Polizeistaat Frankfurt im Mai 2012

Versammlungsfreiheit bei den Aktionstagen in extremer Form angegriffen

 Mit der Demonstration von 30.000 TeilnehmerInnen am 19. Mai gelang ein machtvoller Protest gegen das Spardiktat von Troika und Bundesregierung. In der Finanzmetropole Frankfurt am Main, dem „Herzen der Bestie“, konnte internationale Solidarität demonstriert und ein lautstarkes Signal an die von Kürzungen Betroffenen in ganz Europa gesendet werden. Genau das wollten die Herrschenden verhindern und hofften mit den Verboten aller Versammlungen bei den Aktionstagen vom 16. bis 18. Mai Menschen von der Teilnahme abzuschrecken und durch die Provokationen seitens der Polizei gewalttätige Bilder zu erzeugen.

von Michael Koschitzki, Berlin

Zwei Wochen vor Beginn der Aktionstage wurde das erste Versammlungsverbot zugestellt. Kurz darauf sollten alle Versammlungen in der gesamten Stadt Frankfurt in dem Zeitraum verboten werden. Selbst die Großdemonstration wollte der schwarz-grüne Magistrat verhindern. Die Gerichte bestätigten die Entscheidung der Stadt, hoben jedoch das Verbot der Demonstration unter hohen Auflagen auf.

Begründet wurden die Verbote mit der Ankündigung von Blockaden des Bankenviertels und angeblich gewalttätigen Demonstranten. Das ist ein massiver Angriff auf das Recht der Versammlungsfreiheit. Noch nie wurde in der Geschichte der Bundesrepublik eine Großstadt für so lange Zeit zur versammlungsfreien Zone erklärt.

Bedrohungsszenario der Polizei

Ironischerweise heißt es in der Verbotsbegründung: „Die Verletzung des grundrechtlich geschützten Fortbewegungsrechts wird durch die Blockade von einzelnen U- und S-Bahnen noch verstärkt. Damit stellen die europäischen Aktionstage ‚Blockupy Frankfurt‘ eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar.“ Komisch, denn während der Aktionstage wurden die Stationen „Taunusanlage“ und „Willy-Brandt-Platz“ auf Anweisung der Polizei nicht angefahren, um Versammlungen zu verhindern.

Im Lagebericht der Polizei wird außerdem deutlich, dass die Verbote nicht den Zweck hatten, Blockaden oder vermeintliche Gewalt zu verhindern. In der Einschätzung ist zu lesen: „Sollte das Verbot Bestand haben, dürften die Veranstaltungen trotzdem von den europaweit anreisenden Teilnehmern besucht werden. Der Bestand des Verbots könnte die Teilnehmerzahlen allerdings reduzieren, da friedliche Demonstrationsteilnehmer sich eher an ein Verbot halten werden.“ In anderen Worten: Das Verbot sollte lediglich helfen, abzuschrecken und die Zahl der DemonstrantInnen zu reduzieren.

Haarsträubende Begründungen für das Komplettverbot

Um die angebliche Gewalttätigkeit von DemonstrantInnen zu begründen, wurde mit Unterstellungen gearbeitet. Beispielsweise wurde ein Sofa, das in der gleichen Straße abgebrannt ist, in der auch die CDU-Zentrale steht, ohne Beweise einfach der linken Szene zugeordnet. Die Funde von nicht funktionsfähigen Rohrbomben aus unbekannter Quelle beim 1. Mai in Berlin (!) wurden in der mündlichen Verhandlung ebenfalls herangezogen.

Der Antrag der Stadt Frankfurt, auch die Demonstration zu verbieten, wurde unter anderem damit begründet, dass die Stadt Frankfurt viel zu klein sei, um 30.000 Demonstranten zu fassen und dies die ganze Stadt lahmlegen würde. Die Tatsache, dass sie den Lauf „JP Morgan Corporate Challenge“ der gleichnamigen US-amerikanischen Bank genehmigte, zu dem am 14. Juni allein 70.000 LäuferInnen erwartet werden, zeigt, wessen Interessen sie nahe steht.

Massive Repression …

Alle Versammlungen wurden als sogenannte Ersatzversammlungen eingestuft und verboten. Proteste gegen die Einschränkung der Versammlungsfreiheit fielen genauso darunter wie Versammlungen der Landtagsfraktion der LINKEN. Auch eine Gedenkveranstaltung für die homosexuellen Opfer des Nazi-Regimes, die regelmäßig am 17. Mai stattfindet, wurde verboten.

Für mehrere Tage wurde die Stadt Frankfurt unter die faktische Kontrolle der Polizei gestellt. 5.000 Polizisten waren ständig gleichzeitig im Einsatz. Zahlreiche Kontrollen an Bahnhöfen und Zugängen sollten DemonstrationsteilnehmerInnen auffinden und sie der Stadt verweisen. Bereits in den ersten zwei Tagen kam es laut Mitteilung der Polizei zu 550 Ingewahrsamnahmen. Der Ermittlungsausschuss Frankfurt zählte 1.430 Platzverweise und Ingewahrsamnahmen. Bereits kleinere Ansammlungen von Menschen wurden von der Polizei umstellt, Platzverweise erteilt und teilweise Festnahmen durchgeführt. Mit rabiatem Auftreten wurde versucht, AktivistInnen zu provozieren. Beispielsweise wurde eine 17-Jährige vom Sondereinsatzkommando verprügelt.

… und mutige DemonstrantInnen

 Die AktivistInnen ließen sich jedoch weder provozieren noch einschüchtern. Mit mehreren Versammlungen von bis zu 1.000 Menschen wurde den Verboten getrotzt. Selbst vor der Europäischen Zentralbank konnten am Freitag, den 18. Mai über Stunden mehrere hundert Menschen eine Kundgebung durchführen.

Die Proteste waren entscheidend dafür, der Stadt, den Gerichten und der Polizei eine Niederlage zu bereiten. Was wir in Frankfurt erlebt haben, zeigt, dass die Herrschenden ein Anwachsen des Widerstands befürchten und demokratische Rechte weiter einschränken wollen. Das muss verhindert werden.