärte in seinem Redebeitrag, dass es als direkte Folge der Krise so schien, als hätten die USA und die meisten Regierungen der EU aus den Ereignissen der 1930er Jahre ihre Lehren gezogen und seien dazu übergegangen, Konjunkturprogramme aufzulegen, um einen völligen wirtschaftlichen Kollaps zu vermeiden. Nach diesen anfänglichen Konjunkturprogrammen griffen die Regierungen dann aber sehr schnell zu sogenannten Sparpaketen. Andere Maßnahmen, wie zum Beispiel das „Quantative Easing“ (Lockerungspolitik), bei dem es sich de facto um eine Form des Gelddruckens handelt, haben nicht zu irgendeiner Form realen Wachstums in der Wirtschaft geführt, sondern nur die Koffer der Banken aufgefüllt und die Spekulation angeheizt. Weltweit diskutiert die Bourgeoisie nun eine sogenannte Wachstumspolitik.

Nigeria und Südostasien

In der Debatte wurde einige Aufmerksamkeit darauf gelegt, wie die Wachstumspolitik aussieht. Es gibt zwei Arten von Wachstumspolitik, die von kapitalistischen Kommentatoren und Politikern bevorzugt werden. Die eine der beiden Varianten ist die neoliberale, bei der den Großkonzernen – in der Hoffnung, diese würden dann mehr produzieren, Zugeständnisse gemacht werden. Hierbei geht es um Steuererleichterungen, weitere Deregulierung und die Aushöhlung von Rechtsvorschriften, die die Rechte der Beschäftigten absichern. Auf der anderen Seite treten einige Vertreter für keynesianistische Maßnahmen ein, was zur Erhöhung der öffentlichen Ausgaben führen und auf Kosten einer weiteren Zunahme der Staatsschulden vonstatten gehen würde. In diesem Fall würden die Schulden über einen längeren Zeitraum somit nicht zurückgezahlt werden. Diese keynesianistische Politik wird von Seiten des Finanzkapitals in Bausch und Bogen abgelehnt, die den Anleihenmarkt gegen Regierungen manipulieren können, welche eine derartige Politik verfolgen.

Von Abbey gab es während dieses Arbeitskreises einen Bericht zur Lage in Nigeria. Im Januar war es dort zu einer Massenbewegung und einem wochenlangen Generalstreik gegen die Abschaffung von Subventionen auf Benzin gekommen, was bedeutet hätte, dass die Lebenshaltungskosten der arbeitenden Menschen enorm gestiegen wären. Während erreicht werden konnte, dass die Preiserhöhung weniger hoch ausfiel, widersetzten sich die Gewerkschaftsführer bewusst den immer mehr Zustimmung erhaltenen Aufrufen nach einem „Regimewechsel“. Schließlich sagten sie den Streik ab. Da die sinkenden Exportpreise für Öl die Einkünfte der Regierung dezimieren, besteht nun auch die Gefahr, dass die Subventionen im Bildungsbereich für die einzelnen Bundesstaaten abgebaut werden. Das würde dazu führen, dass SchülerInnen und Studierende aus der Arbeiterklasse nicht mehr in den Genuss von Bildung kommen können. Bedeutend mehr ArbeiterInnen und andere stellen die Rolle der momentanen Gewerkschaftsführer in Frage und sehen sich nach Alternativen um.

Die desaströsen Folgen der neoliberalen Politik für die arbeitenden Menschen in Südostasien wurden in der Debatte ebenfalls aufgegriffen. Diese Politik hat verheerende Auswirkungen auf die Armen in der Region und hat auch die Mittelschicht in die Armut getrieben, was dazu führt, dass sich eine explosive Situation zusammenbraut. In seinem Beitrag führte Senan aus, dass diese Politik dazu geführt hat, dass in Indien zehn Millionen Menschen in Slums leben, während Millionen von Häusern, die aufgrund der Immobilienblase errichtet wurden, leer stehen. Korruption ist innerhalb der herrschenden Klasse der Region weit verbreitet. Den bislang deutlichsten Ausdruck fand dies in der Absetzung des Premierministers von Pakistan aufgrund eines Korruptionsskandals. Schätzungen gehen davon aus, dass die Korruption in diesem Land ein Ausmaß angenommen hat, das 20 Prozent bis 25 Prozent des BIP entspricht. In Sri Lanka leidet die tamilische Bevölkerung fortwährend unter dem singhalesisch-chauvinistischen Regime von Präsident Rajapaksa. Trotzdem konnte dort ein wichtiger Sieg gegen das Regime errungen werden, als der Kampf gegen die Benzinpreiserhöhungen Erfolg hatte.

Kasachstan

Auch die explosive Situation in Kasachstan wurde behandelt. Esenbek aus Kasachstan berichtete von der Massenbewegung der ArbeiterInnen im Westen des Landes, die massiver staatlicher Repression ausgesetzt ist. Dazu zählt auch das Massaker an demonstrierenden ArbeiterInnen in Schangaösen im vergangenen Dezember

In seiner Zusammenfassung sagte Robert Bechert, dass der Hintergrund der vergangenen beiden Jahrzehnte aus dem Zusammenbruch des Stalinismus und den ideologischen Folgen besteht, die sich daraus für die Arbeiterbewegung ergaben. Er zog einen Vergleich zwischen der Bewegung der Arbeiterklasse im zu Ende gehenden 19.Jahrhundert und der heutigen Phase. Im ausgehenden 19. Jahrhundert entwickelte sich die sozialistische Arbeiterbewegung durch die Erfahrung von Kämpfen und das bewusste Eingreifen von SozialistInnen in dieser Bewegung. Er zog die Schlussfolgerung, dass es in der jetzigen Phase des Kampfes exakt darum geht, dass wir nicht nur eingreifen können, um eine sozialistische Bewegung aufzubauen, sondern um die Welt zu verändern und dass dies die Intention dieser Debatte und der Diskussionen ist, die im Laufe der CWI-Sommerschulung noch folgen werden.

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