Internet: UserInnen vs. Profite

Was in einer sozialistischen Gesellschaft möglich wäre

Millionen Menschen verbringen täglich mehrere Stunden mit der Nutzung von sozialen Netzwerken und/oder sehen online Serien oder Filme. Die Nutzung des Internets ist zu einem bedeutenden Teil unseres Lebens geworden. Wer bestimmt darüber, und was hat das mit dem Kapitalismus zu tun? 

von Jan Hagel, Parchim

Vor einigen Monaten gingen europaweit Zehntausende gegen das ACTA-Abkommen auf die Straße. Dieses sogenannte „Anti-Counterfeiting Trade Agreement“ (Anti-Produktpiraterie-Handelsabkommen) sollte es Medienkonzernen ermöglichen, das Streamen und Downloaden von Videos und Musik schneller und härter zu bestrafen. Die Proteste hatten Erfolg, ACTA wurde erst einmal ad acta gelegt.

Freiheit im Netz?

Aber neue Angriffe drohen, zum Beispiel durch den erfolgreichen Gerichtsprozess der GEMA (was für den reizenden Namen „Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte“ steht) gegen Google, wodurch zahlreiche Musikvideos vom meistgenutzten Videoportal YouTube verschwinden könnten.

Gleichzeitig versucht Google möglichst alle UserInnen der zahlreichen, teils marktbeherrschenden Angebote des Konzerns dazu zu bringen, einen Google-Account anzulegen. Dieser Account würde sie in die Lage versetzen, alle Aktivitäten seiner Besitzerinnen und Besitzer auf sämtlichen Portalen des Konzerns zu verfolgen. Sinn der Datensammelei bei Google und anderen Konzernen ist – wie bei dem neuerdings börsennotierten Facebook – vor allem die Verwendung für zielgerichtete Werbung, mit der wir dann auf diversen Websites bombardiert werden. Aber auch ein Verkauf von Daten und Schritte zur Überwachung sind hier denkbar.

Hier stellt sich die Frage, wem das Internet gehört und in wessen Interesse es funktioniert. Im Kapitalismus betreiben Konzerne die Seiten, die allein und in der Regel ohne Beteiligung der UserInnen über Änderungen an den Angeboten (zum Beispiel die Einführung der „Chronik“ auf Facebook) entscheiden. Die Konzerne betreiben ihre Seiten logischerweise für den Profit. Da die Angebote für UserInnen meistens kostenlos sind, werden die Gewinne vor allem mit Werbung erwirtschaftet. Die Werbung dient wiederum den Renditeinteressen der Unternehmen, die damit den Absatz ihrer Produkte steigern wollen.

Demokratisches Internet?!

In einer sozialistischen Gesellschaft würde einiges im Internet völlig anders laufen. Wenn die Produktion nicht für Profite, sondern zur Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen stattfände, würde keine Werbung gebraucht, die sowieso keine nützlichen Informationen enthält, sondern einem nur irgendwelche Wünsche einreden soll – lästige blinkende Banner, Popups und Ähnliches gäbe es nicht mehr.

Zentrale Webserver und Dienstleistungen würden der Gesellschaft gehören, die über deren Verwendung und Gestaltung demokratisch entscheiden könnte. Suchmaschinen, soziale Netzwerke und andere wichtige Seiten würden nicht mehr zur Steigerung der Gewinne betrieben, sondern für den größtmöglichen Nutzen der UserInnen. Sie könnten gemeinsam mit den Beschäftigten über Änderungen an den Angeboten entscheiden und bestimmen, welche Daten gespeichert werden und was mit ihnen geschieht.

Kreativen Initiativen und Ideen würde mehr Platz eingeräumt und ihnen Ressourcen gegeben werden. Während heute am Ende eines guten Startups der Kauf durch Google oder eines anderen Konzerns steht, würden neue Angebote gefördert, unterstützt und ausgebaut, statt plattkonkurriert werden. Die Mittel dafür wären locker vorhanden – wenn der ganze Reichtum nicht länger in den Händen einer kleinen Minderheit liegen würde und wenn Wissenschaft und Technik zum Nutzen aller wären.

Internet und Planwirtschaft

Wenn wir die Ellenbogengesellschaft hinter uns lassen, könnte das Internet in einer demokratischen Planwirtschaft als Hilfsmittel genutzt werden, um Produktion und Nachfrage betriebs- und bereichsübergreifend, regional und weltweit zu koordinieren, Umweltinteressen zu berücksichtigen und um VerbraucherInnen an der Planung zu beteiligen. Bei demokratischer Planung würde man vorher ermitteln, woran Bedarf besteht. Schon heute gibt es ja sogenannte Marktanalysen; wie einfach wäre es, mit den Möglichkeiten des Internets in Windeseile solche Umfragen durchzuführen. Wie fix könnten neue Informationen verbreitet und neue Wünsche ermittelt werden.

Der Plan wäre auch nichts Starres, sondern bloß eine Arbeitshypothese; durch demokratische Kontrolle könnte die Sinnhaftigkeit des Plans und seiner Umsetzung jederzeit überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden.

Damit und durch die Möglichkeit detaillierter Simulationen mit moderner Computertechnologie sind die Voraussetzungen für eine demokratische Planung der Wirtschaft heute besser als je zuvor. Das World Wide Web könnte helfen, alles Know How weltweit jeder und jedem zur Verfügung zu stellen.

Das häufig von AnhängerInnen des Kapitalismus verwendete Argument, die Wirtschaft sei „zu komplex“, um sie zu planen, ist damit endgültig widerlegt. (Wobei nicht vergessen werden sollte, dass große Konzerne wie Daimler oder Siemens die Produktion in ihren Werken auch heute schon planen – aber nur auf das jeweilige Unternehmen bezogen, in Konkurrenz zu den Kontrahenten und natürlich ohne Berücksichtigung und Einbeziehung der Anliegen von Beschäftigten und der arbeitenden Bevölkerung insgesamt).

Auch früher war die Planung der Wirtschaft landesweit und darüber hinaus schon möglich, wie das in einem großen Teil der Welt ja auch jahrzehntelang der Fall war. Allerdings hatten in der Sowjetunion und den anderen stalinistischen Staaten privilegierte, bürokratische Apparate die Kontrolle inne. Von einer Demokratie bei der Planung konnte keine Rede sein. Daher wurde an den Bedürfnissen der Menschen vorbei geplant. Das musste irgendwann scheitern, vor allem bei einer höher entwickelten und komplexeren Wirtschaft. Darum brach der Block der stalinistischen Staaten schließlich auch zusammen.

In einer zukünftigen sozialistischen Gesellschaft muss die Planung demokratisch im Interesse aller organisiert werden. Interessante Anregungen, wie das mit Hilfe der heutigen Informationstechnologie funktionieren könnte, geben die schottischen Wissenschaftler W. Paul Cockshott und Allin Cottrell in ihrem Buch „Alternativen aus dem Rechner“, zu bestellen im Online-Shop der SAV.