31. März: Antikapitalistische Demonstration in Frankfurt/Main

Und was für „ein ganz anderes Ganzes“?!


 
Am vergangenen Samstag demonstrierten ca. 5.000 Menschen in Frankfurt am Main, gegen die Auswirkungen der Krise, gegen Kapitalismus und für internationale Solidarität mit denen von Krise und Kürzungen Betroffenen in Griechenland, Spanien, Portugal, Irland, Italien unter anderem.

von Anne Engelhardt, SAV Kassel

Zu der Aktion wurde von dem Bündnis M31 aufgerufen, in dem FAU (Freie Arbeiterinnen- und Arbeiterunion), linksradikale und antifaschistische Gruppen vertreten sind. Ziel der Demoroute war die Baustelle der neuen EZB. Gleichzeitig fanden in mehreren europäischen Städten Protestaktionen und Demonstrationen gegen die Kürzungspakete und die katastrophalen Auswirkungen auf die Lebensbedingungen der Lohnabhängigen statt. Positiv war, dass SprecherInnen wie Jutta Ditfurth von Ökolinx und Leo Schneider von der autonomen Antifa die bestehende Krise nicht als moralischen Verfall einiger weniger, die nicht mit Geld umgehen könnten, einordneten oder aus dem Kapitalismus ein Casino gemacht hätten, sondern sie analysierten die aktuelle Entwicklung als systemische Krise des Kapitalismus, den es abzuschaffen gilt. Es wurden zurecht Warnungen ausgesprochen, dass im Zuge der Krisenerscheinungen und Lösungsversuche der Herrschenden nationalistische Stimmung geschürt werden und dass zunehmend demokratische Rechte beschnitten und gleichzeitig wie in Italien und Griechenland durch das Einsetzen von Technokratenregierungen sogar die parlamentarische Demokratie ausgehöhlt wird. Daraus zogen die VeranstalterInnen den Schluss alle nationalen Fahnen, leider auch Griechenlandfahnen, die aus Solidarität getragen wurden, auf der Demonstration zu verbieten.

Kein Programm und keine gesellschaftlich relevanten BündnisparterInnen

Auf einem Transparent wurde „Für ein ganz anderes Ganzes“ geworben. Nirgends waren von den AufruferInnen Programmpunkte vertreten, die darüber hinaus klare Vorstellungen aufzeigten, wie der Kapitalismus abgeschafft werden kann und was danach kommt. Mit den Aktionen der Lohnabhängigen in Griechenland, Spanien oder Portugal wurde sich nur oberflächlich solidarisiert. Nirgends wurde erwähnt, wie es in den Ländern zu den erfolgreichen Massenprotesten kam, wie es dort BasisgewerkschafterInnen und AktivistInnen der sozialen Bewegung geschafft hatten, die dortigen Gewerkschaftsapparate unter Druck zu setzen, so dass die großen Gewerkschaftsverbänden genutzt werden konnten, die Massen- und Generalstreiks überhaupt zu organisieren. Perspektiven, die über die nationalen Bewegungen der einzelnen Länder hinaus gehen, wie zum Beispiel die Forderung nach einem europaweiten Generalstreik, wurden trotz leerer antinationalistischer Worthülsen, nicht aufgestellt. Zudem verzichtete das Bündnis auf klare Forderungen wie sie bereits in Teilen der Bewegung Griechenlands gefordert werden, wie die komplette Schuldenstreichung und die Überführung der privaten Banken in öffentliches Eigentum bei demokratischer Kontrolle. Der Protest auf der Straße und die Aktion sind demnach alles und daraus würde sich dann schon irgendwie, irgendwo, irgendwann das „Richtige“ ergeben. Und das ohne Programm, ohne breite linke oder gewerkschaftliche Formationen. Als ob FAU und die autonome Antifa die Revolution und das „ganz andere Ganze“ schon alleine hinkriegen würden. Auf Grund der fehlenden bzw. falschen Vorstellung, wie eine andere Gesellschaft erkämpft und wie diese aussehen solle, wurden bei der Vorbereitung neben inhaltlichen auch bündnispolitische Fehler begangen. Die Demonstration war offensichtlich von Anfang an als eine rein linksradikale Veranstaltung konzipiert. So wurde nicht versucht, VertreterInnen breiter Formationen wie der Partei die LINKE oder den Gewerkschaften des DGB im Vorfeld in das Bündnis einzubeziehen, da sie zu den „autoritären“ bzw. „staatstragenden“ Institutionen gehören würden. Diese Taktik verzichtet darauf, die Bürokraten großer Institutionen, in denen Lohnabhängige organisiert sind, herauszufordern, sondern macht es ihnen stattdessen einfach, sich aus der Mobilisierung flächendeckender Proteste herauszuhalten. Trotzdem kamen einzelne Mitglieder der LINKE und von Linksjugend[„solid] mit Fahnen und einige wenige IG-Metall- und ver.di-Mitglieder, die offen auftraten und zurecht die Demo nutzen wollten, ihre internationale Solidarität mit anderen europäischen Ländern zu zeigen, als auch gegen die Krise zu demonstrieren.

Gewalt für was und gegen wen?

Leider wurde die Demo von einigen genutzt, um sinnlos zu randalieren. Die Demoleitung sprach sich, erst nachdem eine Reihe von Fensterscheiben zerbrochen waren, klar gegen Vandalismus aus. Es wurden Leuchtkörper geworfen und Böller gezündet, die vor allem die DemoteilnehmerInnen verschreckten. Gleichzeitig wurden willkürlich kleine Geschäfte und Autos demoliert, deren BesitzerInnen wohl kaum VerursacherInnen der kapitalistischen Krise sind. Die Presse nutzte diese Bilder, um den Protest und die TeilnehmerInnen insgesamt zu kriminalisieren und SympatisantInnen ein verzerrtes Bild der antikapitalistischen Demonstration zu liefern. Die Polizei trat provokativ und einschüchternd vom Helm bis zum Schild in Erscheinung. Zurecht waren DemonstrantInnen über deren Vorgehen empört. Die Einkesselung von 150 DemonstratInnen wurde mit deren Gewaltbereitschaft gerechtfertigt, in Wirklichkeit gehörte diese Maßnahme in das Gesamtkonzept der Einschüchterungsstrategie der Herrschenden. Auch die Auflösung der Demonstration unter Bedingungen bei denen die Protestierenden durch winzige Seitengänge geleitet wurden, anstatt den Polizeikessel komplett abzuziehen, ist absolut zu verurteilen.

16-19 Mai in Frankfurt/Main: Internationale Solidarität zeigen! Für eine klares Aktionsprogramm gegen die Krise

Die SAV unterstützt die geplanten Aktionen vom 16. bis 19. Mai in Frankfurt/Main und beteiligt sich an der Mobilisierung. Wir setzten uns bei dem Aktionskongress Ende Februar dafür ein, dass nicht nur die radikale Linke zu den Protesten im Mai mobilisiert werden solle, sondern konkrete Forderungen aufgestellt werden müssen, die die Probleme und aktuellen Auseinandersetzungen der lohnabhängigen Menschen in Deutschland aufgreifen. Ein Aktionsprogramm, dass die Forderungen wie Mindestlohn, Abschaffung von Leiharbeit und prekären Arbeitsverhältnissen und radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich enthält, würde dazu dienen eine breitere Mobilisierung zu ermöglichen. Leider wurde dieser Vorschlag vom Bündnis aus unterschiedlichen Gründen (siehe Artikel vom 27.02.2012) nicht mehrheitlich aufgegriffen. Dennoch unterstützen wir den Ansatz dieses Mobilisierungskreises, da auch Gewerkschaftsverbände und die LINKE die Aktionen im Mai unterstützen und das Potential für große Protestaktionen und eine laute Demonstration am 19. Mai dadurch möglich wird. International planen AktivistInnen zu den Protesten im Mai nach Frankfurt zu fahren, um diese zu unterstützen. Auf den internationale Protest werden europaweit Millionen von Jugendliche und Lohnabhängige schauen. Deshalb gilt es vom 16. bis 19. Mai in einem der Zentren der sogenannten Krisengewinner gegen die Politik von Merkel, EZB und Co. gemeinsam ein deutliches Zeichen zu setzen.

Und was für „ein ganz anderes Ganzes“?!